Die Schweizerische Tollwutzentrale des Instituts für Virologie und Immunologie (IVI)

Tollwutfrei – und dennoch auf der Hut

Salome Guida
Von Salome Guida - Redaktorin
Abril Carlos (Stv. Leiter Tollwutzentrale), Guillaume Sapin (Labortechniker), Daniela Hüssy (Leiterin Tollwutzentrale).

Foto: SG

Einfach erklärt
Die Tollwut ist eine tödliche Krankheit. Fast niemand überlebt sie. Die Schweizerische Tollwutzentrale gibt Beratungen. Zum Beispiel für Schweizer Touristen, die im Ausland von einem Hund gebissen wurden. 
Mit einer Mortalität von praktisch 100 % ist die Tollwut eine der tödlichsten Krankheiten. Weltweit erliegen ihr jedes Jahr fast 60'000 Menschen. Dabei gibt es Impfstoffe, die Todesfälle auch nach einer Übertragung noch verhindern können. Warum also ist die Gefahr noch nicht gebannt, und wie sieht es hierzulande aus?

Das Institut für Virologie und Immunologie IVI mit Labors in Mittelhäusern und in Bern ist an vorderster Front dabei, wenn es um die Erforschung und Bekämpfung von Tierseuchen und Zoonosen geht. Also Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragbar sind. Dazu gehört auch die Tollwut. «Es ist eine uralte Krankheit, die schon vor über 4000 Jahren im Codex Eshnunna Erwähnung gefunden hat», weiss Daniela Hüssy. Sie leitet seit einem Jahr die zum IVI gehörende Schweizerische Tollwutzentrale. Praktisch täglich erreichen sie und ihr Team Anrufe und E-Mails: Schweizer Touristen, die in den Ferien einen streunenden Hund streichelten und gebissen wurden. Ferienreisende, die eine Strassenkatze retten möchten und wegen fehlender Impfung und Einreisebewilligung am Zoll nicht durchkommen. Und ab und zu auch Menschen, die eine kranke oder tote Fledermaus finden.

Tollwutfrei – ausser Fledermäuse

Tatsächlich sind Fledermäuse die einzigen Wildtiere in der Schweiz, bei denen die Tollwut-
erreger gelegentlich nachgewiesen werden. Im Sommer 2023 war es in Sarnen und 2022 in Büren an der Aare der Fall, 2017 in Neuenburg. Dennoch gilt die Schweiz seit 1999 offiziell als tollwutfrei, was zu einem grossen Teil der aufwendigen Immunisierung der Füchse zu verdanken ist, aber auch guter Zusammenarbeit der Behörden und der Politik. Davon ist man in vielen Ländern noch weit entfernt. Infizierte Wildtiere können Haustiere oder Streuner anstecken. Dies geschieht häufig, weil sich erkrankte Tiere oft aggressiv verhalten und schneller zubeissen. In den Menschen gelangt das Virus ebenfalls meist durch Bisse, aber auch via Kratzer oder über den Kontakt von Speichel mit nicht intakter Haut. Rund alle neun Minuten stirbt – rein rechnerisch – ein Mensch an Tollwut. Meist in Regionen, in denen kein Impfstoff vorhanden oder zu teuer ist. Eine grosse Herausforderung sei, so die Expertin, dass für wirksame Kampagnen verschiedene  Ministerien zusammenarbeiten müssen. «Es ist ein One Health-Problem.» Dies bedeutet, dass die Umwelt, die Tiere und die Menschen sich wechselseitig beeinflussen und für die öffentliche Gesundheit darum alle drei Bereiche wichtig sind. 

«Stichli» oder Sterberisiko?

Die Schweizer Tollwutzentrale hat damit nur indirekt zu tun. Hierzulande untersucht das vierköpfige Team angelieferte Proben von Verdachtsfällen, ein Grossteil davon von Fledermäusen,  führt die Titerbestimmung nach Impfungen bei Mensch, Hund und Katze durch und berät jährlich rund 2500 Privatpersonen, Ärzte, Tierärzte und Behörden. Wird etwa eine Touristin in einem Risikoland von einem unbekannten Tier gebissen, rät Hüssy stets, möglichst schnell die postexpositionelle Prophylaxe zu machen. «Manche entgegnen dann, dass sie Angst vor dem Stich haben», erzählt sie. Angesichts der fast hundertprozentigen Sterberate sei dies unverständlich. Sie versuche dann, so respektvoll, aber bestimmt wie möglich zu erklären, dass man bei Verdacht auf eine Tollwutansteckung nicht lange herumstudieren soll. «Weil die Krankheit so tödlich ist, muss auch das kleinste Risiko eliminiert werden – denn es ist ein Risiko, zu sterben.» Erst vor wenigen Monaten starb eine Französin an Tollwut – Wochen, nachdem sie im Maghreb von einer Katze gekratzt worden war. Trotzdem: Auch Hüssy darf nichts anordnen – am Schluss müssten die Betroffenen in Absprache mit einem Arzt selbst entscheiden. Dasselbe gilt für die prophylaktische Impfung: Empfohlen ist sie für Hochrisikogebiete wie grosse Teile Afrikas oder Asiens, aber auch in vielen südamerikanischen Ländern und ebenso in Südosteuropa ist das Risiko erhöht. 99 % der menschlichen Tollwutfälle werden von Hunden übertragen, oft von Welpen. 

Gefahr durch Importe

Gerade diese herzigen Jungtiere erweichen besonders oft das Herz von Auslandsreisenden. Wollen sie ein Tier in die Schweiz mitbringen, gelten strenge Vorschriften – gerade in Bezug auf Tollwut. Die erforderliche Immunisierung und anschliessende Titerkontrolle lässt sich nicht in wenigen Tagen abhandeln. Dasselbe gilt, wenn Tierhaltende aus der Schweiz ins Ausland reisen müssen und dort ein Impfobligatorium herrscht. Immer wieder hat Hüssy erboste Menschen am Telefon, die «jetzt sofort» einen Titertest verlangen. «Dies ist aber schon rein technisch nicht möglich, weil wir dafür zuerst Zellen kultivieren müssen», erklärt sie. Ein weiteres Problem bei den Importen aus Risikogebieten: Bei den illegal eingeführten Tieren weiss man nie, ob sie mit dem Virus infiziert sind. Denn von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit kann es mehrere Monate dauern. Darum sei bei einem Biss eines unbekannten Tieres trotz tollwutfreier Schweiz immer Vorsicht geboten: Man wisse nie, ob es illegal und ungeimpft über die Grenze gebracht wurde. Auch in solchen Fällen ist man froh, sich an die Expertinnen der Tollwutzentrale wenden zu können. 

 

INFO:

Schweizerische Tollwutzentrale: 

www.ivi.admin.ch 

Heimtiere: Für Fragen im Zusammenhang mit Reisevorschriften für Heimtiere ist das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zuständig. 

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