70 Jahre ist es her, als die Fussball-WM – der Männer; damals schien für Frauen eine Karriere im Profifussball noch undenkbar – in der Schweiz ausgetragen wurde. Knapp 900’000 Zuschauende sahen sich die Spiele in den Stadien an, in die Geschichtsbücher ging «Das Wunder von Bern» ein, der Finalsieg Deutschlands gegen Ungarn im alten Wankdorfstadion. Abgesehen von der Männer-EM 2008, welche die Schweiz jedoch gemeinsam mit Österreich austrug, holt die Schweiz nun erstmals wieder einen Sport-Grossanlass in die hiesigen Stadien.
Ausverkauftes Wankdorf, viele Familien, keine Hooligans
Bern wird als eine der acht Austragungsstätten drei Gruppen- sowie ein Viertelfinalspiel im Wankdorf beherbergen. «Es ist eine riesen Chance für die Schweiz und für Bern», sagt Hannah Sutter. Sie ist Co-Gesamtprojektleiterin der «Host City» Bern für die UEFA Women’s Euro 2025 und in dieser Funktion seit vergangenem Dezember hochtourig am Vorbereiten. Nur anderthalb Jahre stehen ihr und ihrem Team zur Verfügung, um alles zu organisieren, was ausserhalb des Stadions stattfinden wird. Von der Anfahrt der Fans übers Organisieren von Trainingsplätzen bis zum Rahmenprogramm läuft alles über das vierköpfige Team um Hannah Sutter und Marc Heeb. 720’000 Fans in den Stadien und eine halbe Milliarde TV-Zuschauende erwarten die Schweizer Verantwortlichen. Und das Wankdorfstadion mit einer Kapazität von 32’000 Plätzen? Je nach Land, das hier spielen wird, könnte es sogar ein «Ausverkauft» geben. Ein Höhepunkt wird sicher das Spiel vom 6. Juli, wenn die Schweizerinnen um Wälti, Lehmann, Vallotto und Co. antreten werden. «Am 16. Dezember erfahren wir, welche Teams wir in Bern haben werden», weiss Sutter. Klar ist schon jetzt: Erwartet werden weder grosse Massen an angetrunkenen (männlichen) Fans noch Hooligans mit Gewaltpotenzial. «Wir rechnen mit vielen jungen Frauen und Familien. Darunter viele, die normalerweise aus Bedenken wegen möglicher Gewalt keine Spiele besuchen.» Im Gegensatz zu den meisten Männerspielen verzichtet die UEFA bei der Frauen-EM darauf, die Anhängerinnen und Anhänger der jeweiligen Nationalmannschaften im Stadion durch Sektoren voneinander zu trennen. Bei der letzten Austragung der Europameisterschaft in England habe es sogar gemeinsame Fan-Märsche gegeben, so die Berner Verantwortliche.
Sommerferien mit Fussballfest
«Wir möchten die ganze Stadt und Region miteinbeziehen», betont sie. Treffpunkte mit Live-Übertragung der Spiele könnten die verschiedenen Begegnungszonen in den Stadtteilen werden – auch in Bümpliz – denn das Fussballfieber soll nicht nur die Innenstadt erfassen. Vom 2. bis am 27. Juli werden die besten Fussballerinnen Europas ihr Können unter Beweis stellen – bis auf die erste Woche liegen sämtliche Spiele in der Sommerferienzeit. «Wir wünschen uns, dass viele Bernerinnen und Berner die Euro zum Anlass nehmen, die Sommerferien hier zu verbringen.» Einen Sportanlass zum Begegnungsfest machen: Daran arbeiten Sutter und die anderen Verantwortlichen in den «Host Cities». «Es ist eine Chance, den Fussball von seiner schönsten Seite zu zeigen.»
Nachhaltiges Vermächtnis
Dazu kommt der «Legacy»-Gedanke: Nach der letzten Frauen-EM in England erlebte das Land eine riesige Nachfrage im Mädchen- und Frauenfussball. Dies erwartet Hannah Sutter auch in Bern: «Wir wollen den Anlass nutzen, um den Mädchen und Frauen im Fussball, aber auch ganz allgemein einen Schub zu verleihen.» Bereits jetzt stossen viele Vereine und Rasensportfelder an ihre Grenzen, wenn es um die Bereitstellung von noch mehr Trainern, Garderoben oder Trainingszeiten geht. Ein Teil der EURO-Fördergelder von Bund, Kanton und Stadt fliesst deshalb in die Sportförderung.
Anwältin mit Leidenschaft für den Fussball
Bereits gab es erste Kontakte zwischen dem Projektteam, den Fussballverbänden und lokalen Vereinen wie auch dem FC Bethlehem. Die Faszination Fussball soll sich durch die Europameisterschaft positiv auf den Breitensport auswirken. So schliesst sich auch der Kreis bei Hannah Sutter. Die Bernerin war schon als Kind fussballbegeistert und zählt seit den Neufeldzeiten zu YBs treuesten Fans. Die Rechtsanwältin mit viel Führungserfahrung – sie arbeitete zuletzt im Stab des CEO bei der Schweizerischen Post – ist in Bern gut vernetzt. Nach einer Auszeit mit der Familie wollte die 45-Jährige «etwas ganz anderes» machen. Die Stelle als Co-Gesamtprojektleitung kam wie gerufen. Nun kann sie ihre Erfahrung dem Sport zurückgeben. Ihr Jus-Hintergrund bleibt nicht ungenutzt: «Er hilft mir bei den zahlreichen Verträgen, etwa mit der UEFA», sagt sie mit einem Augenzwinkern.