Für «La Cage aux Folles» verwandelt sich der Sternensaal in ein schillerndes Nachtlokal

Zelebrierte menschliche Vielfalt

Christina Pfanner
Im Klassiker aus den Siebzigern werden aktuelle Gesellschafts-Themen glamourös aufgegriffen und reflektiert.

Foto: Foto: zvg

Einfach erklärt
Im Theaterstück «La Cage aux Folles» will ein junges Paar heiraten. Ein Elternpaar ist sehr konservativ, das andere ist schwul. Obwohl das Stück lustig ist, geht es dabei auch um ernste Themen.
Ein schwules, extravagantes Paar, ein verliebter und verlobter Sohn, erzkonservative Schwiegereltern und dazu viel Glitzer und Glamour: In der Komödie «La Cage aux Folles» prallen Welten aufeinander. Dass es dabei aber um mehr als seichte Unterhaltung geht, liegt Regisseur Alex Truffer am Herzen.

«Liebe kennt keine Grenzen» wird gerne behauptet und damit den Herausforderungen des realen Lebens wenig Rechnung getragen. Im Falle von Laurent und Muriel ist es aber noch eine Spur verzwickter: Die beiden wollen heiraten, weshalb sich ihre Eltern kennenlernen müssen. Muriel stammt aus katholisch-konservativem Elternhaus. Laurent hingegen wurde in einem bunten Haushalt liebevoll von Georges, seinem leiblichen Vater, und dessen Partner Albin aufgezogen – und Albin ist als Dragqueen «Zsa Zsa» der Star im hauseigenen Etablissement «La Cage aux Folles». Frömmlerische Engstirnigkeit trifft auf schillernde Extravaganz. Damit es nicht zum Eklat kommt, verlangt Laurent kurzerhand, dass Albin verschwindet. Die leibliche Mutter soll stattdessen her, der Haushalt auf unverdächtig getrimmt werden. Doch wie es meistens ist, lässt sich das wahre Leben nicht verstecken.

Sich selbst treu bleiben

«La Cage aux Folles» ist ein Klassiker, heute noch genauso aktuell wie zu Beginn der Siebziger, als Jean Poiret das Stück erstmals auf die Bühne brachte. Dass es dabei um weit mehr geht als nur um einen rasanten Klamauk und Pumpstragende, mit Strass behängte Männer, wird jedoch oft vergessen. Die Kernthemen gehen viel tiefer: Deutungshoheit, Druck aus der Gesellschaft, Treue sich selbst gegenüber, Sein und Schein. «Das kommt in vielen Inszenierungen nicht mehr rüber», bedauert Alex Truffer, Regisseur des Stücks, «dabei geht es um Macht und darum, sich selbst zu verleugnen, um der Gesellschaft gerecht zu werden. Das ist die Tiefenschärfe des Stücks und das versuche ich herauszukristallisieren.» Schlüsselmomente wie der, in dem Albin gebeten wird, zu gehen, können Hühnerhaut verursachen. Truffer sinniert: «Es hängt eine ganze Familie, ein ganzes System am Seidenfaden. Das soll man spüren. Es soll kitzeln.» Wenn die Leute das sehen und entdecken, im Anschluss darüber reden, dann habe er sein Ziel erreicht.

Vielschichtig und vielfältig

Alex Truffer ist für die Inszenierung von «La Cage aux Folles» genau der Richtige. In seiner langjährigen Arbeit als Regisseur ist er immer nah am Menschen geblieben und sucht das Doppelbödige, gesellschaftlich Relevante. «Sobald es eine schwarze Komödie ist, Satire, dann bin ich gern dabei», lacht er. Trivialer Klamauk und seichte Unterhaltung, nein danke. Trotz tiefergehenden Themen wird die Inszenierung im Sternensaal auf jeden Fall Spass machen. Der Sternensaal in Bümpliz wird kurzerhand ins Nachtlokal «La Cage aux Folles» verwandelt, schummrige Atmosphäre und Revuenummern inklusive. Alex Truffer und das gesamte Ensemble laden zum Dîner Spéctacle und zelebrieren einen Abend lang menschliche Vielfalt. Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Herkunft – das alles soll im Narrenkäfig nebensächlich sein. 

Zwistigkeit im Vorfeld

Dass das Stück nun Anfang September überhaupt zur Aufführung kommt und der Sternensaal die entsprechende Bühne bietet, ist nicht selbstverständlich. Ursprünglich war geplant, «La Cage aux Folles» im Psychiatriezen-trum Münsingen zu spielen, ein Veranstaltungsort, den Alex Truffer bereits aus früheren Zusammenarbeiten kannte. Doch dann kam die Pandemie dazwischen. Truffer und sein Team wurden zweimal vertröstet mit dem Ausblick, das Stück wieder aufnehmen zu können, sobald die Massnahmen das zulassen würden. Mit dem Wechsel der Zuständigen im PZM wollte man von diesem Versprechen nichts mehr wissen. Inmitten der Produktion wurde das Team vor die Türe gesetzt. Truffer erzählt: «Wir hatten das ganze Ensemble zusammen, hatten Kostüme geschneidert, sind mit dem Grafiker zusammengesessen. Wir waren mitten im Prozess.» Er wirft den Verantwortlichen im PZM Wortbruch vor. Denn pikant ist laut dem Regisseur: Die Begründung habe gelautet, dass keine Langzeitvermietungen an Externe mehr gemacht würden am PZM. Allerdings scheint das nur für «La Cage aux Folles» zu gelten – was Truffer stutzig macht. 

Aufgeben liegt ihm aber nicht. Allen Widrigkeiten zum Trotz schafft es «La Cage aux Folles» nun im September doch noch auf die Bühne. «Der Sternensaal ist toll, er hat etwas Cachet und lässt sich gut als Nachtlokal dekorieren», freut sich Alex Truffer nun. Auch sonst läuft alles nach Plan, «rund ums Schauspiel ist es entspannt, wir sind gut drin. Bei der technischen Umsetzung sind noch ein, zwei Knoten zu lösen.» Auch das wird gelingen, das Vertrauen ins Team ist gross. So steht der Premiere am 6. September nichts mehr im Weg. Und der Heirat von Laurent und Muriel am Schluss auch nicht. Liebe überwindet eben doch manchmal Grenzen.

Christa Pfanner

www.artandmusic.ch

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