Die Kandidatinnen und Kandidaten bei Herzblatt mussten die gestellten Fragen nicht nur beantworten, sondern durch die Art ihrer Antwort brillieren. Mit Tiefgang, Humor und Respekt. So ähnlich hat es auch die «BümplizWochen» gemacht. Im Laufe dieses Jahres sind alle Kandidierenden für den Gemeinderat portraitiert worden. Von A wie Anderegg bis W wie Weyermann. Der Fokus liegt auf den Menschen. Für was brennen sie, wofür kämpfen sie und wie ticken sie? Was also nun noch fehlt, ist die Zusammenfassung des Gesagten. Nicht mit der erotischen Stimme von «Susi», die damals bei Herzblatt alle verzaubert hat, dafür mit wohlgeformten Worten.
Aus 9 mach 5
Wer sollen nun Ihre Herzblätter werden? Ursina Anderegg (Grüne), die Kennerin und Könnerin mit viel Vorwärtsdrang für Klimapolitik, Wohnungsbau und Migrationsfragen sowie dem sorgenfreien Blick auf die Finanzen. Béatrice Wertli (die Mitte), die es sportlich nimmt, sich dafür mit viel Kondition für den Marathon Politik und für mehr Sportplätze einsetzen will. Florence Pärli (FDP), die Zahlenjongleurin mit besorgtem Durchblick auf die Verschuldung und dem Können, diese wieder ins Lot zu bringen sowie die Wirtschaft zu stärken. Der erfahrene Nationalrat Matthias Aebischer (SP), der lieber seine Steckenpferde mitbringt, statt sich den Worthülsen von Wahlversprechen anzuschliessen. Bettina Jans-Troxler (EVP), die mehr als nur den Familiennamen mit dem Bundesrat gemein hat, weil sie bundesrätliche Kompromisse und Lösungen sucht. Nationalrätin Melanie Mettler (GLP), welche die Fesseln der Eintönigkeit von Rot-Grün mit mehr Farbe für Bern bereichern will; Lösungsansätze unter dem Motto «Bern kann mehr» inklusive. Der amtierende Stadtpräsident Alec von Graffenried (Grüne), der alles ist und sein kann, nur keine Frau, dafür aber bereit ist, sich auch weiterhin zu exponieren und hinzustehen. Marieke Kruit (SP), die amtierende Gemeinderätin, mit der Fähigkeit, so viele Brücken zu schlagen, wie es solche über der Aare hat, um die Stadtteile zu verbinden. Oder Lokalmatador Janosch Weyermann (SVP), der aus dem Westen für den Westen kandidiert und dem dank seiner tiefenentspannten Art weit über die SVP hinaus viel Sympathie entgegenschwappt.
Aus 535 mach 80
Von den neun Kandidierenden für den Gemeinderat stellen sich neben dem amtierenden Alec von Graffenried (Grüne) Melanie Mettler (GLP), Marieke Kruit (SP) und Janosch Weyermann (SVP) zur Wahl zum Stadtpräsidenten auf. Weitaus schwieriger ist die Wahl des Stadtrats für die Bevölkerung. 535 Personen kandidieren für die 80 Sitze. Ein Harem an Herzblättern. Die 19 Listen mögen da eine Hilfe sein, damit Frau und Herr Bümpliz ihre Interessen vertreten sehen. «Es wäre zum Wohle aller, wenn es etwas mehr Vielfalt im Parlament gäbe. Im Moment kommt es zu teilweise sehr diktatorischen Massnahmen, wie etwa, dass man überall nur noch vegetarisch essen darf, im Parlament, am Weihnachtsessen, einfach überall. Mir geht es nicht ums Essen, sondern um das Prinzip, dass man die Minderheiten einfach überrollt und bevormundet», sagt Stadtrat Thomas Glauser (SVP). «Bern ist eine Stadt mit hoher Lebensqualität, aber die muss für alle bezahlbar bleiben. Dafür braucht es eine Politik, die konsequent gegen hohe Mieten vorgeht und bezahlbaren Wohnraum schafft. Genauso wichtig ist es, dass alle Kinder – unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern – in den Schulen die gleichen Chancen erhalten. Wer ein Bern möchte, das niemanden zurücklässt, wählt eine soziale und gerechte Politik.» meint indes Stadtrat Chandru Sommasundaram (SP). Ob Gemeinderat oder Stadtrat – die übergeordnete Frage lautet, verliert Rot-Grün etwas von seiner Macht? RGM heisst der linke Block. Die Abkürzung könnte auch statt Rot-Grün-Mitte durchaus Rot-Grüne-Mehrheit heissen. Dem gegenüber steht der Block BGM (Bürgerlich, Grün, Mitte), bei dem wiederum das Grün nur stehen darf, weil die GLP dies auch im Namen trägt und die SVP immerhin ein Logo mit Gelb auf grünem Hintergrund hat.
Aus 2 mach 2
Mit drei Berichten im laufenden Jahr hat die «BümplizWochen» versucht, die richtigen Herzblatt-Fragen zu stellen. «Früh übt sich, wer gewählt werden will», hiess es im Frühjahr. Denn die Medien preschten vor, jonglierten mit Namen und dribbelten mit Annahmen. Vergeblich, viele Namen verschwanden wieder nach dieser Anfangshysterie. Dann folgte die grosse Nachricht, dass sich alle Bürgerlichen und Mitte-Parteien zu einem Block vereinen. «Meh Farb für Bern», hiess das Motto oder «Keine Wahl für Farbenblinde», wie es die «BümplizWochen» formulierten. Dann ging es um die Rolle des Stadtteils VI, dem grössten und ausgewogensten der Bundesstadt. Wer als Wahlsieger hervorgehen will, muss im Stadtteil VI gut abschneiden, so einfach ist das. Doch das funktioniert nur, wenn viele Bürgerinnen und Bürger aus Bern West sich dessen bewusst sind und auch wirklich an die Urne gehen. Herzblätter können nur verteilt werden, wenn diese die nötigen Stimmen erhalten. Doch genug des Rückblicks. Rot-Grün wird die Mehrheit behalten, die Frage ist eigentlich nur, ob die Mitte und die Bürgerlichen einen zweiten Sitz im Gemeinderat erhalten und im Stadtrat ein paar Stimmen mehr auf ihre Seite schlagen können. Und eine Binsenwahrheit obendrauf: Demokratie lebt von der Vielfalt und einem möglichst gesunden Abbild der Bevölkerung. Nur so kommen gut austarierte Lösungen aus dem Rathaus oder dem Erlacherhof. Wer sollen nun Ihre Herzblätter werden? Am 24. November verschiebt sich die Wand. Rudi Carrell würde sagen: «Und das sind Ihre Herzblätter».