Premiere von «La cage aux folles – ein Käfig voller Narren»

Homophobie – Hysterie – Sympathie

Sacha Jacqueroud
Von Sacha Jacqueroud - Chefredaktor
Die Schauspielenden von La Cage aux Folles

Foto: Foto: zvg

Einfach erklärt
La Cage aux Folles – ein Käfig voller Narren heisst das Theaterstück, das Regisseur Alex Truffer mit seinem Team im Sternensaal Bümpliz aufführt. Auf witzige und traurige Art handelt es von der Angst vor Homosexualität.
Herzlich willkommen im wohl verrücktesten Nachtclub Frankreichs aus den 1970er Jahren – willkommen im Sternensaal Bümpliz. Die Verschmelzung von Hier und Heute zum Damals und Gestern geschieht fliessend und macht klar, dass dieses Kultstück auch 47 Jahre nach seiner Uraufführung nichts an Aktualität eingebüsst hat. Leider.

Und plötzlich wird es mucksmäuschenstill im Nachtclub Bümpliz. Der frenetische Applaus verebbt, die Show ist eigentlich vorbei, auf den Tischen zeugen gut befeuchtete Taschentücher von einem langanhaltenden Amüsement. «Mein Weg ist mein Weg, ist mein Weg. Und kein Schritt führt dich jemals mehr zurück. Mein Weg ist mein Weg, ist mein Weg. Mit Schatten und mit Tränen. Mit Lachen und mit Glück. Mein Weg ist mein ureigener Weg.» Eine Botschaft wollen Regisseur Alex Truffer und sein Ensemble mitgeben. Wie es sich für diese bunte Truppe gebührt, tun sie das in Form eines Lieds. «Mein Weg» von Klaus Hoffmann.

Diskriminierte Menschen

Die Gäste nehmen die Melancholie mit nach Hause, die hinter den zweieinhalb Stunden Klamauk verborgen liegt. Müsste so ein Stück, in dem Beziehungen zwischen Männern Thema sind – egal in welcher Kleidung sie nun stecken – nicht längst überholt sein? Das Verblüffende ist, dass Szenen aus den  1970er  Jahren so aktuell sind wie die Nachrichten von morgen.  Anliegen der LGBT-Gemeinschaft wie Ehe für alle, «Hate Crimes», Adoption von Kindern sowie Homosexualität und Kirche sind in der Schweiz nach wie vor umstritten. Als der Clubbesitzer Georges mit seinem Partner Albin die Wohnung ummöbeliert, damit die erzkonservativen Eltern von Georges zukünftiger Schwiegertochter keinen Schock erleiden, prangt ein wuchtiges Jesuskreuz an der Esszimmerwand. Kein Zufall, sondern eine ganz aktuelle Botschaft an die Gotteshäuser, endlich mehr Akzeptanz zu zeigen.

Mit Klasse überskizziert

Als sich nach der Pause der Vorhang lüftet und das Publikum erstmals sieht, wie sich die Wohnung von Georges und Albin verwandelt hat, reicht alleine der Anblick für schallendes Gelächter. Nicht weil der Raum übertrieben ist, sondern weil niemand dem sympathisch-schrillen Pärchen zutraut, die Rolle von biederen Eltern des Sohns Laurent durchzustehen. Schon alleine das Halten einer Teetasse entwickelt sich für Albin zur «Mission impossible». Es bessert sich auch nicht, als sich die beiden Arnold Schwarzenegger zum Vorbild nehmen. Gerade der etwas überdrehte Albin, der allabendlich als Star des Nachtclubs mit dem Künstlernamen «Zaza» auftritt, ist eine veritable Diva. Schauspielerisch gibt es kein Augenzwinkern lang Zeit, etwas zu verpassen. Jede Handbewegung, jeder Hüftschwung, jede Geste akzentuiert, wofür Zazas Herz schlägt. Doch Erholung vor Lachern gewähren auch alle anderen Künstler kaum. Alles überskizziert? Ja absolut und das ist deshalb so witzig, weil es vorzüglich inszeniert ist. Um es mit einem Hauch Obszönität zu sagen: Verspielt gleiten die Botschaften sozusagen widerstandslos ins Publikum. Aus dieser Leichtigkeit wächst die Sympathie. Und aus Sympathie wird irgendwann Liebe; um die geht es letztendlich und sie gewinnt auch in diesem Stück schluessendlich die Oberhand.

Musikalische Leckerbissen

Immer wieder verlässt das Ensemble die Wohnung und der Sternensaal als Ganzes taucht ins glitzernde Scheinwerferlicht von «La Cage aux Folles». Die Auftritte  könnten auch jederzeit mit dem Niveau französischer Nachtclubs mithalten. Musikalische Leckerbissen aus den 1970er Jahren, mit aufwändigen Tanzchoreographien versehen, lullen die Gäste ein. Sie verschmelzen mit dem Ensemble zu einem veritablen Club. Ganz gewollt. Die Schauspieler beziehen das Publikum immer wieder mit ein. Bekannte Lieder werden mit französischen Texten versehen. Freddy Mercurys Songs (Queen) zum Beispiel erhalten dadurch eine ganz spezielle Note: «The show must go on – le spectacle doit continuer». Das im Duett gesungene Stück markiert zu Beginn bereits eine erste Botschaft. Aufgeben gilt nicht, Georges und Albin zeigen sich voller Liebe zu Sohn Laurent und springen über ein Heer an Schatten, um seiner Liebe nicht im Wege zu stehen. Die Musik verstärkt die Emotionen und transportiert die Botschaft.

Liebe ist Liebe

«Und wie von selbst wird alles um dich leicht. Die Härte schwindet und dein Herz wird weich. Und plötzlich siehst du Augen, die dir Liebe geben woll’n. Gesichter, die dich anschauen, die dich wie ein Gast nach Hause holen.» Klaus Hoffmann’s Stück «Mein Weg» lässt an jeder Stelle des Textes offen, wessen Augen mit wem zusammenkommen. Geschlechter fallen weg, Menschen kommen zum Vorschein; liebende Menschen. Genau um diese geht es bei «La Cage aux Folles». Und weil das ganze Ensemble selbst mit viel Liebe 

spielt, überskizziert, singt, tanzt, streitet, sich versöhnt und wieder weitergeht, verwandelt sich der Sternensaal in Bümpliz zu einem Ort der Leichtigkeit; einer Leichtigkeit des Seins. Ein Geschenk ans Publikum in einer Zeit, in der die Leichtigkeit nicht immer so leicht zu finden ist. So wird aus Homophobie und ein wenig Hysterie immer mehr Sympathie. «Mein Weg ist mein Weg, ist mein Weg. Und kein Schritt führt dich jemals mehr zurück. Mein Weg ist mein Weg, ist mein Weg. Mit Schatten und mit Tränen. Mit Lachen und mit Glück. Mein Weg ist mein ureigener Weg.»

 

Die weiteren Vorstellungen

Es gibt noch ein paar Vorstellungen, die nicht ausverkauft sind:

Freitag, 15. September

Samstag, 16. September

Mittwoch, 20. September

Freitag, 22. September

Samstag, 23. September

Sonntag, 24. September

Samstag, 14. Oktober

Sonntag, 15. Oktober

Tickets: artandmusic.ch

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