Schiedsrichter-Ausbildung

«Es mangelt an Respekt»

Lukas Tschopp
Michael Lüthi im Einsatz als Schiedsrichter.

Foto: zvg

Einfach erklärt
Michael Lüthi ist Schiedsrichter im Fussball. Er hilft auch mit bei der Ausbildung von neuen Schiedsrichtern. Es gibt nämlich zu wenige. Und viele werden von Spielern und Zuschauern beschimpft und bedroht.
Michael Lüthi ist Fussballschiedsrichter aus Leidenschaft. Als Coach und Instruktor engagiert er sich für künftige Schiedsrichter-Generationen. Und weiss um die Problematik im Geschäft.

Ich treffe mich mit Michael Lüthi in seinem Optikergeschäft beim Bahnhof Bümpliz Nord. Hier ist es ruhig, sauber, die Stimmung entspannt. Nicht nur seine Lehre zum Augenoptiker, sondern auch sein Wissen um Ordnung als Grundlage eines entspannten, kühlen Kopfes wirken bei Michael Lüthi als Garant für seinen klaren Durchblick – im Geschäft ebenso wie auf dem Fussballplatz.

Mit 16 Jahren begann Lüthi, für den SC Bümpliz 78 als Schiedsrichter Fussballspiele zu pfeifen. «Mir hat das sogleich den Ärmel reingezogen. Ich habe meine Karriere als Fussballer aufgegeben – zu Gunsten einer Karriere als Schiedsrichter.» Auch dieser Weg kann steil nach oben führen: Zwischen 2003 und 2013 agierte Lüthi als Oberliga-Assistent auf Stufe
1. Liga, davon acht Jahre lang als Assistent in der Swiss Football League, der früheren Nationalliga.

Ein Schiedsrichter-Lehrer

Auslöser für die Leidenschaft fürs Schiedsrichtern war sein damaliger Sekundarlehrer an der Schule Schwabgut. «Dieser amtete nebenher als Schiedsrichter für die FIFA. Nach Einsätzen am Wochenende erzählte er uns in der Schule von seinen Erlebnissen. Einmal schickte er mir eine Postkarte, vom Aufenthalt als Schiedsrichter in Dublin.» Lüthi war derart fasziniert, dass er sein Glück selbst versuchen wollte. 

In seiner aktiven Schiedsrichter-Zeit übernahm der 42-Jährige vom Schweizer Fussballverband das Nachwuchsprojekt «Footeco» für den Teilverband Bern/Jura. Das Projekt fördert eine Ausbildungskultur für den Elite-Fussball der Kategorien U13 und U14. Der Fokus liegt nicht auf kurzfristigem Erfolg, sondern auf der langfristigen Entwicklung des Potenzials von talentierten Spielerinnen und Spielern. Junge Talente sollen nicht vorschnell selektioniert, sondern in physischen, technischen und spielerischen Elementen ganzheitlich gefördert werden. Dieses Ausbildungsprinzip, das sich Respekt und Fairplay auf die Fahne schreibt, wird dank Lüthi jetzt auch in der Schiedsrichter-Ausbildung umgesetzt. «Ambitionierte Schiedsrichter werden via Footeco von Fachpersonal an ihre Spiele begleitet, gecoacht und instruiert.» Lüthi selbst amtet bis heute als Coach und Instruktor innerhalb der Nachwuchsförderung im Schiedsrichterwesen.

Mit dem Tod gedroht

Trotz seines unermüdlichen Einsatzes für künftige Schiedsrichter-Generationen hat der Fussballverband ein Problem mit der Rekrutierung von genügend Schiedsrichtern, gerade in den Amateur-Ligen. «Im Teilverband Bern/Jura gehen während der Saison über alle Ligen hinweg pro Wochenende rund 450 Spiele über die Bühne. Zur Verfügung stehen uns dafür über 500 Schiedsrichter. Aufgrund vieler Abwesenheiten ist es dem Verband derzeit kaum möglich, all diese Spiele mit ausgebildetem Fachpersonal abzudecken.»

Mit anderen Worten: Es besteht ein Schiedsrichter-Mangel. So ist Michael Lüthi mit seinen Kollegen Wochenende für Wochenende damit beschäftigt, per Telefon zusätzliches Personal aufzubieten. Eine unglückliche Situation, für alle Beteiligten. Dabei kann er dem Schiedsrichter-Dasein viel Positives abgewinnen: «Im Mittelpunkt steht die Freude am Fussball. Als Schiedsrichter ist es unabdingbar, das Spiel zu verstehen, es richtig ‹zu lesen›. Das hat mich selbst am meisten angespornt, meine Liebe für guten Fussball.» Andererseits geht es auch darum, Kritik einstecken und ertragen zu können. Und hier liegt der Hund begraben. Lüthi hat drei Kinder, zwei davon kicken selber in der Juniorenliga. «Wenn ich heute ein Spiel meiner Kinder besuche, kriege ich Hühnerhaut, so wie gewisse Zuschauer oder Trainer mit den Schiedsrichtern umgehen.» Lüthi selbst kann davon ein Liedlein singen, wurde ihm in Amateurliga-Spielen schon mit dem Tod (!) gedroht.

Mehr Gelassenheit für alle

«Ein gewisses Mass an Beschimpfungen ist wohl noch als ‹normal› zu tolerieren», relativiert der dreifache Familienvater. «Doch wenn Schiedsrichter wiederkehrend unterhalb der Gürtellinie beschimpft oder nach den Spielen gar körperlich angegangen werden – dann ist das nicht ein sportliches, sondern ein gesellschaftliches Problem.» Die Hemmschwelle gegenüber der Autorität des Schiedsrichters sei in den letzten Jahren laufend gesunken. «Hier klafft eine grosse Lücke zwischen dem Profi- und dem Amateur-Fussball. Auf professioneller Ebene sind solche Respektlosigkeiten seitens Spieler und Offiziellen kein Thema.»

Ein Rezept gegen den Schiedsrichter-Mangel besteht nach Michael Lüthi darin, die Hoheit über die Rekrutierung von den Vereinen an den Verband zu übertragen. Der Verband arbeitet aktiv an der Bewerbung von neuem Personal, etwa mit der Website werdeschiri.ch, auf der man seine Schiedsrichter-Skills testen kann. Die wichtigste Zutat, um das Schiedsrichtern angenehmer zu gestalten, liegt letztlich in der Gelassenheit von Spielern, Trainern und Zuschauern. Hier lohnt sich ein Abstecher zu Lüthi Optik, im Norden von Bümpliz. Um einen kühlen Kopf zu bewahren und den Durchblick nicht zu
verlieren.

Lukas Tschopp

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