Wie junge und ältere Menschen in den verschiedenen Domicil-Standorten harmonieren

Berührungsangst? Fehlanzeige.

Sacha Jacqueroud
Von Sacha Jacqueroud - Chefredaktor
Jeny Robinson.

Foto: zvg

Einfach erklärt

Ein Besuch im Domicil Baumgarten verrät eine besondere Konstellation. Junge Menschen und ältere Bewohnende ergänzen sich von beiden Seiten. Daraus entsteht jede Menge Lebensfreude.

Lebensfreude. Ein Wort, dass wir gemeinhin mit jungen Menschen, Kindern und ausgelassenen Momenten verbinden. Selten aber mit einem Alters- und Pflegezentrum. Falsch gedacht, wenn man Jeny Robinson im Domicil Baumgarten beobachtet. Die frischausgebildete FaGe verkörpert die pure Lebensfreude. Aber nicht nur sie, wie ein Besuch offenbart.

«Ich habe ältere Menschen einfach gern, mit ihnen zu arbeiten ist etwas Wunderbares», sagt jene junge Frau, die vor wenigen Monaten in der Postfinance-Arena ihr Diplom als Pflegefachfrau Gesundheit in Empfang nehmen durfte: Jeny Robinson. Ihresgleichen ist gefragt. Viele Alters- und Pflegeheime suchen händeringend nach Verstärkung. Doch diese junge Frau hat sich entschieden: «Ich will hier im Domicil Baumgarten bleiben.»

Die Zeitschenker

Ein Gesicht strahlt bei dieser Aussage: jenes von Margrith Ischi. Sie ist die Bildungsverantwortliche im Haus. Hat Sie alles richtig gemacht, dass ihr Schützling hierbleiben will? «Wir haben ein tolles Team und es ziehen alle am selben Strick. Ich selbst bin seit 28 Jahren hier. Baumgarten hat eine spezielle Aura. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass hier die Bümplizer leben. Ein spezielles Volk mit wenig Berührungsängsten», vermutet sie. «Tschou i bi de Resu und bi Pilzkontrolleur gsii», so beginnt die Kommunikation und das Eis ist gebrochen noch ehe es gefroren war. Eine Frau, die womöglich Teil der Baumgarten-Aura ist, heisst Priska Schwab. Ein Sonnenschein eines Menschen, eine Freiwillige, eine Zeitschenkerin. «Ich kann überall dort übernehmen, wo etwas zusätzliche Zeit ganz guttut. Wenn jemand ins Spital muss, dann begleite ich diesen Menschen und stehe bei, bin da und halte die Hand», sagt die mittlerweile 84-Jährige. Sie selbst ist längst im Domicil Baumgarten eingezogen und meint: «Hier ist es schön, zentral und voller toller Menschen, das ist fast ein wenig ein Paradies.»

Kraft der Generationen

Ist das Baumgarten eine Ausnahme? Die Domicil-Gruppe hat 22 Häuser und gehört zu den grössten Anbietern im Grossraum Bern. Eine, die das gut abschätzen kann ist Stefanie Fuhrer von der Kommunikation der Domicil-Gruppe: «Jedes Haus hat seine ganz eigene Art und das ist schön so. Wir müssen dafür sorgen, dass genügend junge Menschen mit guter Ausbildung die Häuser beleben. Auch wenn etwa im Baumgarten die Situation sehr gut ist, suchen wir immer Mitarbeitende und junge Menschen, die eine Ausbildung machen wollen. Je mehr Pflegende wir haben, desto mehr Zeit können wir unseren Mitmenschen schenken.» Langsam lüftet sich der Umhang des Geheimnisses: es ist der Generationenmix, der Teil der Erfolgsgeschichte ist. «Ich konnte wirklich Lernende sein, vom ersten Tag an hatte ich Kontakt mit den Bewohnenden, es war aber immer jemand da, der mir zur Seite stand. Wir arbeiten hier nach Kompetenzen, das gefällt mir besonders», bestätigt Robinson. Offenbar keine Selbstverständlichkeit, denn die Frischausgebildete erzählt aus der Schulzeit und von Kolleginnen, die weniger miteinbezogen wurden.

Mitten im Leben

Dieses Miteinbeziehen der jungen Menschen mag mit ein Grund sein, weshalb die junge Frau auch bei etwas tieferen und heikleren Punkten ruhig und gelassen antwortet: wenn es ums Sterben geht etwa. «Das habe ich schon sehr früh in meiner Ausbildung miterlebt. Schule und Team haben mich darauf vorbereitet. Wichtig ist, mit den Menschen zu reden, da zu sein, zu begleiten. Das ist sowohl sehr traurig wie auch sehr schön», überraschen die Worte von Robinson. Und mit einem Lachen ergänzt sie: «Ich habe mal in einem Familienfest mit meinem Onkel über einen solchen Moment geredet und erst gemerkt, dass dies wohl etwas speziell ist, als ich das Geischt meines Onkels sah.» Ein Alters- und Pflegeheim ist der letzte Lebenabschnitt, dennoch wird der Hinschied eines Menschen nach wie vor gesellschaftlich etwas tabuisiert. «Lernende werden immer miteinbezogen», sagt Ischi selbstverständlich. Zwanglos und unverkrampft begegnet man in diesem Haus dem traurigen Moment des Abschieds. Die Mitmenschen werden schön zurechtgemacht, selbst hierbei hat Robinson schon geholfen.

Die junge Pflegefachfrau ist gefragt und geschätzt im Haus. «Ich musste schon mal einer Bewohnerin die Apple-Watch einstellen», lacht sie zum Schluss des Gesprächs. Fuhrer spannt den Bogen zu den Leitpunkten, welche die Domicil-Gruppe vorleben möchte: Achtsamkeit, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und gewisses mit Humor nehmen, darauf komme es an. Gibt es denn überhaupt etwas, das nicht immer rund läuft im Baumgarten? Schwab überlegt kurz und meint: «Naja Menschen in meinem Alter tun sich manchmal etwas schwer mit dem Duschen gehen.» Schmunzelnd nicken die vier einander zu. Die entsprechenden Anekdoten, behält das Team aber hinter dem Duschvorhang. Junge und ältere Menschen unter einem Dach – das sorgt für Lebensfreude. Auch und gerade weil es im Baumgarten heisst: Berührungsängste? Fehlanzeige.

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