Dringend gesucht: Neue Rasensportflächen

Rasen fürs Fussballfieber oder Äcker für Feldfrüchte?

Salome Guida
Von Salome Guida - Redaktorin
Sicht vom Niederbottigenweg in Richtung Bümpliz: Hier sollen bis zu fünf Rasensportplätze entstehen.

Foto: SG

Einfach erklärt
Die Stadt Bern braucht dringend neue Rasenplätze. Für Fussball und andere Sportarten. Sie hat viele mögliche Plätze angeschaut. Beim Westside und der Tramhaltestelle Bümpliz gibt es gute Möglichkeiten.
Fussball, aber auch Rugby oder Baseball, boomen. In der Stadt Bern sind die Rasensportflächen gut genutzt und die Verantwortlichen erwarten einen steigenden Bedarf. Sie haben sich auf die Suche nach möglichen neuen Standorten gemacht und sind in Bern West fündig geworden. Doch einfach wird es nicht.

Juniorinnen, Nachwuchshoffnungen, 4.-Liga-Teams oder Hobbykicker haben es schon längst bemerkt: Die Sportinfrastruktur der Stadt Bern stösst an ihre Grenzen; Rasensportfelder sind begehrt. Manch ein Fussballtraining kann erst am späteren Abend stattfinden, für neu gebildete Teams ist es schwierig, Platzzeiten zu erhalten. «Sport hat stark an Bedeutung gewonnen», statiert denn auch der Bericht eines Projektteams. Es besteht aus Vertretenden der Stadtverwaltung sowie externen Expertinnen und Experten. Sie führten im Auftrag des Stadtplanungsamts Bern eine Standortevaluation für neue Rasensportfelder durch, denn in den nächsten sechs Jahren wird ein weiteres Bevölkerungswachstum erwartet. Auch die Zahl der Schulkinder wird zunehmen. Dass Sport wichtiger geworden sei, merke man am Sportangebot, das laufend ausgebaut werde, so der Bericht weiter. Die Stadt schreibt in ihrer Medienmitteilung zum Bericht, dass die gestiegene Popularität des Frauen- und Mädchenfussballs zum steigenden Bedarf beitrage. Dies wird sich mit den Europameisterschaften der Frauen, die im Sommer 2025 in der Schweiz – auch in Bern – stattfinden, voraussichtlich noch beschleunigen. Bereits hat die Stadt in einer ersten Phase ihrer 2016 verabschiedeten Rasenstrategie die bestehenden Anlagen optimiert: etwa durch die Installation von Trainingsbeleuchtung, durch die Umwandlung in Kunstrasenfelder oder durch zusätzliche Garderoben. Doch das reicht nicht – Bern muss neue Rasenplätze schaffen.

51 Standorte geprüft, 48 wieder verworfen

Was also tun? Fussballfelder lassen sich nicht ohne weiteres herzaubern. Freie Flächen sind Mangelware, zudem müssen sie zahlreiche Bedingungen erfüllen. Ganze 51 mögliche Standorte prüfen die Zuständigen. Ausgeschlossen werden Standorte in Wald-arealen oder Familiengärten, aber auch solche, die langfristig nicht mehr nutzbar wären oder deren Erstellung zu teuer wären – etwa bei möglichen Autobahnüberdeckungen. Zu den nicht mehr weiterverfolgten Standorten gehören im Stadtteil VI das Coop Verteilzentrum West, die Autobahnüberdeckung Untermatt Nord, die Emil Frey AG oder die Gärtnerei Freiburgstrasse. Übrig bleiben vorerst 19 mögliche Standorte, davon 7 in Bern West. Doch sind sie kompatibel mit der Stadtentwicklung? Kann bestehende Infrastruktur mitgenutzt werden? Ist eine neue Erschliessung nötig oder besteht ein guter Anschluss an den öffentlichen Verkehrt? Beansprucht ihr Bau landwirtschaftlich genutztes Land? Und wie steht es um die Lärm- und Lichtbelastung für die Anwohnenden?

 

Kein Fussballfeld im Bethlehemacker

Ein aufgrund dieser Kriterien nicht weiterverfolgter Standort ist der Bethlehemacker. Hier sieht die Projektgruppe ein erhebliches Konfliktpotenzial im Bereich Lärm- und Lichtemissionen, denn das Rasenfeld wäre im Innenhof des dicht bebauten Gebietes zu liegen gekommen. Fallen lässt sie auch den Standort Oberbottigen – zu weit weg ist er vom öV- sowie vom Fuss- und Velonetz der Stadt. Zwei weitere mögliche Plätze werden vorerst zurückgestellt, aber langfristig nicht ausgeschlossen: der Parkplatz Westside und der Standort Eymatt. Beim Westside-Parkplatz wäre nur ein Hauptspielfeld möglich und die Fläche bietet ansonsten kaum zusätzliche Spielräume, wie die Autorinnen und Autoren schreiben. Zudem müsste ein Ersatz für die Parkplätze her. Die Eymatt liegt zu weit abseits, bietet ebenfalls nur Platz für ein Feld – und für die beanspruchten Familiengärten müsste eine neue Fläche gefunden werden. 

2 von 3 Favoriten in Bern West

Auf die Shortlist schaffen es von den ursprünglich 51 möglichen Arealen noch deren 6. Zwei in Bümpliz und Bethlehem, vier ganz im Osten der Stadt. Doch nach einer vertieften Analyse setzt das Projektteam drei der Bern-Ost-Standorte auf die Reservebank. Übrig bleiben im Osten Flächen bei der Rudolf-Steiner-Schule und im Westen die beiden Standorte Westside sowie Endstation Tram 7. Im Bericht wird deutlich: «Die Standorte in Bern West bieten ein sehr grosses Potenzial. Jeder der beiden Standorte ermöglicht die Realisierung eines Sportclusters, womit der sportpolitische Handlungsspielraum der Stadt Bern erheblich vergrössert würde. Sie stehen jedoch vor der grossen Hürde, dass für ihre Realisierung Fruchtfolgeflächen eingezont werden müssen.» Der letzte Punkt könnte gar die Pläne zunichte machen: «Im Rahmen der Standortevaluation wurde nicht abgeklärt, ob eine Einzonung aus Sicht des Kantons grundsätzlich machbar ist.» Erstaunlicherweise brauche Bern West aktuell gar keine neuen Plätze. Aber: «Es ist mit einem starken Bevölkerungswachstum und einer entsprechend  wachsenden Nachfrage zu rechnen», hauptsächlich wegen den neuen Entwicklungsgebieten wie ESP Aus-serholligen, Chantier Bethlehem West, Mädergutstrasse und Kirchacker. Verschärft wird die Platznot zudem durch den Bau des neuen Tramdepots, währenddessen die Rasensportfelder Bodenweid, zwischen Europaplatz und dem Bahnhof Bümpliz Süd gelegen, nicht genutzt werden können. Deshalb, aber auch wegen des «sehr grossen Potenzials», empfehlen die Projektverantwortlichen, beide Areale vertiefter zu prüfen.

Sportplätze statt Steckrüben?

Der Übergang von Beton zu Blumen ist hier schnell geschafft: Nördlich des Bahnhofs Bern Brünnen Westside präsentieren sich Einkaufszentrum, Wasserpark und Kinokomplex, dahinter sind die Gäbelbach-Hochhäuser zu sehen. Auf der anderen Seite der Gleise jedoch wachsen Gras, Mais oder Kartoffeln, und «Hündeler» geniessen die langen Feldwege. Hier, auf diesen Äckern und Wiesen zwischen Westside und Niederbottigen, sieht die Stadt Potenzial für neun Hauptspielfelder. Auch «weitere Sportangebote und Freizeitnutzungen wie bspw. Pumptrack, Multisportplatz mit Banden, Spielplatz oder Skatepark» wären möglich. Ein Pluspunkt ist natürlich die unmittelbare Nähe des S-Bahnhofs samt Tramhaltestelle, auch die Nähe zum Autobahnanschluss könnte von Vorteil sein. Die sechs betroffenen Parzellen gehören mehreren Grundeigentümerschaften. Ein kleinerer Teil ist in Alleineigentum, andere Parzellen gehören mehreren Personen oder dem städtischen Fonds Boden- und Wohnbaupolitik. Dies sei «komplex» und mit einem «erhöhten Planungsaufwand» verbunden. Wollen nicht alle Grundeigentümer verkaufen, wäre jedoch auch «eine Verkleinerung des Areals vertretbar». 

Fruchtfolgeflächen sind nicht einfach so einzonbar. Voraussetzung ist beispielsweise, dass ein regionaler Bedarf nachgewiesen ist. Klar ist jetzt schon: «Eine Einzonung (…) ist mit hohen planerischen Anforderungen verbunden.» Würde die Stadterweiterung West Realität, müsste ein Teil der Rasenplätze den neuen Wohn- oder Gewerbebauten wieder weichen. Dabei ist schon ihre Realisierung teuer, denn es besteht eine leichte Hanglage. Dazu kommen weitere Risiken. Demgegenüber stehen zahlreiche, zum Teil bereits erwähnte Chancen. Im besten Fall könnte gar ein Ligabetrieb geprüft werden. 

Endstation Tram 7: 

Endstation für den Ackerbau?

Nur etwas weiter südlich herrschen ähnliche Bedingungen: Die drei Parzellen zwischen dem Winterhale-Quartier und Niederbottigen bieten Platz für fünf Hauptspielfelder sowie weitere Sport- und Freitzeitnutzungen. Auch dieser Standort ist durch die Tramendhaltestelle Bümpliz sowie die Bottigenstrasse gut erschlossen. Jedoch sind über zehn Grundeigentümerschaften betroffen, was die Sache auch hier komplexer macht. Dasselbe mit der notwendigen Einzonung von Fruchtfolgeflächen und der möglichen Stadterweiterung West sowie weiteren Risiken. Dennoch gehört auch diese Fläche zu den drei Top-Möglichkeiten für neue Stadtberner Rasensportplätze. Allerdings räumen die Autorinnen und Autoren ein: «Die Standorte Bern West dürften sich erst im langfristigen Zeithorizont umsetzen lassen.»

Noch viel zu klären

Alle angefragten betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümer oder Pächter wollen sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht öffentlich zu den Plänen der Stadt äus-sern, sondern zuerst vertiefte Informationen abwarten. Mindestens eine betroffene Partei müsste aber im schlimmsten Fall ihren Landwirtschaftsbetrieb aufgeben. Die Interessensabwägung Lebensmittel- und Tierfutterproduktion versus sportliche Betätigung und Freizeitvergnügen wird die Stadt, den Kanton, und erst nach dieser Hürde auch das Berner Stimmvolk beschäftigen. Bis Berns Westen zum Rasensportmekka wird – oder auch nicht – fliesst noch viel Wasser den Stadtbach hinunter.

Salome Guida

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