Doch das bedeutet nicht, dass man sich nicht zuprostet. Am Neujahrsantrunk der SVP Stadt Bern war auch Stadtpräsident Alec von Graffenried (Grüne) zugegen. Vertreter der SP, der FDP und der Mitte erhoben ebenfalls ihre Gläser und Thomas Fuchs reichte die Hand, um den Dialog schon früh im Jahr zu suchen.
Bürgerliche Beweggründe
Die Reden der Nationalräte Erich Hess und Benjamin Giezendanner waren dann etwas schärfer als die Begrüssungsworte des Präsidenten. Wo SVP auf der Einladung steht, ist eben auch SVP am Mikrofon zu hören. Sei es, wenn es um den dreispurigen Ausbau der Autobahn geht, weil die Bahn gar nicht in der Lage sei, die Kapazitäten, die heute auf den Strassen sind, zu bewältigen. Oder etwa beim Mantelerlass und der drohenden Energieknappheit, wo der Ausbau der Stauseen viel zu gering ausfalle. Während die klaren Worte durch den Saal hallten, folgten eifrig nickende Köpfe. Nicht alle. Im Verlauf des Apéros durften gewisse Argumente neu diskutiert werden.
Das Wahljahr lanciert
Ein Thema aber setzte sich an vielen Stehtischen durch: die Wahlen der Stadt Bern im Herbst 2024. Zu Beginn zeigte Thomas Fuchs noch seine Freude an der breiten bürgerlichen Allianz von SVP bis GLP. Sie sei für die Wahlen wichtig und richtig. Ob denn wirklich alle in der GLP Freude an diesem Beschluss haben, fragten sich wohl nicht ganz zu Unrecht einige Politinteressierte. Andere schmiedeten Pläne, wie man diese verbreiterte bürgerliche Allianz noch verbessern kann, wiederum andere philosophierten, ob der Rechtsrutsch an den eidgenössischen Wahlen vom Herbst 2023 Folgen für die Stadtpolitik haben könnte.
Der Shooting-Star
Einer, den viele nach seiner Meinung fragten, war Janosch Weyermann. Der 29-Jährige bekam von den Medien schon sein Fett weg. Viel zu jung und unerfahren sei er, hiess es, als die SVP bekannt gab, dass er zu den Gemeinderatswahlen antreten werde. Doch Weyermann lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Muss er auch nicht, denn die SVP Stadt Bern verfügt über einige gewichtige Supporter mit nationaler Erfahrung. An ihrer Seite würde es nicht überraschen, wenn Weyermann weitaus bessere Chancen hätte, als es die Presse ihm bisher zuschreibt. Abgesehen davon «leidet» Florence Pärli Schmid (FDP) am selben Schicksal. Auch sie ist für die Wahlen aufgestellt, auch sie musste in den Medien entnehmen, dass man ihr die nötige Routine und Erfahrung schlichtweg aberkennt. Die 34-jährige Juristin wird als Newcomerin bezeichnet, doch wer ihren Auftritt am Streitgespräch der SP Bümpliz vor einem Jahr miterlebt hat, der weiss, wie gut sie argumentieren kann. Damals verdiente sie sich einige Respektzollungen der Sozialdemokraten.
Und so verwandelte sich der Neujahrsantrunk der SVP Stadt Bern zusehends zu einem spannenden Austausch. Von wegen abgeschottet und eigenbrötlerisch. Die SVP tritt im Jahr 2024 in Bern mit offenen Ohren und dialogfähigen Voten auf. Aber es ist ja auch erst Januar, mag man einwenden, und der Abstimmungskampf steht erst noch bevor. Giezendanner bemerkte dann aber doch noch, dass es wohl schon nur den Bernern in den Sinn käme, erst Ende Januar auf das neue Jahr anzustossen. So «cool» wie die SVP Stadt Bern seien eben nicht alle, hiess es postwendend aus der Gästeschaft.