BEWOHNENDE AUS BERN WEST ZEIGEN IHRE QUARTIERE

Familiäre Verhältnisse im grössten Teil der Stadt

Martin Jost
Der Rundgang führt die Gruppe durch Bern West.

Foto: Fotos: MJ

Einfach erklärt
Einfach erklärt: Der Verein StattLand führt Stadtrundgänge durch. Einer führt vom Kleefeld in den Gäbelbach. Bewohnende aus den Quartieren erzählen dabei, weshalb sie sich hier zu Hause fühlen.
Der Rundgang des Vereins StattLand führt quer durch Bern West, vom Kleefeld in den Gäbelbach. Drei Bewohnende aus den Quartieren geben mit viel Herzblut Einblick in ihren Lebensraum und in ihre persönliche Geschichte. Und sie räumen auf mit Vorurteilen.

Weshalb sollte man in Bern West wohnen? Schliesslich gibt es genug Vorurteile, die dagegen sprechen. Meistens von Menschen verbreitet, die nie dort lebten. Nach dem Rundgang lautet die Frage anders: Weshalb sollte man eigentlich nicht in Bern West wohnen? Claudia Galasso war immer hier und sie will nirgendwo anders hin. Als Immi-grantentochter wurde sie im Kleefeld geboren, dem grössten Quartier in Bümpliz mit rund 3700 Einwohnenden, auch schon als Problemquartier bezeichnet. Hier fühlt sie sich zugehörig. Selbstbewusst steht sie vor den Teilnehmenden des Rundgangs und erzählt vergnügt von ihren Erfahrungen. Wie sie seinerzeit zu ihrer ersten Sitzung des Elternrates ging und als dessen Präsidentin aus der Sitzung kam. Das sei eine gute Entscheidung gewesen, weil sie dadurch viele Leute kennen lernte und sichtbar wurde. «Hier zu leben ist eine Herausforderung», fährt sie fort, «hier leben Menschen aus sehr unterschiedlichen Kulturen.» Sie nimmt diese Herausforderung gerne an, denn dadurch entstehe ein ausgeprägtes Miteinander und das Leben im Kleefeld fühle sich an wie in einem Dorf, in dem man sich kennt. Sie ist aktiv in der Interessengemeinschaft Kleefeld, welche Anlässe veranstaltet, die auf die Besonderheiten des Quartiers ausgerichtet sind.

Keine Berührungsängste

Dass die westlichen Gebiete seinerzeit zu einem Stadtkreis wurden, geschah auch deshalb, weil dort viel Platz für die Siedlungsentwicklung vorhanden war. Es wurde schnell gebaut und das sieht man. Allerdings nicht überall. Beim Bummel durch den Friedhof Bümpliz fühlt man sich in einer grünen Oase. Auch der Quartiertreff Baracke befindet sich in lauschiger Umgebung; es ist ein Ort der Begegnung, zudem werden konkrete Unterstützungen für alle Lebensbereiche angeboten.  Berührungsängste gebe es nicht, obschon täglich Menschen aus unterschiedlichen Kulturen ein- und ausgehen. Nun ist die Reihe an Christian Koch. Weil der Rundgang zum Brünnenquartier führt, einem der jüngsten Quartiere der Stadt Bern. Und weil er vor 15 Jahren aus der Länggasse hierhergezogen ist. Er bereut diesen Schritt nicht, es fehlt ihm an nichts. «Wir sind mit dem Öffentlichen Verkehr sehr gut verbunden mit der Stadt, aber es gibt auch in der nahen Umgebung genügend Einkaufsmöglichkeiten.» Er schätzt die Lage von Brünnen am Stadtrand und damit die Nähe zur Natur. Mit drei Sprüngen sei man im Gäbelbachtal, im Eichholzwald oder am Wohlensee. Nicht mal auf den vertrauten Schoggi-Geruch musste der ehemalige Länggässler verzichten; die Toblerone-Schokolade wird seit Jahren in Brünnen hergestellt. Für Christian Koch war es fast wie ein Heimkommen, obschon der Schoggi-Geruch nicht nötig gewesen wäre, um in Brünnen anzukommen.

«Wir helfen einander»

Er engagiert sich im Quartierverein, der sehr aktiv sei, auch in sozialen Projekten. Wie hier im Parkcafé, wo Menschen mit Beeinträchtigungen arbeiten. Ajla Avdibasic ist im Gäbelbach zu Hause und muss sich gedulden, bis sie auf dem Rundgang zu Wort kommt. Sie tut das unverkrampft, sehr offen und mit einem starken Bekenntnis zu ihrem Quartier. Die Siedlung besteht aus drei Blocks, in denen etwa 1800 Menschen leben. Sie gibt Einblicke in das Leben im Gäbelbach, beispielsweise über die Wohnungen mit allen nötigen Einrichtungen, über die moderaten Mietzinsen, vor allem jedoch betont sie den Zusammenhalt in der Siedlung. «Wir helfen einander. Sei es mit Einkäufen für ältere Menschen oder dass wir gegenseitig zu den Kindern schauen. Wer solches annehmen möchte, erhält Unterstützung.» Die Möglichkeit einer starken Vernetzung der Menschen sei ebenso gegeben wie die Option, anonym zu leben. Ajla Avdibasic engagiert sich stark im und für das Quartier. Damit erhalten bleibt, was sie mag. Sie spricht von familiären Verhältnissen im Gäbelbach und möchte nie weg von dort. Andere möchten nie dorthin. Aber es gibt nur ein Bern, und das besteht aus einem Puzzle verschiedener Mosaiksteine. Einer davon ist der Stadtteil Bern West.

www.stattland.ch

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