Weihnachtsgeschichte

Der Samichlous hat einiges zu erzählen

Thomas Bornhauser
Es ist eine strenge Zeit für den Samichlous.

Foto: zvg/EE

Einfach erklärt

Es gibt eine lange Tradition zum Sankt Nikolaus oder Samichlous. In verschiedenen Kulturen wird er anders gefeiert. Hier gibt es ein Gespräch mit ihm. Man erfährt, wo er überall hingeht.

Sind nun der Samichlous (samt Schmutzli und Eseli) und der Weihnachtsmann ein und dieselbe Gestalt in Personalunion? Und woher kommt der ältere Herr wirklich? War der Heilige Nikolaus um 270 n.Chr. Bischof im türkischen Myra? Sind seine Ursprünge im finnischen Rovaniemi – seinem heutigen Wohnsitz – zu finden? Wer weiss das schon? Sicher scheint einzig, dass Santa Claus keine Tantiemen von Coca Cola bezieht. Wir konnten mit ihm exklusiv ein Gespräch für diese Zeitung führen.

Der Samichlous begegnet uns mit seinem unnachahmlichen Ho-Ho-Ho: «Nein, ich bin noch niemals in einem Kamin steckengeblieben, wie mir das in den USA unterstellt wird.» Dort ist es Tradition, dass er nach seiner Rutschpartie von Heiligabend auf den Weihnachtstag die aufgehängten Weihnachtsstrümpfe – «the Christmas Stockings» – mit Goodies und Yummies füllt und weitere Geschenke unter den Weihnachtsbaum legt. Um sich von seinen Anstrengungen der kalten Nacht erholen zu können, stellen die Kiddies oftmals ein Glas Milch – also nichts von Rum-Punsch … – und Guetzli bereit. Anschliessend klettert Santa den Kamin wieder hoch und setzt sich auf seinen Schlitten, um von den Rentieren – Rudolph zuvorderst mit seiner roten Nase – zur nächsten Familie geflogen/gefahren zu werden. Er macht sich die Zeitzonen zunutze, damit er alle Kinder auf der Welt besuchen kann. Die Coca-Cola-Lastwagen hingegen kennt er nur aus der Werbung. «Die Filmli sind gut gemacht», sagt er, rümpft aber auch seine Nase.

Merry Christmas, Mary Christmas

Was hält er davon, dass mit seiner Figur – und damit ist nicht die leibliche gemeint – Millionenumsätze gemacht werden, neuerdings im wahrsten Sinne auch bei den chinesischen Billiganbietern? «Ich habe es aufgegeben, mich darüber aufzuregen, es ist ja nicht zu ändern.» Für ihn besonders störend: Die Abzocker-Preise für Souvenirs in Rovaniemi, eine Foto mit Samichlous zum Beispiel kostet 40 Euro, Handy-Aufnahmen verboten.

Womit wir bei einem ganz anderen Thema angelangt wären. Gibt es eigentlich eine Weihnachtsfrau, sozusagen eine Partnerin des Weihnachtsmanns? Oho … Mein Gesprächspartner errötet. Erwischt? Was ist nun? Er kommt ins Stottern. «Eigentlich nicht», versucht er sich herauszuwinden. Ich bleibe hartnäckig dran. «Sagen wir es so: Mir ist schon zu Ohren gekommen, dass es eine Mary Christmas geben soll, anscheinend.» Näheres zu wissen, das streitet der gutmütige Mann aber rundweg ab.

Jüngere und ältere Menschen

Danach kommen wir regelrecht ins Plaudern, er beklagt sich vor allem darüber, dass gewisse ältere Kinder ihren jüngeren Geschwistern erzählen, dass es den Samichlous gar nicht gibt (was ich vehement dementieren muss, Anmerkung des Schreibenden), um sich wichtig zu machen. Die Bemühungen um Wiedergutmachung der Eltern räumen die Zweifel nicht immer aus. Die Begegnungen mit den Kindern sind immer «der Höhepunkt des Jahres», wie er uns verrät. Zum einen die «Schüüche», die erröten, wenn sie ihre Sprüchli aufsagen, zum anderen die Vorlauten, die glauben, sie könnten dem Samichlous den Schneid abkaufen. «Ganz vorsichtig stelle ich sie dann jeweils in den Senkel», wobei ihm doch tatsächlich ein Schmunzeln übers Gesicht huscht. Mit den Kindern ist es überhaupt so eine Sache, vor allem, wenn sie in Begleitung ihrer Grosseltern sind. «Auch wenn bei älteren Menschen das Kurzzeitgedächtnis nicht mehr optimal funktioniert, ihr Langzeitgedächtnis ist vielfach phänomenal!» Was heisst das? «Viele wissen noch genau, wie sie Weihnachten als Kinder erlebt haben, sie erzählen mir dann aus den 40er- oder 50er-Jahren, nicht wenige können ihre Versli sogar noch auswendig, wenn auch inzwischen 70 oder sogar 80 Jahre vergangen sind. Unglaublich.»

Religionsübergreifend

Ein Zusammentreffen ist ihm in besonderer Erinnerung geblieben, zufälligerweise in einer Waldhütte in unserem Lesegebiet. Nach dem Besuch einer Flüchtlingsfamilie aus Syrien – keine Christen – fiel Samichlous ein Zettel auf dem Boden auf. Zuerst wollte er ihn ins Kaminfeuer werfen, faltete das Papier dann doch auseinander. Libe Samiklos, stand da in kindlicher Schrift zu lesen, Vater arm. Kanst du uns zu Essen einlade. Nach dem Lesen bat er die nächste wartende Familie um einige Augenblicke der Geduld, er müsse noch etwas erledigen. Was er dann auch tat, indem er – vor den Blicken anderer Leute versteckt – mit seinem Handy (!) bei der Organisatorin des Anlasses nachfragte, ob sie eine genauere Adresse der Syrer habe.

Am nächsten Tag – einem Montag kurz vor Heiligabend – gab es einige Anrufe zwischen dem Samichlous, der Heilsarmee und der Asylunterkunft, wo die Familie untergebracht wurde. Um dort niemanden zu benachteiligen, organisierte die Heilsarmee Freiwillige, die mit gespendeten Lebensmitteln dem Küchenteam ein würdiges Weihnachtsessen für 60 Personen ermöglichte. Zum Schluss das Unerwartete: Die syrische Familie stand auf und sang (oder summte) «Stille Nacht», von Mitgliedern der Heilsarmee begleitet.

Wir könnten uns noch stundenlang unterhalten, aber mein Gegenüber muss «jetzt gleich» seine Tournee fortsetzen. Um Menschen glücklich zu machen. Was für eine tolle Aufgabe. Ich wünsche Ihnen, liebe Lesende, schöne Feiertage, einen guten Rutsch ins 2025 und der Welt etwas mehr Frieden.

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