Begegnung am Burggraben

Was uns ein Reiher zu sagen hat

Marc de Roche
Geduldig wartet der Reiher auf den nächsten Fisch.

Foto: MDR

Einfach erklärt

Wir haben im Schloss Bümpliz einen Reiher besucht. Wenn nicht Brutzeit ist, sind die Vögel Einzelgänger. Sie sind in der Schweiz geschützt und haben sich an die Menschen gewöhnt.

Bewegungslos steht er da im seichten Wasser des Burggrabens rund um das Alte Schloss Bümpliz und lässt sich nicht stören. «Guten Tag» erwidert er nicht. Er lauert bewegungslos darauf, unvorsichtige Beutetiere blitzschnell mit seinem scharfen Schnabel zu schnappen. Ein Gespräch mit einem Ornithologen und einem Reiher.

Zu hören ist ein kurzes Keckern. So nennen die Jäger die abgehackten Laute des grossen Vogels. «Man sollte ihn nicht mit Fischreiher ansprechen. Korrekt ist die Bezeichnung Graureiher», erklärt  der Ornithologe Res Wagner. Er kennt die Reiher, und die Reiher kennen ihn. Bis 1926 wurde der grosse Vogel hartnäckig verfolgt und wäre als Brutvogel fast aus der Schweiz verschwunden. Seitdem ist er bei uns geschützt und das Zusammenleben mit dem Mensch ist friedlicher geworden. Die meisten sind beeindruckt von dem anmutigen, langsam dahinschreitenden Vogel. Vielfach können die grossen grauen Stelzvögel nicht nur am Wasser, sondern auch auf Feldern bei der Mäusejagd beo-bachtet werden. Bewegungslos lauern sie dort, stets bereit, unvorsichtige Beutetiere blitzschnell zu schnappen.

An die Menschen gewöhnt

Der Graureiher ist nicht wählerisch – er frisst fast alles, was sich bewegt. Zwei Drittel seines Speisezettels bestehen aus Larven des Gelbrandkäfers sowie Libellen,  Fröschen, Kröten und Kleinnagern. Ganz stolz erzählt er uns, dass er aus einer Brutkolonie am Aarelauf in der Nähe des Wohlensees stammt. «Dort sind mir aber zu viele Schwäne und krächzende Enten. Deshalb suche ich mein Futter in einem weiten Kreis rund um die Stadt Bern. Am Stadtbach, am Gäbelbach, am Riedbach, an der Giesse und am Gerzensee kann ich ungestört auf Beute lauern und finde immer frisches Futter. Nur in Rubigen bei der Fischzuchtanlage bin ich unbeliebt. Da hat einer ganz schön geflucht, und ich bin weggeflogen. Ich suche keinen Ärger mit den Menschen.» Graureiher sind ausserhalb der Brutzeit Einzelgänger und verbringen viel Zeit damit, alleine nach Nahrung zu suchen. Seit sie nicht mehr gejagt werden, haben sie sich an den Menschen gewöhnt. Obwohl Graureiher oft ruhig und gelassen wirken, können sie sehr territorial sein. Sie verteidigen ihr Nahrungsrevier gegen andere Reiher und Vögel, so ist unser Reiher auch regelmässig im Bachmätteli in Bümpliz. Kinderlärm, Spaziergänger und Velofahrer stören ihn nicht. Nur wenn ein Hund kommt, dann steigt er zur Vorsicht einfach auf das Geländer am Bach. Man weiss ja nie.

Der Ast als Eintritt

Graureiher können bis 24 Jahre alt werden. Unser Vogel ist noch ein Junggeselle, vielleicht zwei oder drei Jahre alt. Auf die Frage nach seinen Plänen in der Zukunft plustert sich sein Rosa-Flaum an der Brust auf. Ist das ein Erröten? «Also… im Frühling werde ich heiraten. Ich weiss schon welche. Ein Nest haben wir schon. Sie wird bald Eier legen. Dann heisst es: Brüten oder Futter suchen. Das ist nicht so einfach.» Res Wagner weiss mehr: «Kehren die Reiher nach der Jagd zu ihrem Partner in der Kolonie zurück, müssen sie am Nest erst einmal ein ausgiebiges Begrüssungsritual absolvieren. Neben vielen Gesten und Bewegungen überreicht der zurückkehrende Partner dem Vogel im Nest schliesslich einen Zweig. Erst dann darf er wieder ins Nest, ohne von seiner Partnerin als Eindringling behandelt zu werden.»

Harte Teamarbeit

Im Mai ist Hochsaison beim Brüten. Dann herrscht in der Reiherkolonie am Aarelauf durch das Rufen der Alt- und Jungvögel ein ohrenbetäubender Lärm. Die Eier werden von beiden Partnern abwechselnd bebrütet. Die geschlüpften, noch ziemlich hilflosen Jungen müssen noch sechs bis sieben Wochen im Nest bleiben.

Nach gut vier Wochen beginnen sie, auf den Ästen rund um das Nest herumzuturnen. Die Aufzucht bedeutet für die Eltern harte Arbeit: Sie nehmen viele Kilometer Entfernung in Kauf, um Futter für ihre Jungen zu beschaffen. Junge Graureiher haben einen gewaltigen Appetit: Alle zwei Stunden müssen sie gefüttert werden.

Mit einem letzten «Kraik» verabschiedet sich unser Graureiher und fliegt von dannen. Richtung Wohlensee. Doch bestimmt wird er wieder kommen.

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