Würde Aebischer diese Legislatur noch ordentlich beenden, hätte er satte 16 Jahre im Nationalrat politisiert. Doch nun stellt sich der gebürtige Schwarzenburger der Gemeinderatswahl von Bern. Bei ihm ticke die Uhr, deshalb suche er nach einer neuen Herausforderung, zwitschern die politinteressierten Spatzen von den Biberschwanzziegel-Dächern der Altstadt. Doch im Gespräch mit dem ehemals so bekannten TV-Gesicht wird schnell klar: Da ist weit mehr Motivation zu spüren als die blosse Sorge um ein Leben nach dem Nationalrat.
Bildung als Schwerpunkt
«Mich reizt ein Exekutivamt schon lange. Es gab bereits frühere Anfragen der Partei, aber damals war ich noch zu wenig lang im Nationalrat. Ich wollte das politische Handwerk zuerst besser lernen», sagt Aebischer und fügt an: «Als Person liegt mir das Führen von Menschen und ich kann als Kopf einer Gruppe organisieren; Aufgaben, die ich schon aus meiner Zeit als Lehrer und Journalist kenne.» Von wegen amtsmüde oder gar politverdrossen. Der SP-Nationalrat sprüht vor Energie. Mit Blick auf seine Nationalratskarriere wird schnell klar, dass Kultur, Sport und soziale Angebote so etwas wie seine Steckenpferde sind und wohl auch als Gemeinderat bleiben werden. «Nach 14 Jahren wiederholt sich manches im Nationalrat. Es ist gut, wenn nun Jüngere nachrücken», betont er.
Mehr Unterstützung geht nicht
Jüngere Frauen, möchte man fast denken. Denn keine andere Partei achtet so genau darauf, dass Frauen angemessen in allen politischen Gremien vertreten sind. Ist das für seine Gemeinderatskandidatur ein Nachteil? Oder ist das gar ein Grund, weshalb er nicht gleich als Stadtpräsident kandidiert? «Ich komme aus einer SP-Familie, ich kenne die Partei seit 50 Jahren und damals wie heute bin ich mit der Partei sehr zufrieden», hält er fest, ehe er auf das Frauenthema eingeht: «Zum Glück ist die SP eine Frauenpartei. Ohne SP gäbe es viel weniger Frauen in der Politik und ohne meine Partei wäre ich nicht Nationalrat geworden.» Was das Amt des Stadtpräsidenten angeht, da ist für Aebischer klar, «dass Marieke Kruit mit ihrer Erfahrung aus dem Gemeinderat die geeignete Kandidatin ist. Diese Frage hätte sich nur gestellt, wenn sie nicht angetreten wäre.» Dennoch, die bereits genannten Spatzen auf den Altstadtdächern zwitschern auch, dass er einen etwas einsameren Wahlkampf führt als seine SP-Kollegin. Doch da winkt der Polit-Routinier ab: «Das Gegenteil ist der Fall. In meiner gesamten Karriere bin ich noch nie so gut unterstützt worden wie bei dieser Kandidatur. Die SP ist für mich die Partei, welche die edelsten Anliegen hat und sich für alle Menschen einsetzt.»
Was darf man von ihm erwarten
Die SP und Aebischer, das passt also seit 50 Jahren. Frauen hin oder her. Dennoch hatte Aebischer nicht immer die gleiche Meinung wie seine Partei. In einem Punkt ist ihm die SP sogar über die Jahre gefolgt: in der EU-Frage. «Ich war früher als Gegner eines EU-Beitritts in meiner Partei die Ausnahme. Heute sind wohl jene die Ausnahme, die nach wie vor eine EU-Abstimmung wollen», schmunzelt er. Weitsicht und Erfahrung, die er nun als Gemeinderat mit in die Bundesstadt bringen könnte. Doch Aebischer relativiert: «Ich künde nicht an, den Hebel umzulegen und alles besser zu können. Viel mehr kenne ich meine Steckenpferde und nehme die mit. Chancengleichheit ist so ein Schwerpunkt. Ich möchte, dass alle Kinder und Jugendlichen den gleichen Zugang zur Bildung haben. Auf dem Papier haben wir das, in der Realität jedoch nicht.»
Das gilt besonders für den Westen von Bern. Ein Stadtteil, den Aebischer bestens kennt: «Noch als Kind traf ich oft auf die Fussballer des FC Bümpliz oder FC Bethlehem, man ging dort auch in die Disco. Später traf ich auf viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Stadtteil VI, als ich das Lehrerseminar absolvierte, und heute bin ich fasziniert, wie sich dieser Teil der Stadt entwickelt und dennoch seine Eigenheit behält.» Und der Metzger von Bümpliz ist ihm auch bestens bekannt, wie er wenig später in einer Anekdote verrät.
Matthias Aebischer tritt am 24. November mit besten Chancen an. Vielleicht auch gerade deshalb, weil er lieber mit seinen Steckenpferden argumentiert, statt die grossen Wahlversprechen runterzubeten.