Eidgenössische wahlen am 22. Oktober – hauptsache Abstimmen

Vorsicht vor dem Irrationalrat

Sacha Jacqueroud
Von Sacha Jacqueroud - Chefredaktor
Was unter der Kuppel des Bundeshauses abläuft, bestimmen letztendlich Sie.

Foto: Foto: zvg

Einfach erklärt
Am 22. Oktober finden die National- und Ständeratswahlen statt. In diesem nicht immer ganz ernst gemeinten Artikel soll aufgezeigt werden, was passieren kann, wenn nur schon eine Person nicht wählen geht.
Der Händerat und der Irrationalrat begegnen sich in der Schwindelhalle und beschliessen gemeinsam, den Bundesrat durch den Schwingerkönig zu ersetzen. Was absurd klingt, ist es auch. Aber einem solchen Szenario kommen Frau und Herr Schweizer ein ganzes Stücklein näher, wenn Sie – ja genau Sie – nicht abstimmen.

«Land an die Urne» befahlen etliche Plakaten vor zwei Jahren, als es um die sogenannt «extremen Agrarinitiativen» ging. Der Ausgang ist bekannt. Die ländliche Bevölkerung obsiegte gegen die grossen Städte. Wer die Leute hinter sich weiss, dessen Name wird heiss, wenn es um die National- und Ständeratswahlen geht. Mobilmachung mit Kugelschreiber und Couvert. Doch Vorsicht vor der Verdrossenheit.

Man stelle sich vor, es gäbe nur noch eine Schwindelhalle. In die kommen dann diejenigen, die es mit der Wahrheit nicht so ernst nehmen, dafür mit den Händen wie wild umherfuchteln, um ihren Argumenten wenigstens etwas Wind zu verleihen; die sind dann im Händerat. Komplettiert wird er von jenen, die gar nicht wissen, weshalb sie im Nationalrat sind, oder deren Kolleginnen, die machen können, was sie wollen, weil niemand anderer Meinung ist; das sind dann die Irrationalräte. Und das ist, liebe Leserinnen und Leser, gar nicht so lustig, wie es sich liest. Denn je tiefer die Wahlbeteiligung, desto schlechter die Demokratie. Sie zweifeln daran? Dann wechseln Sie mal die Perspektive. Was meinen Sie, wie viel wäre es den Millionen von Menschen aus Ländern mit diktaturähnlichen Strukturen wert, einmal so wie in der Schweiz zu wählen oder überhaupt erst eine Wahl zu haben. Erklären Sie diesen Menschen einmal, weshalb sie gar nicht erst abstimmen, obschon korrekt gezählt wird und obschon sie damit eine repräsentative Regierung bestimmen können. Ja genau; sie kämen ganz schön in Erklärungsnotstand. Anderseits dürfen Sie nun entgegnen und behaupten, die in Bern würden ja eh immer tun, was sie wollen, uns nun mit leeren Versprechungen abspeisen und lieblos von den Plakaten strahlen, um wenig später den nächsten Verwaltungsratssitz zu ergattern und sich darüber zu mokieren, was uns wirklich besorgt. Ein wenig recht haben Sie schon, wenn man die magere Ausbeute der Politik im Zusammenhang mit Krankenkassenprämien, EU-Verhandlungen oder der schon fast fiesen Wettbewerbsverzerrrung durch halbstaatliche Betriebe wie Post und Co. anschaut. Und jetzt kehrt sich das Argument. Es ist also wichtig, dass Sie genau jenen eine Stimme geben, die sich für Ihren Job, gegen die Teuerung oder für eine intakte Natur einsetzen. Also genau dort, wo Sie den höchsten Handlungsbedarf sehen. Doch dieser Sicht soll noch ein Argument gegen das «Die-tun-was-sie-Wollen»-Syndrom entgegengebracht werden: die Wahrnehmung. Was von National-, Stände- und auch Bundesräten in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, ist noch nicht mal die Spitze des Eisbergs. Viele Themen sind aufgrund der Gesetzeslage komplex und die Schritte zu einer Lösung beschwerlich oder nur dann machbar, wenn andere Parteien mithelfen. Politik ist die Kunst, in kleinen Schritten zu gehen, ohne das grosse Ganze aus den Augen zu verlieren. Es gibt aber – mit Verlaub und mit Blick auf die Wahlunterlagen – schon ein paar wilde Kerle, die wohl am Stammtisch beschlossen haben, sie wüssten, wie Politik funktioniert. Ihnen politisches Geschick zu attestieren wäre in etwa so, wie wenn man einem Pinguin die Einsteinsche Relativitätstheorie erklärt. Mögen diese Retorten aus Schnapsideen – wie ihr vermutlicher Blutwert, als die Idee entstand – im Promillewert bleiben. Doch zurück zu den eigentlichen Wahlen. Geschätzte Leserin, geschätzter Leser, ob humorvoll oder schmerzlos: Ihre Stimme zählt. Nicht nur statistisch, sondern auch als Sicherung eines demokratischen Prinzips, um das die Schweiz von vielen Ländern beneidet wird. Denn wenn jeder denkt, dass seine Stimme nichts ändert, dann müsste man tatsächlich eines Tages sagen: Vorsicht vor dem Irrationalrat.

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