Der Arbeitsplatz von Martine Ulmer an der Weyermannsstrasse 28 ist nicht einfach zu finden. Sie empfängt uns im Parterre der verwinkelten «Denk- und Kreativfa-brik» und führt uns zu ihrem hellen Computer-Arbeitsplatz, wo sie Untermieterin ist. In der ruhigen Cafeteria im Untergeschoss bewirtet uns Martine Ulmer mit Kaffee und Gipfeli – ein sympathischer, stärkender Einstieg in ein spannendes Gespräch.
Ursprünglich Primarlehrerin in Burgdorf, heute freischaffende Künstlerin – wie kam es dazu? «Ich unterrichtete leidenschaftlich gerne. Aber ich hatte das Gefühl, mit den Kindern ein Flugzeug zu packen und nach zwei Jahren sah ich sie abdüsen in neue Projekte. Für mich begann alles wieder von vorne, wiederholte sich», blickt Martine Ulmer zurück. Sie hatte aber keinen Burnout, sondern einfach das Verlangen, nach neuen Ufern aufzubrechen. Schon als kleines Kind zeichnete und malte sie mit Begeisterung, und so lag es nahe, dass Martine ihre berufliche Zukunft in der visuell gestaltenden Kunst sah. Sie besuchte den gestalterischen Vorkurs an der Hochschule Luzern. «Am Informationstag zu diesem Vorkurs schauten wir uns kleine Animationsfilme an – dann war es um mich geschehen. Ich wusste: Da will ich hin!» Es folgte die dreijährige Weiterbildung zum Bachelor of Arts in visueller Kommunikation und danach arbeitete sie unter anderem ein Jahr lang in Zagreb am Dok- und Animationsfilm «Chris the Swiss» von Anja Kofmel. Diese Mitarbeit bezeichnet Martine Ulmer heute als eines ihrer bisherigen Lieblingsprojekte.
Von digital bis Daumenkino
Martine Ulmers Kerngeschäft ist Zeichnen, «wobei ich die humorvolle Illustration bevorzuge», ergänzt sie mit breitem Lachen. Das sind keine Worthülsen, in ihren Augen leuchtet stets der Schalk. Das sei gerade das Coole an ihrem Beruf: «Ein Jahr lang mache ich Animationen, dann wieder Illus-trationen. Grundsätzlich bin ich neugierig und offen für alles», betont sie. Offen war sie auch gegenüber dem Wunsch einer Kundin, ein Daumenkino zu zeichnen, «für mich ein Novum, denn ich arbeite ausschliesslich digital.»
Ihr Kunden-Portfolio ist vielseitig: Privatpersonen, die eine Illustration für einen Flyer benötigen. «Als Honorar erhalte ich dann eine Flasche Wein», lacht sie. Aber auch Werbeaufträge wie unlängst von der Uni Bern für die Berufswerbung für Professorinnen gehören zu ihrem Auftragsvolumen. Martine Ulmer hat sich in den zehn Jahren ihrer Selbstständigkeit ein solides Netzwerk aufbauen können, die meisten Aufträge erhält sie durch Empfehlung. Auf Instagram ist sie aktiv, besucht regelmässig Weiterbildungen, um stets technisch à jour zu bleiben.
Kein «Ulmer-Stil»
Wer die vielen Arbeiten von Martine Ulmer betrachtet, stellt bald einmal die verschiedenen Illus-trationsstile fest, es gibt nicht «den» Martine Ulmer-Stil. Wenn sie beispielsweise einen Animationsfilm erstelle, arbeite sie mit vorgegebenen Zeichnungen und passe sich dem jeweiligen Stil an, erklärt sie. «Es ist für mich ein Kompliment, wenn man mich in meinen Zeichnungen nicht sofort erkennt. Beim Mozart-Buch bin ich mir am nächsten, das ging mir schnell von der Hand», erzählt die Künstlerin. «Ja, ich bin wandelbar, bleibe mir aber selber stets treu!» Sie liebt Dinge, die sie herausfordern, auch wenn sie sich manchmal überwinden muss, «wie zum Beispiel beim Daumenkino», fügt sie lachend hinzu, «aber das hält mich wach.»
An Bümpliz gefällt der Kleefeld-Bewohnerin die multikulturelle Zusammensetzung der Bevölkerung, die Architektur der Blocksiedlungen. «Wenn ich mit dem Velo vom Europaplatz gegen Bümpliz fahre, fühle ich mich zuhause. Ich könnte mir sogar vorstellen, hier alt zu werden», schliesst die 42-Jährige ihr Lob.