Den inneren Aufschrei kennen die meisten Eltern nur zu gut: Wenn der Kindergarten das Auftreten von Kopfläusen vermeldet, zuckt man unweigerlich zusammen. Es folgt das bange Suchen in den Haaren des eigenen Nachwuchses – und die bittere Gewissheit, wenn tatsächlich ein winziges Krabbeltierchen auftaucht. Ganze Generationen erinnern sich an mühsame Stunden mit Spezialshampoos, endlose Kämm-Sitzungen oder gar an den radikalen Schritt: die geliebten Haare abschneiden.
Ansteckung durch Kopfkontakt
Kopfläuse sind meist harmlos, aber deswegen nicht weniger unbeliebte Gäste. «Es sind Lebenskünstler», weiss Christine Gilgen. Die Könizer Läuseexpertin ist Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft der Kopflausfachleute SGKF und Kursleiterin. «Wenn Kinder miteinander balgen, sich umarmen oder eng nebeneinander sitzen, ergreifen die Läuse die Gelegenheit und wechseln den Kopf», erklärt sie. Vier Sekunden Kontaktzeit reichen den Blutsaugern für den Wirtewechsel. Springen können Läuse übrigens nicht. Auch ist eine Ansteckung über Kissen oder Kleidungsstücke nahezu ausgeschlossen: «Sie halten sich am Haar fest und lassen nicht los, zudem müssen sie alle zwei bis vier Stunden Blut saugen.» Eine dänische Studie aus dem Jahr 2012 stellte fest, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Ansteckung über einen Gegenstand bei 1:100’000 liegt. Viel eher passiert es an Übernachtungsparties oder in Leseecken. Interessant sei, dass Teenager heute häufiger betroffen sind als früher. «Lange Haare sind in Mode, und Jugendliche stecken oft die Köpfe zusammen, um etwas am Handy zu schauen. Auch die Selfiekultur führt zu engerem Körperkontakt.»
«Es kann jeden treffen»
Ist das Waschen von Bettbezügen, das Einfrieren von Kuscheltieren oder gar ein umfassender «Frühlingsputz» dann gar nicht nötig? «Das ist immer noch ein verbreiteter Mythos, denn es ist überflüssig», sagt die Fachfrau. Die Behandlung der Haare sei schon aufwendig genug; die Eltern dürfen sich die Mühe mit der Bettwäsche sparen. Auch mit Hygiene hat ein Befall nichts zu tun. Im Gegenteil: «Läuse können sich an trockenen, sauberen Haaren besser festklammern, deshalb bevorzugen sie diese gegenüber fettigen.» Egal, welche soziale Schicht, welcher Haartyp und welche Hygiene: Es kann jeden treffen. Leider verstärke die Stigmatisierung das Problem häufig. Betroffene Familien melden sich aus Scham nicht und tragen so unbeabsichtigt zur Weiterverbreitung bei.
Schulische Kontrollen
Kopfläuse gibt es seit Menschengedenken, und zwar in allen Kulturen. In Pharaonengräbern wurden sie nachgewisen, es gibt Jahrtausendealte Funde aus Brasilien, Grönland und England. In unseren Breitengraden übertragen die Läuse keine Krankheiten, aber durch den Juckreiz können Kratzwunden entstehen, die sich entzünden. Viele Schulen setzen daher auf Kontrollen. Entweder regelmässig oder bei Auftreten von Fällen. Dies liegt meist im Ermessen der Schulleitung. Grundsätzlich gilt aber, dass die Verantwortung für die Gesundheit der Kinder den Eltern obliegt. Heute sind die Behandlungsmöglichkeiten gut. Während früher – im Ausland auch heute noch – Shampoos mit chemischer Wirkung verwendet wurden, sind heute in der Schweiz nur noch solche mit physikalischer Wirkung zugelassen. «Man verschliesst den Läusen die Atemlöcher», erklärt Gilgen.
Wichtige Kurse
Diese Zeitung durfte bei einem Einsteigerkurs dabei sein. 16 Teilnehmende aus allen Altersgruppen und aus der ganzen Deutschschweiz waren angereist. Viele führen bereits Läusekontrollen an Schulen durch, haben einen beruflichen Hintergrund in der Pflege oder sind Coiffeusen. Den Begriff «Läusetante» hören die Kursleiterinnen nicht gerne; er wirke abwertend. Wer ihre Kurse absolviert, darf sich Fachfrau oder Fachmann Kopflaus nennen. Nach dem Theorieteil folgt die Praxis: Eine Schulklasse aus Wabern stellt sich zur Verfügung; die Teilnehmenden prüfen unter Anleitung die Haare der Kinder. Am Ende kehren die 16 neu zertifizierten Fachfrauen in ihre Gemeinden zurück – bereit, es der Kopflaus schwer zu machen. Denn (nicht nur) Eltern wissen: Der nächste Aufschrei kommt bestimmt.
Tipps:
–Haare der Kinder wöchentlich kontrollieren
–Dabei die Haare zuerst nur gut anschauen. Bei Berührung der Haare verstecken sich die Läuse
–spezielle Nissenkämme benutzen
–Läuseshampoos nicht präventiv anwenden, sondern nur bei Befall
–Bei Befall das von der SGKF mitentwickelte Merkblatt des Kantons Bern beachten: tiny.cc/merkblatt-laus
–Weitere Infos: sgkf.ch/kopflausinfo