Niemand möchte Mobbing erleben, weder selber am Arbeitsplatz noch bei seinem Kind. Glaubt man neuesten Studien, so sind bis zu 30 % der Kinder in Mobbing involviert. Wie gelingt es, diese zerstörerischen Kräfte gar nicht erst entstehen zu lassen? Und wenn sie doch kommen: Wie hat man eine Chance, sie wirkungsvoll zu zerstreuen?
Mobbing – was ist das eigentlich?
Bevor man über Prävention oder Intervention in einer Mobbingsituation redet, sollte man Konflikt und Mobbing unterscheiden. Ein Konflikt ist ein punktueller, eventuell wiederkehrender Streit wegen gegensätzlicher Meinungen und Zielen. Bei einem Konflikt können alle Beteiligten etwas lernen: Lösungen aushandeln, Kompromisse eingehen etc. Konflikte sind normal, ihr Umgang damit darf geübt und gelernt werden. Im Gegensatz dazu ist Mobbing eine Gewaltform, bei der niemand etwas lernt. Von Mobbing spricht man, wenn eine Person über einen längeren Zeitraum systematisch und gezielt geplagt und ausgeschlossen wird. Es ist ein negatives Handeln mit der Absicht, dem Gegenüber Schaden zuzufügen. Wichtig: Es entsteht in der Gruppe und wird von dieser genährt, nicht vom Täter, der Täterin allein!
Prävention als wichtigste Handlung gegen Mobbing
Interventionen in Mobbingfällen dauern meist lange. Der Erfolg ist dabei nicht immer garantiert, gerade wenn Mobbingstrukturen schon länger bestehen. Deswegen sollte der Fokus auf der Prävention liegen. Erste Stellschraube: das Elternhaus. Selbstvertrauen stärken und Sozialkompetenz beim Kind trainieren sind der beste Schutz vor Mobbing, und zwar für jede Rolle, die man in Systemen innehaben kann. Das heisst: Werte innerhalb der Familie diskutieren, Umgang mit Aggression ermöglichen, Handynutzung überwachen und selber Vorbild sein im fairen Umgang mit Menschen etc. Zweite Stellschraube: die Schulen. Denn Mobbing tritt am häufigsten in diesen Institutionen auf. Schulen sind verantwortlich dafür, dass jedes Kind sich sicher fühlt. Deswegen müssen Schulleitungen und Lehrpersonen ein klares Konzept und einen Handlungsleitfaden gegen Mobbing haben, Ansprechpersonen für Betroffene sein und in Klassen das ganze Jahr über die Auseinandersetzung mit sozialen Themen pflegen. Denn Mobbing ist ein Gruppenphänomen und kann nur in Anbetracht der ganzen Gruppe und deren Rollen angegangen oder aufgelöst werden.
Wenn es doch brennt: Wie können Eltern und Schulen intervenieren?
Mobbing geschieht häufig im Verborgenen. Das Opfer behält es aus Scham oder Angst für sich und will Eltern und Bezugspersonen nicht belasten. Deswegen ist wichtig, dass man bei Veränderungen des Kindes hinschaut, seine Beobachtung äussert und nicht ins Drama oder in die Wut geht, wenn das Kind bejaht, Opfer zu sein. Besser: zuhören, Fragen stellen, Handlungsmöglichkeiten aufzeigen und Unterstützung zusichern. Nur wenn auch die Schule involviert wird, hat die Mobbingsituation eine Chance auf Auflösung. Die Schule kann das System klären: Wer ist Opfer? Täter? Mitläufer? Zuschauer?
Zentrales Element: die Mitverantwortung der Zuschauenden
Häufig haben Mitläufer und Zuschauer das Gefühl, sie hätten keine Verantwortung, weil sie sich nicht aktiv wahrnehmen. Doch ihr Schweigen, Zuschauen oder Wegschauen ist für die Täterschaft ein Einverständnis für das, was sie machen. Zuschauer nähren das Wirken der Täter, weil sie das Publikum vor der Bühne sind. Erst wenn Täterinnen und Tätern dieser Nährboden ihres Wirkens genommen wird, hört für sie der Spass auf. Denn sie leben davon, ihre Opfer kleinzumachen oder auszugrenzen, da sie sich dadurch erhöhen können oder Aufmerksamkeit bekommen. Wenn die Umgebung das Interesse an diesen Machenschaften verliert oder sie gar kritisiert, verliert sich die Wirkung der Täter, die Anerkennung verpufft – und sie verlieren die Motivation. Deswegen ist ein wichtiger Schritt in der Intervention, ein Netz von Unterstützerinnen und Unterstützern zu schaffen, welche dem Opfer beistehen. Gleichzeitig ist die transparente, öffentliche Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus wichtig. Sie müssen eine gemeinsame Haltung im Kampf gegen Mobbing haben und alle dürfen sehen, dass eine Nulltoleranz gegenüber dieser Form der Gruppendynamik da ist und verschiedene Kreise, ihre Verantwortung, Dritte zu schützen, wahrnehmen. So wird es realistisch, die Welt ein klein wenig besser zu machen…