Als es die Freiheit über den Wolken noch gab

«Eine offizielle Schlägerei im Dienst der Swissair»

Thomas Bornhauser
Mit der Concorde durch die Schallmauer.

Foto: Foto: BO

Einfach erklärt
Einfach erklärt: Autor Thomas Bornhauser hat während sieben Jahre bei Reiseveranstaltern gearbeitet. Er erinnert sich an drei besondere Ereignisse, unter anderem an Bord der… Concorde.
Kürzlich geschah Sonderbares. Zusammen mit zwei Kollegen sprach ich über eine längst vergessen geglaubte Zeit, nämlich als Reisen weltweit noch ohne Flugscham möglich waren. Weil mein Langzeitgedächtnis noch tipptopp funktioniert (die Version Kurzzeit kann da nicht mithalten), habe ich mich an verschiedene Episödli erinnert, schon damals aussergewöhnlich. Meine Kollegen meinten, ich solle einige in einer Kurzgeschichte zusammenfassen.

Ich hatte – wie immer im Leben –  das Glück, in den 70ern für zwei Reiseveranstalter zu arbeiten, für Tour Operators, und war deshalb regelmässig beruflich unterwegs. Da wir Travel Agents grossartige Ermässigungen auf den Ticketpreisen hatten, flogen meine Kollegen und ich meistens First, Erste Klasse. Das war damals einfach so, mir geht es nicht darum, hier zu plöffen. 

Mit der Concorde nach Paris

Die unbestrittene Kirsche auf der Torte: Für gerademal 220 Franken (!) können Kollegen und ich zum Beispiel am 31. August 1976 Erste Klasse von Zürich aus nach Genf fliegen, um dort die Maschine zu wechseln, nach Casablanca, in eine… Concorde der Air France, über dem Mittelmeer mit Mach 2,2 unterwegs. An Bord wird unter anderem Beluga-Kaviar, Fois gras und Champagner von Dom Pérignon serviert. Noblesse oblige. Von Marokko aus geht es nach einer Stunde mit dem Überschallflugzeug weiter in die französische Hauptstadt. Ab Paris wieder First Class nach Zürich. Ich fotografiere wie wild. Gegen Schluss dieses Ausflugs zeigt mein Föteler Aufnahme 36 an, 37, 38, 39, 40… Heisst: Es hat den 36er-Ilford-Film nicht eingezogen (weil damals noch keine digitalen Kameras erhältlich waren). Verdammi! Vom Erlebnis gibt es deshalb bloss ein Zertifikat, kein Foto. 

«Chömet cho hälfe»

Cousin Urs und ich auf einem Swissair-Flug von München nach Zürich. Wir sitzen im hinteren Drittel des Flugzeugs. Plötzlich ein Riesengeschrei in der letzten Reihe. Zwei Herren prügeln sich. Und zwar zünftig. Cousin Urs und ich drehen uns interessiert um. Eine Hostess speedet an uns vorbei, «Lueget nid nume, chömmet mir cho hälfe!», tönt es Bärndütsch. Wir beide nach hinten. Es handelt sich um einen eher kleingewachsenen Zürcher Kantonspolizisten, der einen per Haftbefehl gesuchten Delinquenten nach Zürich überstellen soll. Überstellt hat es vor allem ihn. Ich stelle mich hinter den Gesuchten und nehme ihn künftig in den Schwitzkasten. 

Blut und Tinte

Als sich die Situation einigermassen beruhigt hat, will der Chilene auf die Toilette. «Ist er sauber?», frage ich den Polizisten. Scheint so. Bevor jemand den Fuss zwischen Türe und Rahmen stellen kann, ist der Mann drin, schliesst sich ein und beginnt sofort damit, das WC zu demolieren. E Huerekrach. Mit einem Vierkantschlüssel öffnet die Bernerin die Türe, Cousin Urs und ich zerren den Wahnsinnigen heraus, werfen ihn zu Boden, eher besorgt und mit Unverständnis von den übrigen Leuten beachtet, die alle in die vorderen Reihen befohlen wurden. Nach drei Minuten sitzen ein völlig überforderter Polizist und sein Begleiter wieder auf ihren Sitzen, sogar in der dafür vorgesehenen Haltung. Plötzlich nimmt der Kriminelle einen Füllfederhalter (!) aus seinem Veston und beginnt, sich damit in die Nase zu stechen. Cousin Urs reisst ihm das Ding aus der Hand, der Fülli geht kaputt. Blut hier, Tinte dort. Ich ziehe den Schwitzkasten enger, darf zur Landung sogar stehen. In Kloten kommen Polizisten an Bord, begleiten die beiden Typen hinaus, man notiert unsere Namen. Die Hostess meldet sich am nächsten Tag telefonisch bei mir, die Swissair nach vier Wochen mit einem Kugelschreiber als Dank, die Kantonspolizei Zürich überhaupt nicht. 

Fliegen für die ganze Familie

Und zum Schluss etwas, das heute schlicht undenkbar ist: 1978 bietet Hotelplan in Zusammenarbeit mit Balair und einer Gratiszeitung eine Lufttaufe für Kinder an, zu einem sensationell günstigen Preis. Heisst: An einem Mittwochnachmittag startet in Kloten zu jeder vollen Stunde eine DC-9 mit einer erwartungsvollen Rasselbande an Bord, mit Kiddies ab 6 Jahren, die noch nie geflogen sind, einige in Begleitung von Mami oder Papi (die vielleicht auch noch nie in der Luft waren). Nach 30 Minuten Airborne landet die Maschine wieder und hält direkt vor einem Gate von Terminal A, weil es B und C und D und E damals gar noch nicht gab. Über 100 lachende Kinder rennen die Treppe runter, andere wiederum stürmen erartungsfrohw hinauf. Party total! Insgesamt 5 Flüge gab es, diese Kinderaugen hätten Sie sehen sollen! Erst recht, als sie zum  Schluss ihr Flugzertifikat überreicht erhalten (wie ich jenes der Concorde).

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