Ein berner Verein sensibilisiert und verbindet

Mehr offline, mehr Leben: Smartphonefreie Kindheit

Helene Wieland
Alexandra Berchtold setzt sich für eine gesunde Kindheit ein.

Foto: zvg

Einfach erklärt
Alexandra Berchtold hat den Verein «Smartphone-freie Kindheit» gegründet. Viele Eltern möchten, dass ihre Kinder erst ab 14 ein Smartphone haben. Im Verein finden sie Unterstützung.  
Die Digitalisierung dringt beinahe in alle Lebensbereiche ein. Eltern, die ihren Kindern eine möglichst lange Smartphone-freie Kindheit ermöglichen möchten, stehen zunehmend unter Druck. Der Verein «Smartphone-freie Kindheit Schweiz» will hierfür sensibilisieren und Eltern Mut machen.

Das Ziel von «Smartphone-freie Kindheit Schweiz» ist es, Eltern zu vernetzen, die ihren Kindern eine längere Kindheit ohne Smartphones bieten möchten – nicht aus einer ablehnenden Haltung gegenüber Technologie, sondern aus dem Wunsch heraus, den Kindern mehr Zeit und Raum für authentische Erfahrungen und soziale Interaktionen zu geben. Dabei steht nicht das Belehren im Vordergrund, sondern das Angebot einer unterstützenden Gemeinschaft, wie die zweifache Mutter Alexandra Berchtold, Gründerin des Vereins, betont. «Viele Eltern stehen unter Druck: Eigentlich möchten sie ihren Kindern noch kein Smartphone geben, doch weil es alle anderen tun, sehen sie sich dazu gezwungen. Genau diese Eltern möchten wir erreichen, sie stärken und ihnen vermitteln, dass sie mit diesem wichtigen Thema nicht allein sind.» 

In den Startlöchern
«Wir haben gerade erst gestartet. Es gibt noch viel zu tun», sagt Berchtold voller Tatendrang. Die Webseite der Bewegung ist Ende November live gegangen und wird weiter ausgebaut. Neben einem geplanten Newsletter besteht derzeit auch eine WhatsApp-Community für Eltern, welche in verschiedene Kantone unterteilt ist, sodass Eltern in ihrem direkten Umfeld Gleichgesinnte finden und sich austauschen können. «Ich weiss um die Ironie, dass der Austausch ausgerechnet über eine WhatsApp Gruppe erfolgt. Aber wir müssen die Leute dort erreichen, wo sie sich im Alltag aufhalten.»

Globale Entwicklung
Das Netzwerk ist inspiriert von einer Bewegung, die ihren Ursprung in Grossbritannien hat und mittlerweile auch in vielen anderen Ländern wie Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada und den Vereinigten Staaten Fuss gefasst hat. «Das zeigt, dass es sich um eine weltweite Bewegung handelt», erklärt Berchtold. «Überall setzen sich Eltern dafür ein, den Kindern eine Kindheit ohne Smartphones zu ermöglichen, weil sie davon überzeugt sind, dass die Kindheit schützenswert ist. Die negativen Auswirkungen einer übermässigen Nutzung digitaler Geräte sind mittlerweile gut bekannt: Kinder bewegen sich weniger, schlafen schlechter und ihre emotionale Entwicklung wird beeinträchtigt. Ich möchte, dass meine Kinder ein Bauchgefühl für andere Menschen und Situationen entwickeln und lernen, wie man im realen Leben kommuniziert. Denn gesunder Menschenverstand wird nicht über einen zweidimensionalen Bildschirm erlernt, sondern durch persönliche Beobachtungen und echte Erfahrungen.»

Investition in unsere Zukunft
Für Berchtold ist ihr ehrenamtliches Engagement eine Herzensangelegenheit. «Es macht mich traurig, wenn ich junge Menschen sehe, die nebeneinandersitzen und die soziale Interaktion im Internet der persönlichen Kommunikation vorziehen. In diesem Zuge können auch wir Erwachsene unser eigenes Verhalten hinterfragen: Welche Botschaften geben wir unseren Kindern, wenn wir selbst bei jedem Bling des Smartphones unsere live-Interaktionen unterbrechen?» Dem Verein ist es wichtig, die Digitalisierung nicht abzulehnen. Technologie bietet viele Vorteile, und junge Menschen sollten in der Lage sein, diese zu nutzen, wenn sie reif genug sind. 

Ein weiteres Anliegen der Initiative ist es, den Eltern die Verantwortung zu überlassen, wann und wie ihre Kinder digitale Geräte nutzen sollten. Dabei geht es nicht nur darum, Bewusstsein zu schaffen, sondern auch konkrete Lösungsansätze anzubieten. «Ein Smartphone ist mehr als nur ein Telefon – es ist ein Mini-Computer, der Zugang zu einer Vielzahl von Informationen und Inhalten bietet, die nicht zwingend altersangemessen sind, weil der Jugendschutz im Internet nicht greift», erklärt Berchtold. «Daher empfehlen wir, dass Kinder bis zum 14. Lebensjahr mit einfachen Geräten, sogenannten Starter Phones, ausgestattet werden, die ausschliesslich als Telefon genutzt werden können. Smartphones sollten erst ab dem 14. Lebensjahr zur Verfügung gestellt werden, und Social Media-Plattformen sollten nach Möglichkeit erst ab einem Alter von 16 Jahren zugänglich sein.» Diese Empfehlungen sollen den Kindern Zeit geben, sich in der realen Welt zu entwickeln, bevor sie in die digitale Welt eintauchen. Die Botschaft von Berchtold ist klar: Die Kindheit ist zu wertvoll, um sie vor einem Bildschirm zu verbringen.

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