Thaibox-Vizeweltmeister aus Bethlehem

Verzicht und Belastung sind die stärksten Gegner

Salome Guida
Von Salome Guida - Redaktorin
Überlegen: Tim Schlapbach an der Muay Thai-WM 2024 in Patras.

Foto: zvg

Einfach erklärt
Tim Schlapbach macht Muay Thai. Das ist Thaiboxen. Er wohnt in Bethlehem und trainiert in Bümpliz bei Franz Schmutz. Dieses Jahr holte er an der WM die Silbermedaille. Er möchte Profisportler werden.
Er kämpft mit Händen und Füssen, Ellbogen und Knien – und ist darin Vizeweltmeister der Amateure. Tim Schlapbach ist auf dem besten Weg, Thaibox-Profisportler zu werden.

«Kunst der acht Gliedmassen» wird die Kampfsportart auch genannt, denn im Gegensatz zum Boxen setzen Thaibox-Kämpfer auch Ellbogen-, Knie- und Fusstechniken ein – was Muay Thai, wörtlich übersetzt «Kampfkunst der Thailänder», besonders vielseitig macht. Einer, der Muay Thai für sich entdeckt hat, ist Tim Schlapbach. 

Bümplizer Thaiboxschule seit fast 40 Jahren

«Eigentlich wollte ich schon immer mit Kickboxen beginnen, doch damals gab es noch kein entsprechendes Gym in der Nähe», erzählt er. Schlapbach wuchs in Bethlehem auf, wo er heute noch wohnt. Es war dann sein Bruder, der ihn auf das Wing Thai Gym Bern aufmerksam machte. Dort, in der Kampfsportschule an der Bümplizsstrasse 142, unterrichtet Franz Schmutz seit 1986 Muay Thai sowie das vor allem als Selbstverteidigung bekannte Wing Chun. «Thaiboxen wird immer populärer und Schweizer Kämpfer können immer häufiger internationale Erfolge erzielen», sagt der Bümplizer. Er gilt als Muay Thai-Pionier in der Schweiz; mit gerade mal 18 Jahren musste der heute 63-Jährige jeweils zwei- bis dreimal pro Woche nach Winterthur reisen, um trainieren zu können. Nach einer mehrmonatigen Ausbildungszeit bei den besten Kämpfern in Thailand gründete er, zurück in Bümpliz, seine eigene Schule. 

Von «ziemlich gut» zu Weltklasse

Vor zehn Jahren absolvierte Schlapbach bei Schmutz sein erstes Probetraining, «weil Muay Thai dem Kickboxen am nächsten ist». «Mir war schon bald klar, dass ich auch an Wettkämpfen teilnehmen möchte», schaut der 25-Jährige zurück. «Ich bin jemand, der Ziele braucht und diese dann erreichen und übertreffen will.» So könne er stets auf etwas hinarbeiten, werde besser und bleibe entsprechend motiviert. Bereits nach einigen Monaten intensiven Trainings stand er zum ersten Mal einem Gegner gegenüber. Es sei «ziemlich gut» gelaufen, weshalb immer mehr Wettkämpfe folgten. Letztes Jahr waren es deren fünf, dieses Jahr bis im Juli bereits vier. Darunter: die grösste Amateur-Weltmeisterschaft in Griechenland. Tim Schlapbach bewies in der Kategorie bis 75 kg über drei Kämpfe hinweg, dass er zu den Weltbesten gehört. Im Final unterlag er knapp dem Portugiesen Gonçalo Noites. 

Goodwill des Arbeitgebers

Der Amateur-Vizeweltmeister betont jedoch, dass solch ein Exploit nicht aus dem Nichts kommt: «Mein grösster Erfolg ist, der ganzen Belastung standzuhalten und über die Jahre trotz einiger Rückschläge motiviert zu bleiben.» Das sei der schwierigste Aspekt in seiner Kampfsportkarriere «und das, woran die meisten scheitern». Der Sport verlange einem viel ab, man müsse bereit sein, Prioritäten zu setzen. Was bedeutet, auf einiges zu verzichten. Obwohl Muay Thai seit 2020 olympisch anerkannt ist und der Schweizerische Verband SMTL seit 2023 Mitglied bei Swiss Olympic ist, kann man hierzulande noch nicht davon leben. Der gelernte Fachman für Bewegungs- und Gesundheitsförderung arbeitet im Marketing der Fusion Sports Academy in Bümpliz. «Mein Arbeitgeber fördert den Leistungssport», zeigt er sich dankbar. Er dürfe seine Arbeitszeit so organisieren, dass sein Training, die Wettkämpfe, die Arbeit und sein Sportmanagement-Studium zu vereinen sind. «Zwar nicht gut, aber es geht irgendwie.» Zeit für anderes bleibe jedoch kaum übrig. Dennoch legt er Wert darauf, seine Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen: «Für die Unterstützung aus meinem Umfeld, vor allem von meinen Eltern, aber auch von meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen. Sie ermöglichen es mir, die Zeit so einteilen zu können.»

Bald im wichtigsten Thaibox-Stadion der Welt

2023 gingen an der WM in Italien mehrere Medaillen an die Schweiz. Im Januar dieses Jahres, an der WM in Bangkok, nahmen 13 Teilnehmende aus der Schweiz teil und brachten viermal Gold, dreimal Silber und zweimal Bronze nach Hause – vier Medaillen gewannen übrigens Frauen. Muay Thai ist definitiv kein Nischensport mehr. Schlapbach strebt denn auch eine Profikarriere an, weshalb er über den Sommer in Thailand trainiert. Es ist bereits sein dritter Trainingsaufenthalt im Herkunftsland dieser Kampfkunst. Während sechs Tagen pro Woche stehen insgesamt zehn bis zwölf Trainingseinheiten auf dem Programm. Der Bethlehemer hat dabei immer sein nächstes Ziel vor Augen: «Ich möchte noch dieses Jahr in einem der bedeutendsten Thaibox-Stadien kämpfen.»

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