Graue Kiesgärten, eintönige Rasenflächen, ein paar triste kleine Beete und immer wieder der unvermeidliche Kirschlorbeer als Sichtschutz und Abgrenzung zu Nachbars Garten: Gärten in Schweizer Dörfern und Städten trumpfen auch in den Sommermonaten viel zu selten mit Vielfalt und Farbe auf. Wie anders könnte das aussehen, gerade in Zeiten, in denen Themen wie Nachhaltigkeit, Artenvielfalt und Klimawandel omnipräsent sind. Ruth Sutter liegt genau dieses Umdenken am Herzen. Dass es dabei nicht nur um etwas mehr Farbe in den Vorgärten geht, ist ihr wichtig. «Für mich steht nicht der Mensch zuvorderst, sondern die Natur. Eigentlich ist es eine Katastrophe, dabei ginge es nicht nur um die Ernährung, sondern auch um Biodiversität, Insekten, gesunde Böden», erzählt die Belperin, «ich will das Bewusstsein fördern dafür, dass wir die Rasenflächen, die wir haben, auch nutzen können.» Mit ihrem Projekt Horterre – zusammengesetzt aus Horto (Garten) und Terra (Land) – will sie Gärten und Gärtnerinnen zusammenbringen.
Zeit sucht Platz sucht Zeit
Einen vielfältigen und artenfreundlichen Garten zu pflegen, ist aufwändig. Es sollte immer etwas blühen und Nischen haben, etwa aus Steinen oder Ästen, damit ganz unterschiedliche Tiere sich verstecken, nisten, jagen, fressen oder wühlen können. Mit Horterre sollen Menschen Unterstützung erhalten, die einen Garten haben, aber zu wenig Zeit, um ihn zu bewirtschaften. Und Menschen ohne Garten, die gerne mit anpacken wollen und ihren grünen Daumen erproben, sollen Platz erhalten. Die Grundhaltung muss jedoch auf beiden Seiten stimmen: naturnah, divers, ressourcenschonend, giftfrei. Seit fünf Jahren ist die Plattform online, seit zwei Jahren wird pro Inserat ein kleiner Tarif verrechnet, nicht zuletzt, um die Verbindlichkeit zu stärken. «Es ist seriöser geworden dadurch, das ist auch etwas befriedigender», so Ruth Sutter. Schweizweit wird bereits fleissig gesucht nach Gärten und Gärtnern. Ruth Sutter hofft, dass es noch mehr werden. Sie hat in den Aufbau des Projekts viel Herz und Zeit investiert und freut sich über jede erfolgreiche Vermittlung. Eigentlich laufe die Seite autonom, berichtet sie, oft höre sie nach erfolgreichen Kontakten nur, dass das Inserat nun weg könne. Oft hört sie auch gar nichts. Erfolgreiche Vermittlungen kamen etwa schon in Bümpliz zustande, andere Gärten rund um Bern warten noch auf motivierte Menschen mit grünem Daumen.
Gemeinsam ist mehr möglich
Eine, die dankbar ist um das Angebot, ist Lexa Reusser. Die alleinerziehende Mutter lebt in Lanzenhäusern, hat einen riesigen Blumen-, Obst- und Gemüsegarten. Viel Aufwand neben Erwerbsarbeit und Familie. «Ich würde es lieben, etwas Gemeinschaftliches zu machen. Ein zweiter Aspekt ist, dass ich es alleine fast nicht stemmen kann», erklärt sie ihre Motivation. In welcher Form die Gartenarbeit im Permakulturgarten organisiert wird, ist für sie eine Frage der Absprache. Zusammen jäten, säen, setzen während gemeinsamen Gartenzeiten oder einzelne Beete nebeneinander und individuell bepflanzen ist für Lexa Reusser beides denkbar. «Allerdings wäre es schön, wenn auch im zweiten Jahr noch Elan da ist», lacht sie. Mitdenken ist erwünscht, ein gutes Miteinander ebenfalls. Schliesslich gehören auch Themen wie Materialpflege, Neuanschaffungen von Geräten und der ständige Kampf gegen wuchernde Winden zum Gärtnern dazu. «Es macht Sinn, das nicht alleine zu machen», ist sie überzeugt.
Auch Neueinsteiger willkommen
Auch Judith Meili aus Guggisberg freut sich auf helfende Hände im Garten. Neben der Familienarbeit führt sie eine logopädische Praxis, Zeit für die Gartenarbeit muss sie sich sehr bewusst nehmen. Ob sich jemand mit Erfahrung oder ein Neueinsteiger melden sollte via Horterre spielt für Judith Meili keine Rolle. Sie weiss genau, in welcher Ecke ihres Gartens welches Gemüse am wohlsten ist und freut sich, wenn sie ihre Erfahrung und ihr Wissen teilen kann. Kürbis, Mangold, Winterettich, Federkohl, Rotkohl, Zwiebeln, Lauch und Randen wachsen beinahe von alleine. Sie freut sich jedoch auch über neue Vorschläge. Fläche und Aufwand sind gross in Judith Meilis Garten, ihre Freude am gärtnern ebenfalls. Trotzdem macht sie sich Gedanken. «Ich stelle mir die Frage was wird sein, wenn ich eines Tages nicht mehr bin. Ich will nicht, dass hier einfach Gras wächst», erklärt sie, «es ist besser, wenn man zu zweit ist, so dass jemand unterstützen und übernehmen kann. Es soll gedeihen.»
Es ist der richtige Augenblick: Der Frühling macht sich bereits bemerkbar, die Gärten erwachsen aus dem Winterschlaf. «Die Leute müssen langsam wieder an den Garten denken», so Ruth Sutter. Und unabhängig, ob es Menschen mit Erfahrung oder begeisterte Neueinsteigerinnen mit Hacke, Giesskanne und Saatgut nach draussen zieht, Ruth Sutter freut sich für sie alle, denn: Gärtnern macht glücklich. Und gemeinsames Gärtnern erst recht.
Christa Pfanner
INFO:
www.horterre.ch