Für einen Abend war Bümpliz so rot wie ein kitschiger Sonnenuntergang am Horizont. Alles was in der SP Bümpliz/Bethlehem Rang und Namen hat, strömt ins Restaurant Tscharnergut, um den Worten des Präsidenten zu lauschen. Doch Cédric Wermuths Rede ist weder romantisch noch verklärt. Viele Jahre nachdem die SP Bümpliz/Bethlehem grossen Anteil an der Einführung des Frauenstimmrechts hatte, braucht es nach wie vor viel von dem, was er «Solidarität» nennt.
Ein Dinosaurier
Respektvoll begrüsst er die altehrwürdigen Kämpferinnen aus Berns Westen. Da wirkt der 37-Jährige glatt wie ein Jung-spunt. Doch das weiss er gekonnt zu relativieren, in dem er verrät, dass seine Kinder kürzlich von ihm wissen wollten, wie es denn gewesen sei, als er noch mit den Dinosauriern zusammenlebte? Immerhin, was die Erfahrung angeht, ist Wermuth vielleicht tatsächlich schon ein Dinosaurier. Sicherlich mit ein Grund, weshalb die ambitionierten SP-Politikerinnen wie Mereth Schindler, Chan-dru Sommasundaram oder Ueli Schmezer aufmerksam seinen Worten lauschten. Einzig den Worten. «Ich benutze keine
Powerpointpräsentation. Es gib jene, die etwas zu sagen haben, und jene mit einer Powerpointpräsentation», zitiert er Alt-Ständerat Ernst Leuenberger aus Solothurn.
Gleichstellung, Kaufkraft, Klima
Und Wermuth hat definitiv etwas zu sagen. «Der Blick zurück hilft mit den Krisen von heute umzugehen.» Klimawandel, Pandemie, Krieg, Bankenkrise. «Es gibt zwei dominante Strategien, wie heute mit diesen Problemen umgegangen werden kann. Jene der heutigen Elite, die einen Klassenkampf von oben betreibt. Und es gibt eine Reaktion, die fast schon spontan über alle politischen Systeme wirkt: Zusammenschluss und gegenseitige Hilfe, damit niemand durch die Maschen fällt. Wir SPler nennen das Solidarität.» Es sind herausfordernde Zeiten und sein Blick zurück landet in den 1990er Jahren, in denen politische Mehrheiten gefunden werden konnten und viele Lösungen entstanden. «Wir kennen die Schwierigkeiten, wollen aber solidarisch und gemeinsam handeln. Ergreifen wir Partei für alle Menschen oder nur für ein paar wenige? Unsere Aufgabe ist es, in den Themen Gleichstellung, Kaufkraft und Klimapolitik Partei zu ergreifen.»
Geld als Totschlagargument
Der Präsident zielt in seiner Rede auf das Verständis mancher Partei ab, wonach Gleichstellung, Kaufkraft oder Klimapolitik als Probleme erkannt wurden. Dennoch seien sie gegen die SP-Ideen – aus finanziellen Gründen. «Alle wollen Gleichstellung, aber es darf einfach nichts kosten. Aber wenn Altersarmut endlich nicht mehr weiblich sein soll, muss man halt etwas dagegen tun», lauten seine klaren Worte. Im Saal ist inzwischen aus dem grossflächigen Kopfnicken Applaus geworden. Wermuth versteht es, die Sozialdemokraten in den Bann zu ziehen. Auch wenn es um die Klimapolitik geht: «Wir kehren die Logik um und bieten den Menschen zuerst etwas an. Wir machen einen Service Public. Neue Arbeitsplätze entstehen. Bezahlen müssen die Klimamassnahmen jene, die seit Jahrzehnten vom Planetem profitiert haben.» Der Finanzplatz etwa. Schliesslich stosse dieser 20 mal mehr CO2 aus als die gesamte Schweiz, so Wermuth. Ein Beispiel im Zusammenhang mit der Kaufkraft soll die neuste Idee der SP aufzeigen: Begrenzung der Krankenkassenprämien. «Die Unfähigkeit der Politik, das jährliche Kostenwachstum zu beenden, ist eine Kapitulation. Wir ziehen nun eine Grenze und fordern 10% des Gehalts als Maximum.»
Der Applaus wird frenetischer, Bümpliz brodelt. Und die Art, wie Cédric Wermuth seine Rede beendet, sorgt dafür, dass die Sozialdemokraten aus Berns Westen noch lange an diesen Abend denken werden: «Die Armutzahlen steigen bei uns seit 15 Jahren, wir retten zwei Grossbanken und schaffen es nicht, die Armut speziell im Alter zu stoppen. Das ist beschämend und bedeutet, dass die SP noch viele Kämpfe ausfechten muss.» Anecken, polarisieren, mutig sein. Hier treffen die Werte der SP Bümpliz/Bethlehem auf jene ihres Präsidenten. Partei kann man aus ihrer Sicht nicht sein, Partei muss man ergreifen.