«Der Kirchgemeinderat und die Mitarbeitenden des Pfarrteams haben sich schon im Vorfeld der Abstimmung klar für die Eigenständigkeit ausgesprochen», bestätigt Andreas Rossi, Vizepräsident des Kirchgemeinderats. Der Hauptgrund: «Wir befürchteten, dass das Ensemble Bethlehem für den mit der Fusion neu entstehenden Kirchenkreis Bern-West zu teuer würde.» Konkret: dass die Kirche Bethlehem mit ihren rund 3000 Mitgliedern mittel- bis längerfristig geschlossen bzw. mit Bümpliz-Oberbottigen zusammengelegt würde. Doch auch ohne dieses Worst-Case-Szenario sahen die Verantwortlichen sowie eine klare Mehrheit der Abstimmenden in Bethlehem ihren kirchlichen Auftrag in Gefahr; er würde bei einer Fusion nicht mehr so ausgeführt werden können wie bisher, weil die Autonomie verloren ginge.
Hoher Aufwand, wenig Mitglieder
Doch warum soll es überhaupt zur Fusion kommen? In der Abstimmungsbotschaft ist vom Rückgang der Mitgliederzahlen die Rede, von finanziellen und administrativen Herausforderungen. So sei die Fusionsidee seit 2010 immer stärker konkretisiert worden. «Durch die Zentralisierung administrativer Aufgaben können sich die einzelnen Kirchgemeinden (…) verstärkt auf das kirchliche Leben konzentrieren», heisst es. Und: «Die Fusion stellt keine Vorentscheidung über die zukünftige Nutzung oder den Verkauf kirchlicher Liegenschaften dar.» Der Bethlehemer Kirchgemeinderat sieht das anders. «Wir sind sehr nahe an Bümpliz und Oberbottigen. Es hiess schon seit längerem, die vielen kirchlichen Gebäude in Bern West kosteten viel im Unterhalt. Eine Zeit lang hörte man sogar, unsere Kirchgemeinde solle entwidmet werden.» Denn die Gebäude gehören dem Kirchmeieramt, das die Verwaltungsfunktion innehält. Die Liegenschaftsstrategie 2022 des Grossen Kirchenrats – der Legislative – besagt, das Ensemble Bethlehem zu entwickeln und zu verändern. «Doch das war vor der Fu-sion», so Rossi. Er betont: «Wir sind eine Quartierkirche und engagieren uns stark sozial. Bei einer Zentralisierung bestimmen andere, in welche Richtung wir uns ausrichten müssen.»
Klares Nein zur Fusion
Rossi ist nicht allein mit diesen Befürchtungen. Seit mehreren Jahren befasst sich der Kirchgemeinderat mit einer möglichen Fusion, in Retraiten wurden Vor- und Nachteile abgewogen, an Kirchgemeineversammlungen diskutiert. So auch an der letzten, an der es zur Abstimmung kam: Würde Bethlehem, sofern die Fusion an der stadtweiten Urnenabstimmung durchkommt, beitreten? Das Resultat war deutlich: Von 117 Anwesenden stimmten 102 gegen die Fusion und für die Eigenständigkeit, nur 13 waren für einen Beitritt zur Kirchgemeinde Bern. Auch kurz darauf, an der Urne, legten von 464 Abstimmenden 304 ein Nein zur Fusion ein.
Viel Arbeit für Kirchgemeinderat
Doch wie sieht es mit dem Mitgliederschwund in Bethlehem aus, und hat die jüngste Stadtberner Kirchgemeinde – die Kirche wurde erst 1965 eröffnet – genug Leute, die auch Verantwortung übernehmen wollen? «Nein, das ist auch bei uns ein Problem», gibt Rossi zu. Der Kirchgemeinderat etwa sollte sieben Mitglieder umfassen. Im Moment sind es vier. Zwei davon, Andreas Rossi und Kathrin Buchmann, werden ab August offiziell das Co-Präsidium bilden. «Das ist ein guter Test, um zu zeigen, wie wir funktionieren», so der aktuelle Vize pragmatisch. Dass der Entscheid zur Eigenständigkeit gut durchdacht und breit abgestützt ist, stimmt ihn zuversichtlich. Und er betont: «Die weitere Eigenständigkeit heisst für uns nicht Isolation.» Man wolle sich vernetzen und möglichst bald den Austausch suchen. Mit Bümpliz arbeite man schon jetzt zusammen. Eine grosse Herausforderung werden die Bereiche sein, die im Moment das Kirchmeieramt übernehme, namentlich die Verwaltung der Liegenschaften. An der Kirchgemeindeversammlung hätten einzelne darauf hingewiesen, dass bei einem Alleingang viel Arbeit auf den vierköpfigen Gemeinderat zukomme. «Das ist so, das ist ein berechtigter Einwand», so Rossi. Und zeigt die Sichtweise der Leitung auf: «Man kann die Eigenständigkeit entweder als Risiko oder als Chance sehen. Wir stellten in einem längeren Prozess fest, dass wir sie in den wichtigsten Punkten als Chance sehen.»
Trotz viel Arbeit und grossen Herausforderungen: Rossi sieht die Hauptaufgabe der Kirchgemeinde Bethlehem nach wie vor in der Erfüllung des kirchlichen Auftrags unter den vier Punkten Bildung, Gemeinschaft, Glaubenspflege und helfendes Handeln. Gleichzeitig, sagt er, arbeiteten sie daran, auch den Gottesdienst zeitgemässer zu gestalten. Er sieht die Eigenständigkeit auch dafür als Chance: «Wir nutzen sie als Anstoss, unsere Ausrichtung neu zu überdenken. Wie kann unsere Kirche lebendig, ansprechend und zeitgemäss sein?»