Zufällig getroffen

«Leere Worthülsen noch und noch»

Martin Jost
Margrit Maiolo freut sich auf Familien-Nachwuchs.

Foto: Foto: BO

Einfach erklärt
Diesmal geht es im «Zufällig getroffen» um Margrit Maiolo aus Bümpliz. Sie wohnt seit über 50 Jahren hier, ist gelernte Tapezierdekorateurin und interessiert am politischen Geschehen.
«Ich weiss, wir kennen uns nicht, dennoch möchte ich ein Interview mit Ihnen für die BümplizWochen führen. Sind Sie dabei?» Zum zehnten Mal – kleines Jubiläum – bekommt diesen Satz jemand aus dem Lesegebiet zu hören. Und willigt ein, mit grosser Freude. Es ist Margrit Maiolo, die seit über 50 Jahren an der Normannenstrasse in Bümpliz wohnt. Wir haben sie im Migros-Restaurant Westside getroffen.

Margrit Maiolo, wo sind Sie aufgewachsen?

In der Berner Länggasse, wo ich dann auch im Neufeld-Schulhaus meine Kindheit abgesessen habe. Wir haben auch im Quartier gewohnt, an der Fabrikstrasse, in der hinteren Länggasse, noch heute mit dem besonderen Charme der vielen Einfamilienhäuser, wo viele Fabrikarbeiter – Chocolat Tobler, von Roll – wohnten.

Welche Ausbildung haben Sie nach der Schulzeit absolviert?

3,5 Jahre im Berner Kirchenfeldquartier als Tapezierdekorateurin. Diesen Beruf gibt es aber längst nicht mehr, er ist zweigeteilt. Dekorateur oder Tapeziererin. Ich habe beides in einem gemacht (lacht).

Was müssen wir uns unter einer Tapezierdekorateurin vorstellen?

Zum Schluss meiner Ausbildung konnte ich beispielsweise eine Matratze von Grund auf fertigen, einen Fauteuil rund um ein Gestell herstellen, Teppiche verlegen, Vorhänge nähen. Etwas später habe ich in einem Spezialbetrieb in Zollikofen Leder nähen gelernt. 1971 sind mein Mann und ich an die Normannenstrasse gezügelt, zusammen mit zwei Buben. 

Ist es bei der beruflichen Handfertigkeit geblieben?

Nein, während 20 Jahren war ich als Telefonistin bei Nova-Taxi beschäftigt, anfänglich in Teil-, später in Vollzeit.

Sie haben zwei Buben erwähnt. Sind sie auch in der Gegend wohnhaft?

(Schmunzelt) Buben? Das sind sie längst nicht mehr, Stefano ist der Ältere und inzwischen auch ein Ü50. Er und Sandro, der Jüngere, sind beide Informatiker. Stefano arbeitet im Bundesamt für Verkehr, ist dort Sektionschef Informatik und in der Geschäftsverwaltung. Sandro ist bei Swissguide angestellt. Aber wie die Berufsbezeichnung für Sandro lautet, das weiss ich wirklich nicht. Warten Sie… (Margrit Maiolo sucht in ihrer Handtasche nach der Visitenkarte ihres Sohnes). Also, es heisst hier, dass er Head of Equipment Support ist. Können Sie sich darunter etwas vorstellen?

Wir sitzen im Westside, das es zu Beginn der 70-er-Jahre im Westen von Bern noch nicht gab. Als Sie erstmals vom Projekt Westside hörten: dafür oder dagegen?

(Spontan) Eindeutig dafür! Ich habe mich darauf gefreut, bin auch jede Woche hier, kaufe bei der Migros ein, aber auch bei anderen Anbietern.

Wenn wir von früher reden. Was hat sich im Westen von Bern verändert?

(Überlegt lange) Wie soll ich es formulieren? Am besten so: Ein halbes Jahrhundert verändert vieles. Schauen wir uns doch nur unser Wohnhaus an. Seinerzeit waren wir die jungen Eltern, heute sind wir Grosseltern, sind zusammen alt geworden. Bei uns wohnen Leute aus verschiedenen Nationen unter einem Dach, wir verstehen und respektieren uns. Darauf kommt es schliesslich an, auf Anstand und Freundlichkeit. Und stellen Sie sich vor: Demnächst gibt es bei uns Nachwuchs, da kommt bestimmt Leben in die Bude, wie man so schön sagt.

Demnächst gibt es hierzulande auch Wahlen. Interessiert Sie Politik?

Oh ja, und ob. Ich verfolge sehr genau, was die Politikerinnen und Politiker, die vom Volk als ihre Vertreterinnen und Vertreter gewählt wurden, auch tatsächlich «Im Namen des Volkes» umsetzen. Und da gibt es doch erhebliche Unterschiede.

Inwiefern?

Ich finde, dass zu viel versprochen wird. Dinge, von denen man zum vornherein weiss, dass sie nicht zu realisieren sind.  Da sind mir Leute wie Tamara Funiciello oder Christoph Blocher – obwohl ich beide nicht wählen würde – sympathischer, weil sie ihren Finger in offene Wunden legen, die Dinge auch beim Namen nennen und Diskussionen anstossen. Matthias Aebischer finde ich übrigens als Bundesrat wählbar, obwohl die NZZ ihn kürzlich wenig vorteilhaft portraitiert hat. Aber wie war das seinerzeit bei Adolf Ogi? Nicht viel anders – und danach ist er zu einem der beliebtesten Bunderäte geworden.

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