Der PapaRat der «Berner Gesundheit» blickt zurück und setzt einen neuen Schwerpunkt

Migrationsarbeit ist kein Krisenmanagement

Kurt Heilinger
PapaRat-Moderatoren bei der Besprechung mit einer Fachperson.

Foto: Foto: zvg

Einfach erklärt
Seit 10 Jahren gibt es den PapaRat. Das ist ein Projekt der Stiftung Berner Gesundheit. Es gibt Gespräche und Hilfe für Väter mit Migrationserfahrung. Umberto Castra leitet das Projekt.  Viele Männer helfen ihm dabei.
Im vergangenen November wurde am grossen Jubiläumsfest im Haus der Religionen die künftige Ausrichtung des PapaRats in der Migrationsarbeit verabschiedet. Im Gespräch mit der «BümplizWochen» beschreibt Projektleiter Umberto Castra die Arbeit von PapaRat und skizziert dessen zukünftige Fokussierung auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Schulen.

Weshalb richtet der PapaRat sein Angebot ausschliesslich an Familienväter mit Migrationserfahrung?

Meine Wahrnehmung vor etwa 15 Jahren war, dass es in der Mi-grationsarbeit im Kanton Bern zwar eine breite Palette von Angeboten für Mütter, aber kaum für Väter mit Migrationserfahrung gab. Aus der Wissenschaft wissen wir jedoch, dass für Kinder und Jugendliche in der Phase der Pubertät der Vater sehr wichtig ist. Heute haben Väter beim PapaRat die Möglichkeit, bei Problemen Hilfe zu suchen und sich in Gruppen unter Anleitung eines Moderators mit anderen Vätern auszutauschen.

Der PapaRat setzt für den Dialog mit den Vätern 15 Moderatoren aus 15 Sprachregionen der Welt ein. Was muss man sich unter einem Moderator vorstellen?

Unsere Moderatoren nehmen eine Schlüsselrolle ein. Sie haben bei uns neben ihrem angestammten Beruf eine offizielle, vertraglich geregelte Anstellung. Wichtig ist ihre Vernetzung sowohl mit ihrer eigenen Community als auch gegen aussen mit den Institutionen im Gesundheits- und Migrationsbereich. 

Wie sieht konkret die Arbeit der Moderatoren aus?

Sie treffen sich regelmässig mit den Vätern ihrer Community und besprechen in deren Muttersprache die anstehenden Herausforderungen und Probleme. Ein konkretes Beispiel: Vor drei Jahren haben wir in der Schule Schwabgut mit der damaligen Schulleiterin einen Infoabend exklusiv für Väter organisiert. Wir haben dabei sechs Übersetzer auf sechs Tische verteilt, auf denen mit Schildern angeschrieben war, in welcher Sprache am Tisch gesprochen wird. Die Rückmeldungen der 40 Väter, die der Einladung gefolgt sind, waren sehr positiv. 

Was geschieht, wenn der Dialog mit einem Vater nicht gelingen will?

Väter mit Migrationserfahrung sind oft unsicher in der Frage, wie viel Freiheit sie ihren Kindern in der Erziehung gewähren sollen. In einem derartigen Fall versucht der Moderator im Einzelgespräch dem betreffenden Vater klarzumachen, dass er mit seiner Familie nun in der Schweiz lebt. Wenn beispielsweise seine Tochter am Samstagabend erst um 23 Uhr heimkommt, ist das eine Herausforderung für den Vater, die von ihm einen inneren Prozess erfordert – nämlich die Balance zwischen hergebrachter Tradition und gelebter Schweizer Realität zu finden. 

Welches sind Ihre Ziele für die nächsten 10 Jahre?

Wir erhalten zunehmend Anfragen von Schulen: «Wir haben ein Problem mit einem Vater mit Migrationserfahrung. Können Sie uns helfen?» In unserem Schulsystem haben Väter mit Migrationshintergrund oft einen schweren Stand. Wir wollen die Schulen in solchen Situationen stärker unterstützen. Die Schulen müssen vermehrt mit diesen Vätern zusammenarbeiten, die gerade für den Schulerfolg und die Lehrstellensuche ihrer Kinder relevant sind. 

Zur Person

Umberto Castra, Projektleiter PapaRat: Schweizerisch-italienischer Staatsbürger. Dipl. Sozialpädagoge an der Universität La Sapienza, Rom. 

Seit 1992 wohnhaft in Thun. Berufliche Stationen: Stationäre Suchttherapie in Thun, Nationales Projekt zur Suchtprävention des BAG, Familientherapie bei Stiftung Contact Bern. 

PapaRat 

Der PapaRat ist ein Gesundheitsförderungs- und Präventionsprogramm der Stiftung «Berner Gesundheit», das sich an Väter mit Migrationserfahrung richtet. PapaRat-Moderatoren organisieren und leiten Gruppengespräche in der Muttersprache von Vätern aus einer bestimmten Community. Dieses Setting wird aktuell Vätern aus Afghanistan, Äthiopien, Eritrea, Italien, Jordanien, dem Kosovo, Kroatien, Lateinamerika, Nigeria, Portugal, Somalia, Spanien, Sri Lanka, Syrien und Türkei angeboten. Der PapaRat wurde vom Kanton Bern vor 10 Jahren als Projekt in Auftrag gegeben. Seit 2023 läuft er nun als Programm, d.h. als langfristiges Angebot der «Berner Gesundheit».

www.bernergesundheit.ch 

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