Nein. Noemi Schiesser ist nicht der vorgefasste Inbegriff ihrer Zunft. Sehr rasch nach unserem Zusammentreffen lerne ich eine Meisterin ihres Fachs kennen. Wir begeben uns in einen Wohnblock, wo es eine Ölheizung zu überprüfen gilt. Die Bernerin, bei Kaminfegermeister Bernhard Walther am Wohlensee angestellt, weiss genau, wo sie den Schlüssel für Haus- und Kellertüre zu holen hat. Keine Minute später und wir sind im Raum mit der Ölheizung.
«Lassen Sie sich bei der Arbeit nicht stören, ich schaue Ihnen einfach zu, was Sie gerade machen, erzählen Sie nur…», bekommt sie zu hören. Und sie beweist umgehend, dass sie mehr als nur eine Sache gleichzeitig aufs Mal machen kann: Sie prüft die Geräte, erklärt mir das Weshalb und das Warum ihrer Arbeit.
Chemifäge 2023? Nüt meh vo Chemi, nüt meh vo Ruesse? Sie lacht: «Bei Ölfeuerungen haben wir eine technische Kontrollfunktion, messen die Abgase, haben deshalb auch einiges an administrativem Aufwand zu erledigen. Wir benötigen in diesem Fall durchaus auch Staubsauger und Wassersauger, weil die Anlagen noch chemisch gewaschen werden.» Die Staubsauger seien natürlich auch bei Holzheizungen angesagt, wie man sie vielerorts noch auf dem Land benutze, entsprechend seien sie bei ihr im Kastenwagen zu finden, meint sie. «In jenen Bauernhäusern geht man zur Sache, das kann je nach Kamin bis zu drei Stunden dauern und deshalb körperlich eine Herausforderung darstellen. Und da empfiehlt es sich, keine hellen Kleider zu tragen…», sagt sie mit Schalk in den Augen. Geprüft werden diese Kamine in den meisten Fällen zweimal im Jahr: Einmal innerhalb, einmal ausserhalb der Heizungsperiode. Wie aber steht es mit Cheminées in den Wohnzimmern, müssen diese auch gerusst werden? «Das kommt auf die Häufigkeit an, wie oft man sie benutzt. Je weniger man feuert, desto weniger sind Arbeiten angesagt.» Und was, wenn man bei Ölheizungen Mängel feststellt, wenn der Wert an Stickoxyd zu hoch ist? «Da müssen die Spezialisten ran. Entweder kann man das wieder in Ordnung bringen oder, schlimmstenfalls, muss die Heizanlage saniert werden, keine billige Ange-
legenheit.»
Was fasziniert Noemi Schiesser an ihrem Beruf, ist es die Technik? «Ja, und auch, wie sich diese weiterentwickelt. Dafür werden wir geschult, damit wir immer auf der Höhe unserer Aufgabe sind, wenn neue Geräte auf den Markt kommen. Eine spannende Sache.» Ebenso spannend werde zu beobachten sein, wie sich der Berufsstand der Kaminfegerin verändern und an die neuen Techniken anpassen werde. Allerdings: So lange, noch mit Holz oder mit Öl geheizt werde, müsse man sich über die ursprüngliche Arbeit eines Kaminfegers keine Sorgen machen, eine Arbeit übrigens, die bei Noemi Schiesser um 7 Uhr beginnt. Es gilt: Ihren vorübergehenden Arbeitsplatz verlässt sie aufgeräumt und sauber, schliesslich sei das eine Visitenkarte für das Unternehmen.
Man sieht es ihr an: Der Job macht Noemi Schiesser Freude. Nicht zuletzt deshalb, weil sie den Kontakt in zweierlei Hinsicht geniesst: Zum einen ist da das ganze Team: «Wir sind fast alle gleich alt, reden über die gleichen Themen, helfen uns auch unaufgefordert gegenseitig, wenn der eine oder die andere am späteren Nachmittag noch nicht ganz mit der Arbeit fertig ist. Und das in familiärer Umgebung. Das Geschäft von Bernhard Walther befindet sich in dessen Wohnhaus. Wir gehen da also täglich bei Liselotte und Bernhard ein und aus, als gehörten wir zur Familie.» Zum anderen erwähnt die 27-Jährige den Kontakt mit den Kundinnen und Kunden, «vor allem auf dem Land, das ist grossartig.»