Jugendliche durchlaufen eine physische und eine psychische Entwicklungsphase. Die physische Phase geht mit grossen hormonellen und körperlichen Veränderungen einher und ist mit circa 18 Jahren abgeschlossen. Die psychisch-emotionale kann bis Mitte Zwanzig dauern. Diese zweite Reifwerdung können wir Eltern aktiv unterstützen.
Das Gehirn – eine Baustelle
Das Gehirn des Teenagers entspricht einer Baustelle, es baut Teile davon in der Pubertät nochmals um: Nervenverbindungen werden gestärkt, andere fallengelassen. Der Frontallappen, der für die Vernunft und die Sozialkompetenz zuständig ist, befindet sich im Umbau. Das limbische System mit den Emotionen oder das Reptilienhirn übernehmen dessen Funktionen. Dies ist ein Grund, warum Teenager häufig «kopflos» wirken oder permanent am «Chillen» sind. Dazu kommen unglaublich viele Entwicklungsaufgaben, die Jugendliche zu stemmen haben: Peer Group (die Clique), Berufsfindung, körperliche Veränderungen, ein spürbarer Trieb nach Autonomie. Und als ob das nicht genug wäre, kommt noch ein Hormon-Cocktail ins Spiel, der die Gefühle auf und ab tanzen lässt.
Der Wandel in der Wahrnehmung
Die Gehirnentwicklung führt dazu, dass der Fokus in der Wahrnehmung wechselt: Ein Teenager nimmt die Welt mehr und mehr von aussen wahr und sieht sich mit dem Blick von aussen nach innen. Dadurch spürt er, dass eine Persönlichkeit entsteht, die eigene Ziele fürs Leben hat und die nicht wie die Eltern ist. So verteidigen Jugendliche kraftvoll ihr zartes Pflänzchen der entstehenden Individualität und weisen Inputs von Eltern aufgrund ihres Drangs nach Autonomie zurück, weil Eltern mit ihren klaren Meinungen ihre entstehende Persönlichkeit zu bedrohen scheinen. Denn die Jungen wollen ihre eigenen Ideale und Pläne haben.
Warum Eltern plötzlich peinlich werden
Bei diesem Perspektivenwechsel von aussen nach innen erliegen die Jugendlichen zusätzlich einem Denkfehler: Sie glauben, die ganze Welt schaue nun von aussen auf sie und ihr Familiensystem, und fühlen sich ausgestellt im Rampenlicht, 24/7. Deswegen werden wir Eltern ihnen peinlich: Jede kleinste Regung wird wahrgenommen und mit dem Blick von aussen abgeglichen. Deswegen wird der kleine Pickel im Gesicht zum grössten Feind und der noch nicht gewaschene Pullover zum Drama.
Tipps und Tricks im Umgang mit Jugendlichen
Schön, wenn es Eltern und Bezugspersonen in dieser Phase gelingt, mit dem eigenen Willen etwas zurückzuhalten und nicht in Machtkämpfe einzusteigen. Der Verein ElternLehre rät, in Beziehung zum Kind zu bleiben und eine klare Orientierung zu geben, denn diese Phase des Jugendalters ist mit viel Unsicherheit, Verletzlichkeit und Stimmungsschwankungen verbunden. «Seien Sie gelassen: Die Werte und Regeln Ihrer Familie mögen zwar aktuell für Ihr Kind im Stand-by-Modus sein. Definieren und pflegen Sie weiterhin Ihre Regeln und Werte und leben Sie diese vor. Denn Sie sind der sichere Hafen, in den die Teenager von den stürmischen Meeren der Adoleszenz einfahren können und wissen: Hier ist alles gut. Schaffen Sie Raum für Entwicklungsaufgaben für Ihren Teenager, denn diese fördern die Entwicklung des sich ausbildenden Frontallappens im Gehirn. Das heisst: Verantwortung übergeben, Aufgaben übertragen, Vertrauen schenken beim Delegieren von To-dos.»
Am Montag, 8. Mai, führt der Verein ElternLehre die kostenlose Veranstaltung «Von der Sorge in die Zuversicht» im Feusi Bildungszentrum in Bern durch. Es geht darum, wie die Knacknüsse in der Adoleszenz gemeistert werden können.