Freiwilligkeit ist die Fähigkeit des Menschen, aus freiem Willen zu selbständigen Entscheidungen zu gelangen. Das Ergebnis daraus kann eine freiwillige und unentgeltliche Tätigkeit sein, als Bereicherung zur bezahlten Arbeit. So tut das Anne-Lea Berger bei der kostenlosen Rechtsberatung im Treffpunkt Untermatt in Bümpliz, einem der Projekte aus Bern West, das den Berner Sozialpreis erhielt. Die Anwältin ist Teil der Gruppe aus Juristinnen, Anwälten oder Studierenden, die Menschen mit einem erschwerten Zugang zu den Institutionen in rechtlichen Angelegenheiten betreut. «Viele der Menschen, die zu uns kommen, sind allein schon durch die Sprache eingeschränkt, zudem verfügen die wenigsten über ein Beziehungsnetz in diesem Bereich», sagt Berger und erwähnt, dass vor allem Beratung zu den Themen Migrationsrecht, Sozialversicherungen und Mietrecht gefragt sind. «Menschen mit diesen Voraussetzungen fühlen sich schnell unter Druck», ergänzt David Keller, auch er ein Anwalt im Team. «Der gleichberechtigte Zugang zum Recht ist in der Schweiz leider oft nur ein Wunschtraum, umso wichtiger ist ein niederschwelliges Angebot. Damit können wir diesen Menschen den Rücken stärken.»
Beratung ohne Anmeldung
Nebst dem ideellen Hintergrund seines freiwilligen Engagements sieht er auch einen Nutzen für sich: «Dass ich mir als Student auf diese Weise Praxis erwerben konnte, war mir sehr nützlich», sagt Keller. Berger betont: «Wir vertreten unsere Besuchenden nicht gegen aussen und vertreten sie nicht in einem Mandatsverhältnis.» Die Mitarbeitenden des Teams leisten eine erste rechtliche Beratung, verfassen im Namen ihrer Besuchenden Briefe, Gesuche oder leiten deren Anliegen an die zuständigen Stellen weiter. Ohne Kostenfolge und ohne Anmeldung zur Beratung, die immer am Mittwoch stattfindet. Ebenfalls ohne Kostenfolge und Anmeldung präsentiert sich das zweite ausgezeichnete Projekt. Ein Anlass, der einmal jährlich im Gemeindehaus der reformierten Kirche Bümpliz stattfindet. Gut möglich, dass dabei ein 12-jähriges Mädchen erste Gehversuche in Stöckelschuhen macht und daneben eine 80-jährige Dame ihren handgestrickten Pullover einer Studentin weitergibt. So soll es sein beim Projekt «FAIRkleiden – Der Frauen-
*kleidertausch». Mit dieser Idee gelangte Barbara Bregy von der Quartierarbeit der Kirchgemeinde vor zehn Jahren an den Trägerverein für die offene Jugendarbeit der Stadt (TOJ).
Kleidertausch als voller Erfolg
Seither organisieren die beiden Institutionen den Austausch von Kleidern, Schuhen, Accessoires oder Taschen unter Mädchen und Frauen. Dinge, die für viele sonst kaum erschwinglich wären und denen ein zweites Leben geschenkt wird. «Wir waren vor dem ersten Anlass sehr skeptisch, ob überhaupt genug Kleider zusammenkommen», blickt Bregy zurück. «Deshalb besorgten wir vorgängig gebrauchte Kleider in unserem privaten Umfeld.» Es wäre nicht nötig gewesen, denn bereits der erste Anlass war ein voller Erfolg und ist seither ständig gewachsen. Besonders erfreulich ist für Bregy, dass sich von Anfang an viele Freiwillige engagiert haben – «und in den letzten Jahren immer mehr innerhalb des Organisationskomitees.» Eine dieser Freiwilligen ist Marilena Schumann; sie besuchte seinerzeit den Anlass, war angetan von der offenen Atmosphäre und gehört seitdem dazu. «Wir Freiwilligen haben zwar alle eine ähnliche Ausrichtung unserer Motivation, trotzdem bringt jede ihre persönlichen Ideen ein. Die eine ist stärker vom sozialen Aspekt geprägt, für die andere steht die Nachhaltigkeit im Vordergrund. Das macht den Anlass so vielfältig und spannend für alle.» Mit der Preisvergabe wurde ein starkes Zeichen der Wertschätzung gesetzt oder, wie Anne-Lea Berger es ausdrückt: «Es ist schön, dass die Wirkung der Freiwilligenarbeit dadurch in der Wahrnehmung nach aussen gestärkt wird.»