Resilienz bei kindern

Der Umgang mit Emotionen – gewusst wie

Nadine Fesseler-Besio
Ein frustriertes Kind kann lernen, innere Stärke zu entwickeln.

Foto: Foto: zvg

Einfach erklärt
Resilienz ist die innere Stärke. Damit kann man sich nach schwierigen Situationen gut wieder erholen. Kinder lernen das besser, wenn sie auch Frustration und Grenzen erleben. Und selber Lösungen finden. 
Innere Stärke zu entwickeln, ist wichtig, um im Leben klarzukommen. Wie kann ich diese Widerstandsfähigkeit beim Kind fördern?

Wir alle wünschen uns Kinder, die mit schwierigen Situationen umgehen können und nicht daran zerbrechen. Doch wie gelingt die Entwicklung dieser Kraft bei unseren Kindern? Was können Eltern dafür tun – oder lassen?

Herausforderungen wollen gelernt sein

Das Bundesamt für Statistik vermeldete Ende 2022, dass psychische Störungen der häufigste Grund für stationäre Spitalaufenthalte bei den 10- bid 24-Jährigen sind. Die Spurensuche führt zu verschiedenen Ursachen für die Belastung von Jugendlichen: die Weltlage mit Corona, die Klimakrise und Kriege. Auch unser Bildungsystem, welches zwar durchlässig ist, generiert Druck, weil es immer weitere Stufen gibt, um sich noch besser zu qualifizieren. Auch die vielen virtuellen Kanäle, die es zu bespielen gilt und die ohne Unterlass auf die Jungen einprasseln, sind Herausforderungen der heutigen Gesellschaft. 

Ein weiterer spannender Grund: die fehlende Alltagsresilienz der Kinder. Resilienz ist vereinfacht gesagt die Fähigkeit, mit schwierigen Situationen umgehen zu können. Wie Eliane Perret, Psychologin, im ElternMagazin Fritz + Fränzi vom Mai 23 ausführt, fehlt es Kindern heute an Übungsfeldern, um die Widerstandskraft zu stärken. Kinder würden zu selten die Erfahrung machen, Herausforderungen bewältigen zu können. Vielmehr würden engagierte Eltern ihre Erziehung mit Idealen überfrachten und sich zu stark auf das Kind ausrichten und dieses auf eine Welt voller Gleichheit und Gerechtigkeit ausrichten. Zudem: «Bindungstheorie bedeutet nicht, dass Eltern die Bedürfnisse des Kindes stets erfüllen», so Perret. Oft trauten Eltern sich nicht, ihre Kinder mit gesetzten Leitplanken zu frustrieren, erklärt Perret. So kann sich eine wichtige Eigenschaft, die «Affekttoleranz», nicht entwickeln. Dies ist die Eigenschaft, plötzlich auftretende intensive oder negative Gefühle auszuhalten.

«Hilft Lob?»

Anspruchsvolle Gefühle und Situationen aushalten: Lässt sich das wirklich trainieren? Ja – sagt die Wissenschaft. Sie geht heute davon aus, dass nur ein kleiner Teil der Resilienz angeboren ist. Den Rest der Widerstandsfähigkeit können wir lebenslang trainieren und entwickeln. Eine Mutter fragte mich letzthin in einem Coaching hoffnungsfroh: «Kann ich mein Kind resilienter machen, wenn ich es oft lobe?» Ein Lob kann tatsächlich erfreuen, motivieren und stärken. Doch für die Entwicklung von Resilienz reicht es nicht. Denn diese ist ein Prozess, bei dem Umwelt und Individuum interagieren müssen. Damit dies geschehen kann, braucht es einen Stressor. Wird dieser Stressor – ein Streit mit einem Freund, eine Uneinigkeit mit der Lehrperson – immer von Eltern und anderen Bezugspersonen gelöst, hat das Kind keine Möglichkeit, den Resilienz-Prozess zu aktivieren. Es gilt also, dem Kind für sein Alter angemessene Herausforderungen zuzumuten.

Resilienztrainings im Alltag

Kinder und Jugendliche entwickeln Widerstandsfähigkeit, wenn sie im Kindergarten und in der Schule Konflikte und anspruchsvolle Situationen mit anderen Kindern selbst austragen können. Wenn Eltern Unstimmigkeiten mit Lehrpersonen nicht für die Kinder austragen, sondern sie dabei unterstützen, es selbst zu tun. Auch zuhause kann man diese Situationen schaffen: Kinder bei unangenehmen Haushaltsarbeiten Verantwortung übergeben, ihre Bedürfnisse nicht sofort erfüllen, sodass sie lernen können, Frust und Ungeduld auszuhalten. Natürlich gilt dabei, als Eltern abzuwägen, was das Kind überfordert und was eine gute Erziehung hin zu Selbstverantwortung ist. Wichtig ist auch unsere Resilienz-Vorbildrolle: Finden wir konstruktive Wege in Konflikten? Wie holen wir uns Unterstützung? Signalisieren wir Überforderung und markieren Grenzen? 

Schutzfaktoren als Ziel 

Ein Kind, das lernt, mit kleineren und grösseren Herausforderungen umzugehen, entwickelt dabei Strategien und Eigenschaften. Diese nennt die Forschung Schutzfaktoren. Als Schutzfaktoren werden Faktoren bezeichnet, welche die seelische Robustheit stärken. Sie finden sich in der Umwelt, im sozialen Umfeld oder beim Individuum selbst mit seinen körperlichen Ressourcen und kognitiven Fähigkeiten. Beispiele solcher Schutzfaktoren sind Pro-blemlösefähigkeit, Fähigkeit zur Selbstreflexion, Selbst- und Fremdwahrnehmung, soziale Kompetenz, Umgang mit Stress, und so weiter. Wenn es uns gelingt, unsere Kinder liebevoll beim Entwickeln solcher Schutzfaktoren zu unterstützen, leisten wir einen grossen Beitrag zu ihrer mentalen Gesundheit.

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