«Hart aber Fair» – der KMU Bern lädt BKW-CEO Robert Itschner ein

«Wir Politiker haben nicht aufgepasst»

Sacha Jacqueroud
Von Sacha Jacqueroud - Chefredaktor
Moderatorin Nina Zosso, Nationalrat Jürg Grossen (GLP), Grossrätin Andrea Gschwend (SVP) und BKW-CEO Robert Itschner.

Foto: Foto: zvg/Marbot

Einfach erklärt
Ehemals staatliche Betriebe wie die BKW, die Swisscom oder die Post sind heute halbprivatisiert. Sie haben aber immer noch viele Vorteile und das ist ein Nachteil für die KMUs, sagt der Verband KMU Bern.
Ehemalige Staatsbetriebe wie die Post, Swisscom oder eben die BKW konkurrenzieren immer mehr die Privaten. Der Berner KMU-Verband zeigt sich besorgt und hat den obersten BKW-Chef zu einer Diskussion eingeladen. Robert Itschner stellt sich den Fragen.

Und das ist kein leichtes Unterfangen, denn sowohl Nationalrat Lars Guggisberg (SVP) als KMU-Präsident sowie die Diskussionsgäste Grossrätin Andrea Gschwend (SVP) und Nationalrat Jürg Grossen (GLP) hatten einiges an Klärungsbedarf. «Wir sehen uns als Teil der Lösung für die Herausforderungen der Zukunft. Wir leisten einen relevanten Beitrag an die Energieversorgung der Schweiz.» Itschner zeigt erst, wohin die BKW steuert. Das tut er offensichtlich gut, dem pflichten die Politiker unisono bei. Der Ärger steckt aber in wenig transparenten Bereichen. Die BKW besitzt mehrere Firmen, kauft auf, vergibt Aufträge – ist das abgekartet? «Die BKW hat wohl nicht mehr viele Geheimnisse», schmunzelt der CEO und verweist auf die Transparenz, die heute schon gegeben sei. Dass der gros-se Energielieferant noch grösser wird, hänge damit zusammen, «dass wir uns mittelfristig gegen internationale Grossunternehmen behaupten müssen», fügt er an.  Hier beginnen die Probleme aus Sicht des KMU. Grosse Firmen, die kleine schlucken und sich zusehends einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, sind das eine. Wenn es aber zudem noch halbstaatliche sind, welche die Versorgungssicherheit der Schweiz sicherzustellen haben, dann kann das zu Wettbewerbsverzerrungen führen, fürchtet der KMU. «Staatsbetriebe konkurrenzieren Private mit ungleich langen Spiessen», argumentiert Guggisberg. Deshalb hat Grossrätin Gschwend eine Motion eingereicht, bei der die staatsnahen Betriebe Transparenz bei Tochterfirmen ausweisen müssen, eine Beschwerdestelle eingerichtet und der Grundauftrag solcher Firmen klar herausgestrichen werden soll (und damit weniger, was sie sonst noch alles betreiben). Der Regierungsrat zeigt sich über diesen Vorstoss wenig erfreut. Kein Wunder, denn der Kanton Bern ist mit 52,5 % Mehrheitsbesitzer und verdient an den Erfolgen der BKW fleissig mit. Seit 2014 hat der Stromkonzern über Steuern, Wasserzinsen und Dividenden insgesamt über 1 Mrd. Franken an den Kanton ausbezahlt.

Doch auf der anderen Seite sind KMUs, die gegenüber den halbstaatlichen Betrieben ausgeliefert sind, sich fügen müssen oder konkurrenziert werden. «Fair ist anders» titelt deshalb der ganze KMU Schweiz. Doch Jürg Grossen sieht die Schuldfrage an dieser Situation bei der Politik: «Wir haben Monopolbereiche halbprivatisiert. Manche dieser Betriebe haben es nun sogar bis an die Börse geschafft. Wir haben nicht aufgepasst in der Politik. Wir hätten die staatsrelevanten Bereiche vom restlichen Betrieb abspalten müssen», zieht er Bilanz. Staatsbetriebe zu privatisieren sei durchaus richtig, aber man habe diesen Prozess nie ganz abgeschlossen und nun stünden diese Grossfirmen als Konkurrenten den Privaten gegenüber. Nicht nur die BKW beispielsweise als Mitbesitzerin mehrerer Elektrofirmen oder Solaranbieter, sondern auch die Post, die Konkurrenten aufkauft, um das Monopol in gewissen Bereichen nicht zu verlieren. «Wir müssen in kleinen Schritten aus den Fesseln der Situation», meint er. Itschner stört sich an den mitunter akzentuierten Äusserungen der vergangenen Monate gegenüber der BKW. «Der Ton muss sich mässigen, damit wir in Ruhe miteinander reden können», meint der CEO und erhält für diese Geste anerkennende Worte aus der Politik und vom Wirtschaftsverband. 

Das Unterfangen gleicht dennoch ein wenig einem Hinterherlaufen eines Zuges, der schon angefahren ist. Selbst wenn eine Wettbewerbskommission intervenieren kann und der juristische Weg bei Übervorteilungen jedem offen steht. «Wo es genug Markt gibt, soll dieser spielen, wo es hoheitliche Aufgaben gibt, soll es der Staat machen», skizziert Grossen den Weg und nennt diesen eine Aufräumaktion. Die nationalen Politiker machen keinen Hehl daraus, dass auch auf nationaler Ebene Motionen folgen werden. Wie Gschwend, Guggisberg und Grossen klar machen, gehe es nicht darum, die staatsnahen Betriebe klein zu kriegen, sondern für gleich lange Spiesse zu sorgen. Ein Blick ins Verteilgebiet verleiht diesem Ansatz zusätzliche Dringlichkeit: Gut funktionierende Firmen laufen permanent Gefahr, von den Grossen geschluckt zu werden, anderen wird es nahezu verunmöglicht, zu gleichen Konditionen offerieren zu können und wiederum andere sind auf die Dienstleistungen der Halbstaatlichen angewiesen und deren Preispolitik ausgeliefert. «Das Thema wird uns in den kommenden Jahren noch viele Male beschäftigen», fasst Guggisberg zusammen. Der KMU Bern lanciert einen Dialog, der passend zum Titel der Veranstaltung «hart, aber fair» sein dürfte. Hart,  weil es um das Schicksal vieler Firmen geht, fair, weil CEOs wie Robert Itschner nicht mit Abwesenheit glänzen, sondern sich dem Dialog stellen. «Wir Politiker haben nicht aufgepasst», sagt Grossen rückblickend, aber vorausschauend werden sie nun umso genauer hinsehen wollen.

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