Mitgliederversammlung des KMU Bern West bei der Werner Blunier AG

Die 99 %, die oft vergessen gehen

Sacha Jacqueroud
Von Sacha Jacqueroud - Chefredaktor
V. l. : Janosch Weyermann, Norbert Mullis, Marco Moser, Jeannine Blunier, Jürg Kobel, Shakeel Ahmed, André Fasnacht, Peter Steck und Michael Lüthi.

Foto: SJ

Einfach erklärt

Der KMU Bern West hält seine jährliche  Mitgliederversammlung ab. Es bleibt Zeit, um über Wirtschaftsverkehr und genügend Fläche für das Gewerbe zu reden. Der Stadtteil VI ist wirtschaftlich sehr wichtig.

Zeit für die wichtigen Dinge im Leben. Das bescherte der KMU Bern West seinen Mitgliedern an der Mitgliederversammlung. Die Traktanden gingen so sanft durch wie das Getriebe des neusten Hondas aus dem Hause Blunier. Was deshalb wirklich zählte, war, dass man sich den Problemen des Gewerbes widmet und dabei nicht vergisst, welche Kraft entsteht, wenn ein ganzer KMU-Verein die Kameradschaft pflegt.

Die einen hielten sich an die Vorgaben der Italiener, andere bauten gut schweizerische Berge. Das selbst Belegen der Pizza sorgt für heitere Momente und dafür, dass die vielen anwesenden Gewerblerinnen und Gewerbler stets in neuen Konstellationen zusammenstehen und diskutieren. «235», ruft derweilen Schwab von Steinhof-Holzofen. «Lotto» antwortet Sven Hofer von der Helvetia und nimmt sein kleines Meisterwerk entgegen. «Lotto» und «Karton» heisst es im Anschluss noch Dutzende Male. Zurück im Showroom findet man Zeit, sich um wichtige Themen aus der lokalen Wirtschaft zu kümmern.

Auf die falschen geschaut

Solche, die Peter Steck, der Präsident des KMU Stadt Bern, ange-stossen hat. «Wir sind intensiv daran, dafür zu sorgen, dass es genügend Gewerbeflächen hat und die Stadt uns nicht noch weiter verdrängt», beginnt er. Beispiele hierfür muss er keine nennen, im Westen von Bern kennt man sie bestens. «Wir sind die einzige Stadt, in der es mehr Arbeitsplätze als Einwohner gibt. Mich stört das nicht, die Stadt schon», so Steck weiter. Bern ist nicht nur eine Gemeinde, sondern ein Grossraum und damit auch ein Wirtschaftsraum. Dieser sei überaus erfolgreich, zeigt eine Studie der Universität, die von der Stadt Bern und der Regionalkonferenz in Auftrag gegeben wurde. Doch Steck relativiert: «Der öffentliche Sektor und Grossfirmen wie die SBB fliessen da mit ein und verfälschen das Bild.» Denn wie bei den Gewerbeflächen gilt auch hier: Die vielen KMU werden einmal mehr zuwenig berücksichtigt. «Wenn man von Wirtschaft redet, sollte man von den 99 % KMU reden und nicht von den einzelnen Grossen oder den Öffentlichen sowie den Halbstaatlichen. Wirtschaft erhält wegen diesen Gruppen zu oft das Attribut der Bösen. Das muss aufhören.»

Wirtschaftsverkehr

Mucksmäuschen still bleibt es im Showroom, die Mitglieder fühlen sich verstanden und abgeholt. «Man sagt in Bern oft, man wolle das Gewerbe, aber gemeint ist oft eine neue Überbauung, in dessen Erdgeschoss vielleicht noch eine Apotheke Platz findet. Darum geht es uns aber nicht. Wir benötigen Flächen, von denen aus wir Waren an- und wegliefern können.» Und dann verweilt Steck keine Sekunde mehr im Klagemodus, sondern zeigt auf, was der KMU Stadt Bern mit seinem angeschlossenen Verein KMU Bern West schon erreicht hat: «Wir werden in diesem Jahr mit zwei Pilotversuchen starten können. Es geht darum, dass wir als Wirtschaftsverkehr nicht als Teil des MIV (motorisierter Individualverkehr) angeschaut werden, sondern dass unsere Notwendigkeit, zu Kunden zu gelangen, anerkannt wird. Deshalb dürfen wir versuchsweise in naher Zukunft auf der Monbijoubrücke die Buslinie nutzen und an der Genfergasse unweit vom Bahnhof links abbiegen, was demnächst nicht mehr gestattet sein wird.» Versuche, die dank einem guten Dialog mit der Stadt Bern entstanden sind. Doch Steck mahnt bereits: «Wir werden euch noch genauer informieren, aber wichtig ist, diese Erlaubnis nicht zu missbrauchen und wirklich nur im Lieferfall davon Gebrauch zu machen.» Denn weitere Strecken sollen noch folgen. Der KMU könnte hier schweizweit Geschichte schreiben.

Wachsende Zahlen

Wie dringend notwendig diese Verbesserungen sind, verrät der Präsident ebenfalls: «Die Stadt will die Autos um 50 % dezimieren, auf manchen Strecken wird bewusst und gezielt eingestaut, damit man nicht mehr vorwärtskommt», so Steck weiter. Der Applaus für seinen Einsatz und jenen der leitenden Personen im KMU ist langanhaltend und herzlich. Genauso «gäbig» gleitet die Versammlung durch die Traktanden. Mit einer Jahresrechnung, die mit einem kleinen Gewinn von 600 Franken abschliesst, einem Vereinsvermögen von 76’500 Franken und einem ausgeglichenen Budget. Mit der Wahl von Sven Hofer als Ersatzrevisor und mit den beiden Co-Präsidenten Michael Lüthi und Shakeel Ahmed, die so rank und schlank durch die Traktanden führen, wie sie selbst sind. Einen herzlichen Applaus gibt es zum Schluss für die beiden neuen Mitglieder des KMU Bern West: Bahnorama Modelleisenbahnen GmbH sowie die Firma Riggenbach Gmb Garten und Landschaft. Die Familie des KMU Bern West wächst.

Der Westen war schon immer wichtig für den Wirtschaftsraum Bern, das zeigt die Geschichte und dass dies bis heute so bleibt, dafür stehen die vielen Mitglieder, die der KMU Bern West vereint. «Und schon bald haben wir auch im KMU Stadt Bern die Mehrheit», scherzt Peter Steck. Denn mit seiner Person sowie neu Janosch Weyermann sitzen zwei Vertreter des Stadtteils VI im leitenden Ausschuss. Sie stehen ein für ihre Mitglieder, die 99 %, die so oft vergessen gehen.

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