Im Erdgeschoss des Holenacker-Eingangs Nr. 11 wird jeden
Mittwoch- und Freitagnachmittag fleissig gewirkt. Kleinere und
grössere Hände schwingen Pinsel, schneiden Formen aus, kleben Muster oder zeichnen Figuren.
Private Initiative
In den bald 15 Jahren, die es den Verein Projekt Kidswest schon gibt, sind durch ihn wohl Hunderte von Kindern aus ganz Bethlehem in Kontakt mit Kunst gekommen. Gründerin ist die letztes Jahr verstorbene Künstlerin und Kunsttherapeutin Erika Schüpbach, besser bekannt als Meris. «Sie setzte sich dafür ein, dass die Kinder einen niederschwelligen Zugang zur Kunstwelt haben können», erklärt Simon Bretscher, Co-Leiter des Vereins. Zehn Jahre lang habe Schüpbach dies auf privater Ebene gestemmt. Erst seit 2018 besteht ein Leistungsvertrag mit der Stadt, sodass, ergänzt durch Spenden, nebst Raummiete und Materialkosten auch ein 70%-Pensum finanziert werden kann. Dies teilen sich Bretscher und Laura Imfeld als Co-Leitende. Unterstützung erhalten sie vom Künstler Nicolas Grand, der die offene Werkstatt am Freitagnachmittag leitet.
«Kreativität ist Problemlösen»
Bis zu 15 Kinder im Alter von 6 bis 16 Jahren haben die beiden Leitenden jeweils am Mittwoch unter ihrer Obhut. Es solle sich nicht wie eine Schullektion anfühlen, betont Bretscher. Den Druck, am Schluss etwas präsentieren zu müssen, gibt es bei ihnen darum nicht. Im Gegenteil: «Wir legen grossen Wert aufs prozessorientierte Arbeiten.» Die Kinder sollen in aller Einfachheit mit ihrer Kreaktivität in Kontakt kommen, sich in etwas vertiefen können, auch ohne zu wissen, was dabei herauskommt. «Mich interessieren ihre Ideen, ihre Neugierde», sagt Imfeld. «Kreativität bedeutet auch Pro-blemlösungskompetenz. Das ist etwas, was die Kinder ihr Leben lang brauchen werden», betont sie. «Wir können ihnen dabei unser Wissen und unsere Hände ausleihen.» Bretscher ergänzt: «Sie sollen Vertrauen in ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln.» Und dabei auch ihr Repertoire erweitern. Immer aber soll es Freude bereiten.
Präparierte Tiere zeichnen
Während der Freitag sehr offen gehalten wird, leiten die beiden mittwochs auch konkrete Projekte an, geben Inputs, laden Kunstschaffende ein. Mehrmals pro Jahr unternimmt Kidswest einen Ausflug. So kamen die jungen Teilnehmenden etwa in den Genuss eines Illustrationskurses im Naturhistorischen Museum, probierten im Rahmen eines Besuchs der nahen Hochschule der Künste Bern verschiedenste Drucktechniken aus oder liessen sich von einer Museumsvermittlerin durch eine Ausstellung im Kunstmuseum führen.
«Sie gehören dazu»
Manche ihrer Schützlinge seien noch nie in einem Museum gewesen, erzählen die Co-Leitenden. Einige Familien seien kunstinteressiert, für andere aber sei schon nur das Trambillet in die Stadt und der Eintritt eine zu hohe Hürde. Umso wichtiger ist es dem Verein, sämtliche Angebote kostenlos anzubieten. Kulturelle Teilhabe bringe nämlich auch Verständnis für die jeweilige Kultur mit. Das Projekt sei somit auch ein Beitrag an die Integration der Teilnehmenden, die meist einen kulturellen Hintergrund von ausserhalb der Schweiz haben.
Verstorbene zeichnen
Kidswest ist mehr als nur «ein bisschen zeichnen und basteln». An der jährlich stattfindenden Aktionswoche gegen Rassismus etwa nimmt die bunte Truppe immer teil. Mitte Juni machten sie auch beim Projekt «Beim Namen nennen» der Offenen Kirche Bern mit. Diese schrieb die Namen von auf der Flucht verstorbenen Menschen auf Stoffstreifen. Die Teilnehmenden von Kidswest gingen einen Schritt weiter und überlegten sich, wie die Verstorbenen wohl ausgesehen haben könnten. So entstand mit «Den Namen ein Gesicht geben» eine berührende Kunstinstallation. Kunst von Kindern aus Berns Westen, die in grenzüberschreitenden Zusammenhängen einen Unterschied macht.