Hans Traffelet – Leiter Wirtschaftsförderung und Kulturprozent der Migros Aare

Wie der Westen Berns vom Kulturprozent profitiert

Thomas Bornhauser
Hans Traffelet und sein Nachfolger auf dem Gurten: Patrick Vogel.

Foto: zvg

Einfach erklärt
Einfach Erklärt – Hans Traffelet aus Bümpliz war 23 Jahre lang Chef auf dem Gurten. – Seit 1. Januar 2023 leitet er das Kulturprozent der Migros Aare. – Das Kulturprozent unterstützt viele kulturelle Veranstaltungen. – Auch in Bümpliz-Bethlehem.
Eine Vorbemerkung zu diesem Interview: Den Job, den Hans Traffelet – wohnhaft in Bümpliz, 1999 bis 2022 Leiter Gurtenpark – jetzt innehat (Leiter Wirtschaftsförderung und Kulturprozent der Migros Aare), der war mir selber während fast 30 Jahren bis zu meiner Pension 2013 vergönnt. Es ist auch der Grund, weshalb wir uns duzen. Und ich kann erst noch erfahren, wie mein ehemaliger Laden so läuft.

Hans, zurück zu den Wurzeln?

(Zieht die Augenbraue hoch, überlegt) Wie meinst du das?

Du bist seit dem 1. Januar 2023 unter anderem für das Kulturelle bei der Migros Aare für die Kantone Aargau, Solothurn und Bern zuständig, kommst aber aus einer Familie, in der man künstlerisch tätig war. Stichwort Fritz Traffelet.

(Schmunzelt) Wenn man es so sieht, ja. Mein Urgrossvater Fritz 1   war Maler und Gipser, seine Werkstatt befand sich an der Junkerngasse in Bern. Fritz 2, also mein Grossvater, betätigte sich auch als Maler, aber als Kunstmaler, weshalb er die eigentliche Werkstatt seines Vater nicht mehr benötigte und die Liegenschaft veräusserte. Fritz 3 wiederum nahm nicht den Pinsel, sondern das Stethoskop in die Hand, als Hausarzt in Uettligen, wo ich zusammen mit vier Geschwistern aufgewachsen bin.

An der Junkerngasse 22 in Bern erinnert eine Fassade an seine Wirkungsstätte. Schon mal dort gewesen?

Ja, aber nur kurz, als Teo Jakob dort noch einen Einrichtungsladen führte. Es war eine Zeitreise in unserer Familiengeschichte. Eine meiner Schwestern ist Kunsthistorikerin und fand, dass sich die Fassade in einem schlechten Zustand zeigte, verwittert. Zu unser aller Freude hat der heutige Besitzer die Aussenwand tipptopp restaurieren lassen.

In die Gegenwart: Früher wurde das Kulturprozent mit Unterstützungen in den Bereichen Wirtschaftliches, Soziales und Kulturelles definiert. Das Soziale fehlt heute. Nicht mehr aktuell?

Im Gegenteil. Wir haben bei der Migros Aare sogar eine Kommission für soziale Anliegen. Diese Leute betreuen und begleiten plus/minus 50 Projekte in den Kantonen Aarau, Solothurn und Bern mit jeweils grösseren Beträgen während maximal drei Jahren. Das Kulturprozent umfasst Kultur, Gesellschaft, Soziales, Bildung, Freizeit, Sport und Wirtschaft.

Wie viele Gesuche bekommt die Migros Aare pro Woche aus den drei Kantonen?

6000 (lacht), aber nicht pro Woche, sondern pro Jahr… Das ist die Zahl vor Corona, die wir heuer sicher wieder bearbeiten werden. Vorletztes Jahr waren es ungefähr 4500 Gesuche, weil viele Veranstaltungen ja nicht durchgeführt werden konnten.

Wer wird berücksichtigt, wer nicht?

Wir versuchen, vielen gerecht zu werden, vom Glücksfischen in Kitas über die Unterstützung von Schulprojekten bis hin zu grossen kulturellen Veranstaltungen. Das alles im Giesskannen-System. Nicht berücksichtigt werden aus dem Kulturprozent hingegen unter anderem Bauprojekte, Privatpersonen, Spitzen- und Elitesport. Wenn auf gewissen Sporttricots eine Migros-Marke zu sehen ist, hängt das mit Sponsoring zusammen, mit einem Marketing-Engagement wie beispielsweise SportXX. 

Was ist euch bei den Zusagen wichtig?

Dass wir bei vielen kulturellen oder sozialen Projekten eine echte Starthilfe leisten können. Mit anderen Worten: Wir unterstützen weniger die Arrivierten als die Newcomer mit klaren Vorstellungen. Das ist beim Kulturbüro Bern gut nachzuvollziehen. Wir haben es gegründet und auch geführt. Heute ist diese Institution selbständig und unabhängig, wird aber nach wie vor von Stadt und Kanton Bern unterstützt, wobei die Migros Aare die grösste finanzielle Partnerin ist. Im Kulturbüro gehen Kunstschaffende und angehende Künstlerinnen oder Künstler ein und aus, können von vorteilhaften Preisen für die Benutzung oder das Mieten von Material profitieren. 

Nun kann der Leiter nicht alles allein bewältigen. Wer hilft dir zum Beispiel im Bereich Kulturelles?

Das ist noch wie zu deiner Zeit. Lilian Schlatter kümmert sich um die grösseren Projekte, Heidi Möri um die vielen anderen Gesuche, die täglich eintreffen. Wir sind schlank und effizient geblieben. Das hat natürlich damit zu tun, dass beide Kolleginnen hochprofessionell arbeiten und uneingeschränktes Vertrauen geniessen.

Was ich nur bestätigen kann. Zu einem deiner Themenfelder: Was verstehen wir unter Wirtschaftsförderung?

Zum Beispiel die Unterstützungen bei den City-Vereinigungen oder die Volksfeste in den drei Kantonen, von denen wiederum die Bevölkerung profitieren kann.

Damit jetzt viele Lesende neidisch werden – und ich weiss, wovon ich rede, bei deinem Traumjob: Wie viel Geld steht dir alles in allem zur Verfügung?

Muss das sein?

Muss es…

Also: Ein halbes Prozent des Umsatzes nicht des Gewinns, das ist weltweit einzigartig der Migros Aare kommt dem Kulturprozent zugute, insgesamt etwa 16 Millionen Franken. Aber Achtung. Ein grosser Teil davon geht an die Klubschulen, damit möglichst viele Interessierte vom günstigen Kursangebot profitieren können.

Welches sind die wichtigsten Engagements?

Von der Anzahl her: viele. Sehr viele. Vom Betrag her: Rendez-vous Bundesplatz, welches wir 2023 wieder unterstützen werden. Eine halbe Million Menschen nehmen dies wahr.

Und aus dem Lesegebiet der BümplizWochen – wer wurde zum Beispiel 2022 berücksichtigt?

Praktisch ausnahmslos alle Gesuchsteller mit kleineren Beträgen. Schulen bei Sportlagern oder Landschulwochen. Aber auch die Bümpliz-Chilbi, Theateraufführungen im Sternen-Saal, die QBB  und andere.

Normalerweise werden Chefs erst nach 100 Tagen zum neuen Job befragt, du machst für uns die Ausnahme. Wo gibt es Parallelen zum Job als «Mister Gurten», den du seit 1999 innehattest, und zur heutigen Verantwortung? Und was ist total neu für dich?

Es gibt vielen Parallelen, denn immer hat man es mit Menschen zu tun. Kommunikation ist das A+O, man muss auf die Anliegen eingehen – und dann entscheiden, ob etwas machbar ist oder nicht.

Welche Frage habe ich dir nicht gestellt?

(Überlegt lange) Wie würde Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler  was für ein Pionier und Visionär das Kulturprozent in die Zukunft führen, das er selber ins Leben gerufen hat? Er war immer ein Radikaler. Wie würde er agieren? Diesen Geist unseres Gründers 1925 sollten wir uns zu Herzen nehmen. Ich werde deshalb mittelfristig mit einigen Leuten sprechen, welchen Weg wir gehen können – über meine Pension hinaus.

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