Ein Bümplizer und seine Pflegelinie aus Arganöl

Von einem, der auszog und in Marokko sein Glück fand

Peter Widmer
Frauen mit Argannüssen

Foto: zvg

Einfach erklärt
Einfach Erklärt – Der in Bümpliz aufgewachsene Benjamin Berger lebt seit 2014 in Agadir, Marokko. – Dort produziert er aus den Früchten des Arganbaumes das «flüssige Gold Marokkos», das Arganöl. 
2014 wurde es dem Bümplizer Benjamin Berger beruflich zu eng in der Schweiz. So wanderte er nach Marokko aus, wo er sich nun wohl fühlt und erfolgreich als Unternehmer arbeitet. Ein orientalisches Märchen?

Marokko als Auswanderungsland hat er eigentlich nie bewusst gewählt. Es sind halt  oft Zufälle, die den Lebensweg bestimmen. «Ich wusste lediglich, was ich nicht wollte: Im normalen Berufsalltag in der Routine erstarren», sagt der heute 35-jährige ehemalige kaufmännische Angestellte Benjamin Berger. Er musste an seinen Arbeitsplätzen in Bern leider erfahren, dass Eigeninitiative eines jungen «unerfahrenen» Mitarbeiters nicht gefragt war. Er fühlte  sich oft nicht ernst genommen. Da war für ihn klar: Er wollte einfach mal weg, ausbrechen, war offen für alles. Ein marokkanischer Freund bat den Auswanderungswilligen während dessen USA-Aufenthalts um Unterstützung. «So landete ich in Marokko», erzählt er. Ein Jahr lang arbeiteten die beiden zusammen. «Aber ich hatte wieder das Gefühl, einfach einen geregelten Schweizer Berufsalltag zu erleben», kam der Suchende zum Schluss. Das konnte es nicht sein, er wagte die Flucht nach vorn und machte sich selbstständig. 

Gold aus Marokko

Benjamin Berger lernte den Arganbaum kennen, aus dessen Früchten das Arganöl hergestellt wird. Das Öl wird aus den Kernen der Argannüsse gewonnen. Arganöl gilt als eines der kostbarsten Öle der Welt, das nicht nur als Delikatesse in Gourmetküchen eingesetzt wird, sondern auch zur Haut- und Haarpflege sowie zur Behandlung von Hauterkrankungen. Deshalb wird es oft als «Gold aus Marokko» bezeichnet.

Der Jungunternehmer war begeistert von der Wirkung dieser Frucht. Seiner betagten Grossmutter, die unter den Schmerzen ihrer rissigen Hände litt, brachte er an Weihnachten 2015 ein Fläschchen Arganöl mit. Die heilende Kraft brachte Linderung und gestaltete das Leben der Frau etwas angenehmer. «Das war der finale ‹Kick› für mich, mein Berufsleben dem Arganöl zu widmen», sagt Berger heute. Er musste vorerst viel recherchieren, ausloten, was überhaupt alles möglich sein könnte. «Es war eine schwierige Zeit. Fremdkapital stand aber nie zur Diskussion», blickt er zurück. Er verfügte über einen kleineren Sparbatzen aus der Schweiz. «Durch Gelegenheits-Jobs achtete ich stets darauf, dass er mindestens nicht kleiner wurde. Aber irgendeinmal hatte ich noch zwanzig Franken auf dem Tisch», schmunzelt er. Doch der Kämpfer liess sich dadurch nicht entmutigen, im Gegenteil. «Meine Familie und Freunde in der Schweiz halfen mit beim Aufbau meines Unternehmens. Vor Ort machte ich aber alles selber: das Logo, das Design der Flacons, verfasste Texte, kreierte die Website.» Berger ist überzeugt, dass ihm in der Schweiz nicht gelungen wäre, was er inzwischen in Marokko erreicht hat. «Hier hat man auch ohne finanzielles Polster einen längeren Atem», glaubt er. 

Leben ohne Luxus

Heute fühlt sich Berger in Marokko als integriert. «Aber das muss man wollen und selber dazu beitragen», sagt er dezidiert. Es habe etwa ein Jahr gedauert, bis er sich in das gesellschaftliche, kulturelle und geschäftliche Leben Marokkos habe einfügen können. Geduld, eine Prise Lockerheit, aber auch eine gewisse Vorsicht seien gute Voraussetzungen, sich zu integrieren. Sogar den marokkanischen Darija-Dialekt beherrscht er inzwischen leidlich.

Er lebt im Zentrum der Hafenstadt Agadir in einer 3,5-Zimmer-Mietwohnung in einem neueren Mehrfamilienhaus. Das sei denn auch der einzige Luxus, den er sich leiste, erzählt er. Die Wohnung ist auch sein Haupt-Arbeitsort, Auto besitzt er keines. 

Vertrieb in der Schweiz

Eine Kooperative ausserhalb Agadirs ist Bergers Lieferantin der Nusskerne, welche traditionellerweise von Berberfrauen geerntet werden. «Ich nehme ihnen die Nüsse ab, einfach soviel wie sie produzieren», erzählt er. Danach lässt er die Nüsse durch einen Produzenten maschinell zu Öl verarbeiten, welches in Bidons abgefüllt wird. «So kann ich die Prozesse beeinflussen und nachvollziehen», fügt der umsichtige Unternehmer hinzu. 

Die Bidons verschickt er nach Bern, wo er ein Lager betreibt. Alle drei bis vier Monate kommt Benjamin in die Schweiz, füllt das Öl versandbereit in Flacons ab. Seine Mutter schnürt die Pakete und verschickt sie per Post an Privatkunden und an den Detailhandel. «Meine Produkte werden inzwischen auch für Behandlungen in den Schminkbars an sieben Standorten angeboten», sagt Benjamin stolz, dass er bereits auf einen treuen Schweizer Kundenstamm zählen darf.

Ist eine Rückkehr in die Schweiz ein Thema? «Vorderhand nicht», antwortet er, ohne zu zögern. Er hat seinen Lebensmittelpunkt mit seiner marokkanischen Freundin in Marokko gefunden. «Aber sag’ niemals nie, ich lasse mich von den Möglichkeiten treiben!» Ein orientalisches Märchen…

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