Es soll ein Fussballfest in der Grös-senordnung und Bedeutung des WM-Finals 1954 («Wunder von Bern») und der Männer-EM 2008 (Oranje-Fans in Bern) werden. Aber nicht nur. Die UEFA Women‚s EURO 2025 wird gemäss den Verantwortlichen auch als «Booster für Mädchen und Frauen im Sport allgemein und speziell im Fussball» gesehen. Im Kanton Bern sind das nebst dem Kanton selbst insbesondere die Gastgeberstädte Bern und Thun sowie der Fussballverband Bern/Jura FVBJ. Mitte November stellten sie eine gemeinsame regionale Strategie vor. Sie tragen damit das Ziel des Schweizerischen Fussballverbands SFV mit: «Bis Ende 2027 wollen wir in der Schweiz doppelt so viele Mädchen und Frauen auf und neben dem Fussballplatz im Einsatz sehen und doppelt so viele Menschen vor den Bildschirmen haben, die den Frauenfussball verfolgen.»
Gemeinsam für ein Ziel
«Die Menschen im Kanton Bern sollen die Euro in guter Erinnerung behalten. Es soll eine neue und stärkere Generation an Fussballerinnen heranwachsen», sagte Regierungsrat Philippe Müller. Noch-Gemeinderat Reto Nause schlug in dieselbe Kerbe: «Wir erwarten das 3. Wunder von Bern.» Um wenig später sogar zum Superlativ zu greifen: «Es soll der beste Frauenfussballanlass aller Zeiten werden.» Seine Euphorie begündet er auch in der engen Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure: «Im Kanton Bern sind wir rekordmässig schnell und vernetzt unterwegs, die Euro 25 ist geprägt von Teamwork und wir haben gemeinsam eine regionale Strategie entwickelt.»
Kurse für Trainerinnen, Frauenweg für «Schiris»
Zu wenig Rasensportplätze und Garderoben, fehlende Trainer und Schiedsrichterinnen: Die Herausforderungen sind schon seit Jahren gross. Wie soll – insbesondere im Breitenfussball – das bereits stark gestiegene und noch weiter steigende Interesse speziell im Juniorinnenbereich bewältigt werden? Der FVBJ hat bereits reagiert und unter anderem Netzwerkanlässe für Frauen im Fussball, Trainerinnen- und Schiedsrichterinnenkurse oder einen frauenspezifischen Lehrgang «Club Management» lanciert. Mit Erfolg: Besuchten in den vergangen Jahren durchschnittlich eine bis zwei Frauen pro Jahr einen Trainerkurs – zusammen mit jeweils rund 40 Männern – so war der C-Basic-Kurs im Juli rein für Frauen mit 36 Teilnehmerinnen ein starkes Zeichen dafür, dass gezielte Angebote die Hemmschwelle senken können. Auch bei den Unparteiischen geht der Verband neue Wege: Mussten sich bisher Frauen wie Männer ihre Sporen in den höheren Juniorenligen abverdienen – sprich hauptsächlich unter jungen Männern – so können angehende und neu lizenzierte Schiedsrichterinnen nun den «Frauenweg» wählen. Sie pfeifen dann ausschliesslich Juniorinnen- oder Frauenspiele. Und bei der Mangelware Rasenplatz? Mobile Kunstrasenfelder und zwei neue Trainingsfelder auf der Allmend versprechen Abhilfe, die neue Rasensportstrategie der Stadt sieht ebenfalls wirksame Hebeleffekte vor.
Mehr Sport für alle – besonders niederschwellig für Mädchen
Es bewegt sich also schon einiges, noch mehr ist geplant. Die Verantwortlichen aus der Politik, der Verwaltung und den Verbänden glauben an das nachhaltige Potenzial des Grossanlasses. So sagt etwa Marion Daube, Direktorin Frauenfussball beim SFV: «Das Turnier kann diese Sportart bis zu zehn Jahre vorauskatapultieren. Wir wollen einen Boost auslösen.» Die dafür beschlossenen «Legacy-Massnahmen» dürfen 1,17 Mio. Franken kosten. Sie umfassen nicht nur die erwähnten Kurse, sondern auch allgemeine Sport- und Bewegungsförderung für Mädchen und Frauen. So werden zehn Ausleihstationen mit Sportmaterial in Schliessfächern beschafft, die ab Frühjahr 2025 an Gemeinden abgegeben werden. Die Bevölkerung soll sich kostenlos via App bedienen und damit auf öffentlichen Plätzen besser Sport treiben können. Beim freiwilligen Schulsport sollen 15 zusätzliche Kurse ausschliesslich für Mädchen zustandekommen. Die Zielerreichung sei dabei abhängig vom Engagement der Gemeinden und Schulen, hiess es an der Präsentation.
Am 2. Juli hören die Fans in Thun um 18 Uhr den Anpfiff des ersten EM-Spiels. Die bisher in den Verkauf gelangten Ticket-Kontingente für sämtliche Schweiz-Spiele und den Final waren in kurzer Zeit ausverkauft. Am 16. Dezember bestimmt die Auslosung, welche Nationalteams wo spielen werden, und es kommen nochmals Tickets auf den Markt. In Bern finden vier Spiele statt, davon sicher eines mit der Schweizer Nati. Ausserhalb des Wankdorfs wird es ein umfassendes Rahmenprogramm geben. Und wenn der oder die Offizielle am 27. Juli in Basel nach 90 Minuten den Final abpfeift? Das Berner Ballzauber-Team geht davon aus, dass mit dem EM-Abschluss der Ball erst richtig ins Rollen kommen wird.