Rekurskommission rehabilitiert den Viertligisten

Der SV Holligen 94 wehrt sich erfolgreich

Pierre Benoit
Hat Gerechtigkeit verlangt und erhalten: der SV Holligen 94.

Foto: Foto: PB

Einfach erklärt
Einfach erklärt: Der SV Holligen 94 ist ein Fussballclub. Er spielt in der 4. Liga. Im September 2022 erhielt er Bussen und Strafen. Dagegen hat er sich gewehrt. Jetzt ist klar: Fast alle Strafen waren nicht fair. 
Treffen in der 4. Liga, der achthöchsten Spielklasse im Schweizer Fussball, zwei Teams in einem Meisterschaftsspiel aufeinander, wirft dies meist keine hohen Welten. Anders nach dem Match SV Holligen 94 – FC Schönbühl im September 2022.

Normalerweise gibt es nach Spielschluss eine Notiz auf der klubeigenen Homepage, die Resultatmeldung durch den Fussballverband und den Blick auf die Rangliste, das war’s. Doch dieser Spitzenkampf auf dem Steigerhubel gab einiges zu reden und
schreiben und beschäftigte zuerst die Disziplinarkommission des Fussballverbands Bern/Jura FVBJ und anschliessend die Rekurskommission.

Der SV Holligen 94, der Verein, der für sein Engagement um die Inte-gration der Migrationsbevölkerung von der Stadt Bern mit dem Integrationspreis ausgezeichnet wurde, hat sich zum Ziel gesetzt, in die 3. Liga aufzusteigen. Beim SV Holligen 94, wo rund um den Sportplatz Leute aus der ganzen Welt ihr Zuhause gefunden haben, ist Fussball einer der erfolgversprechendsten Wege, sich in einem fremden Land einzugliedern. Deshalb kicken im SVH Männer und Kinder aus mehr als 30 Ländern. Dass es da nicht immer nach dem bekannten Berner-Motto «lueg emau, wart emau, i chume de scho, nume nid gschprängt», zu- und hergeht, liegt auf der Hand. 

Viele Emotionen, hohe Bussen

So auch beim besagten Spiel im September 2022. Die Partie endete 3:3, der Schiedsrichter zückte acht Mal die gelbe und zwei Mal die rote Karte, die Stimmung auf und neben dem Platz war entsprechend hektisch und angespannt, namentlich in der Schlussphase. Aufgrund der vom Schiedsrichter-Coach (früher Inspizient genannt) erstellten Stellungnahme kam von der Disziplinarkommission DK des Fussballverbands Bern/Jura dicke Post auf den Heimklub zu. 

Für «grob unsportliches Verhalten des Publikums» wurde dem SVH eine Busse von 400 Franken aufgebrummt, dazu 150 Franken Verfahrenskosten – kein Pappenstiel für einen Amateurverein, der jeden Franken zweimal umdrehen muss.

Der Trainer des SV Holligen wurde «wegen zweimaligem Werfen der Linienrichterfahne in Richtung Schiedsrichter und beleidigenden Äusserungen» mit fünf Spielsperren und einer Busse von 140 Franken bestraft. 

Doch all dies liess sich der Präsident des SV Holligen 94, Roberto Campanielli, nicht gefallen. Mit anwaltlicher Unterstützung legte er bei der Rekurskommission des Fussballverbands Bern/Jura Rekurs ein.

Einsprache gutgeheissen

Anfang Dezember schliesslich erhielt Campanielli von der Rekurskommission den Bescheid, dass seine Einsprache «teilweise gutgeheissen wird». Der Verein wurde vollumfänglich freigesprochen, die Strafe des Trainers von fünf auf zwei Spielsperren und die Busse von 140 auf 80 Franken reduziert, weil er gemäss Zeugen die Fahne auf den Boden und nicht in Richtung Schiedsrichter geworfen hat. Anfang April schliesslich wurden dem SV Holligen – endlich, sieben Monate nach dem Spiel – auf insgesamt 14 Seiten die Entscheide in schriftlicher Form zugestellt. 

Unparteiisch oder nicht?

Darin liest sich Erstaunliches, namentlich über involvierte Personen, allen voran den Schiedsrichter-Coach. In dem den BümplizWochen vorliegenden Entscheid wird durch die Rekurskommission unter anderem festgehalten, «dass der Schiedsrichter-Coach M.L. (Name der Redaktion bekannt) unparteiisch zu sein hat». Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die Bemerkung deutet darauf hin, dass die RK in dieser Hinsicht Zweifel hegt, liegen doch auch zwei Zeugenaussagen von Spielbesuchern vor, deren Feststellungen denjenigen des Schiedsrichter-Coachs diametral gegenüberstehen. Die RK jedenfalls stellt die Glaubwürdigkeit der Aussagen der beiden Zeugen, die unabhängig voneinander befragt wurden «nicht in Frage». Nicht unwesentlich ist dabei der Hinweis, dass beide betonen, dass sich besagter Schiedsrichter-Coach bereits vor dem Spiel negativ über den SV Holligen 94 äusserte.

Auch wird festgehalten, dass der Schiedsrichter, der die Partie leitete und der Trainer des FC Schönbühl, der gleichzeitig Leiter des Departements Schiedsrichter im FVBJ ist, trotz mehrmaliger Aufforderung als vorgeladene Zeugen der Hauptverhandlung fernblieben. Da es sich bei beiden um Verbandsfunktionäre handelt, würdigt dies die RK «zulasten des Verbands».

Was bleibt von dieser sieben Monate dauernden Fehde um ein Fussballspiel der achthöchsten (!) Spielklasse? Ein rehabilitierter SV Holligen 94, ein in den wesentlichsten Punkten freigesprochener Trainer und ein Schiedsrichter-Coach, dessen Objektivität aufgrund von verschiedenen Zeugenaussagen und schriftlichen Eingaben in höchstem Masse in Zweifel gezogen werden muss.

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