«Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Die Angeklagten werden von sämtlichen Punkten freigesprochen, die Verfahrenskosten trägt die Klägerschaft.» So ähnlich hörte es unlängst eine Familie aus Bern. Sie hatten eine ältere Immobilie gekauft und beim Notar versichern müssen, dass sie die Liegenschaft gesehen haben und der Verkäufer sämtliche Mängel wegbedingt. Ausser jenen natürlich, die per Gesetz in einer Rügepflicht verbleiben: das Dach, das undicht war, die Leitung, die dringend ersetzt werden muss. Dazu meinte der Verkäufer nur, das halte schon noch ein ganzes Weilchen, das Haus stehe ja schon lange da und er habe deshalb den Preis tiefer angesetzt. Soweit korrekt. Die Familie ist trotzdem finanziell runiniert, das Haus mittlerweile unbewohnbar.
Das geschulte Auge
Das Allerschlimmste daran: Mit einer Immobilienfachfrau oder einem -fachmann hätte das verhindert werden können. Mängel werden bei einer professionellen Bewertung schonungslos aufgelistet, der Zustand wird beschrieben, die Gefahren erkannt und erwähnt. Auch jene, für die das Obligationenrecht keinen gesonderten Schutz vorsieht. Diese Mängel drücken nicht nur den Preis, sie sind womöglich auch Gründe, weshalb eine Liegenschaft erst saniert werden muss, bevor sie verkauft werden kann. Oder aber der Mangel wird als dringend zu beheben im Kaufvertrag aufgelistet. Immobilienfachleute kennen in aller Regel auch die Handwerker, welche solche Probleme beheben können. Der Laie bewundert die frischgestrichene Küche, der Experte entlarvt die «Bauernblende» und weiss, dass die Holzwand dahinter deshalb noch lange nicht wieder neu ist.
Das Ohr, das zuhört
Die meisten stolzen, neuen Eigenheimbesitzerinnen hegen Anpassungswünsche. Die italienische Dusche, die Kochinsel, das Bad en suite. Immobilienexperten können die Kosten abschätzen, die Planung aufgleisen und gute Partner in diesem Prozess empfehlen. Sie können aber auch auf Gefahren aufmerksam machen. Der Holzboden, welcher die schwere Sprudelwanne nicht tragen kann. Dafür aber kann das kleine Zimmer links vom Eingang zu einer kleinen Wellnessoase umgestaltet werden. Immobilienvermittler können aber auch dezente Äusserungen aufnehmen und Sie mit konkreten Ideen überraschen. Sie erfreuen sich an dem üppigen Grün der Quartierstrasse? Er greift ihre Freude auf und nennt ihnen jene Ecken der Liegenschaft, die sich über mehr Grün freuen würden.
Die feine Nase
Und wie erkenne ich nun jene Maklerinnen und Makler, die keine Geier sind? Ein mögliches Indiz kann sein, dass die Immobilienfirma Mitglied beim SVIT (Schweizerischer Verband der Immobilienwirtschaft) ist. Ein anderes, dass die Person eine anerkannte Immobilien-Ausbildung absolviert hat. Nicht zuletzt ist die Erfahrung der Firma ein Indiz für Seriosität. Es gibt fast so viele Immobilienbüros wie es Liegenschaften im Verkauf gibt, viele kommen und gehen. Manche bleiben, über viele Jahre und Generationen. Das ist kein Zufall, sondern das Resultat von seriöser Arbeit. Und all jenen Geizkrägen, welche sich die Provision sparen wollen, sei gesagt: Meistens schätzen die Eigentümer ihre Immobilie viel höher als die Bank. Das Angebot droht zum Ladenhüter zu verkommen. Oder aber man hat finanziellen Druck und senkt allzu voreilig den Preis. Hier geht es um hohe Summen. Diese übersteigen schnell die Provision eines Maklers, der in den Verhandlungen eine feine Klinge führt. Auch hier lohnt sich der Experte, der genau weiss, wie weit man gehen kann.
Im ganzen Leben hat man kaum je wieder mit solch einer hohen Summe zu tun wie beim Liegenschaftskauf. Es lohnt sich gerade deshalb, hier nichts dem Zufall zu überlassen. Es ist durchaus vergleichbar mit einem operativen Eingriff am eigenen Körper. Kaum jemand würde einem selbsternannten Hobby-Chirurgen gerne das Skalpell in die Hand drücken.