Es ist laut, es ist lustig, es ist lieblich. Ein Haufen kreativer Menschen vor der Probe.
Dann die ersten Übungen. Aufgestellt im ganzen Theatersaal Bümpliz und gegenüberstehend. Peinlich. Plötzlich muss ihnen etwas fürchterlich peinlich sein. Das sieht man im Gesicht, aber auch im Körper. «Und hier, hier ist es viel, hier lässt man es zu», sagt Regisseurin Lea Leuenberger und zeigt auf die Körpermitte. Man muss es erfühlen, sein, was man vorgibt zu sein.
«Wenn ihr es spürt, dass es ankommt, dürft ihr es übernehmen», so die Regisseurin weiter. Und sie übernehmen. Plötzlich ist es still, der Saal ist bedrückend. Doch nicht lange, nun muss man sich etwas Lustiges erzählen. Doch darzustellen gilt es den Moment unmittelbar, bevor man zu erzählen beginnt. Es wird samäs-sig lustig. Auf Befehl? Das klappt. Wenn man lang genug lacht, wird es nicht mehr nur gespielt, sondern wirklich lustig. Doch lange lässt Leuenberger die Schauspielerinnen nicht in diesem Glücksgefühl; fast auf Knopfdruck müssen sie wechseln und wütend werden. «Durch die Nase atmen, das hilft», ergänzt sie und wiederholt: «Wenn ihr das Gegenüber spürt, gebt es zurück.» Urs schickt Svenja seine Wut und dann wieder zurück. «Merkst du, wie natürlich das plötzlich geht», fragt die Regisseurin zurück. Svenja nickt und schmunzelt. Sie sind drin, das Spiel kann beginnen. Frau von Bergen, alle sind nun Frau von Bergen, jene überdrehte Dame, die ihre Emotionen nur schwer in Zaum halten kann. «Gebt ein wenig Stimme rein», heisst es wenig später, als die Übung lautet, den anderen beim Stehlen eines Pralinés zu erwischen.
Theater lebt von der Akkustik. Aus dem Bauch heraus kommt das «Mmmh». Im Sternensaal klingt es, wie wenn gerade zwanzig «Chateau Briands» gleichzeitig gegessen werden. «Super», unterbricht die Regisseurin und richtet sich an eine Schauspielerin. Ihre Stimme müsse sie genau so auf der Bühne einsetzen. Ja, den ganzen Klangkörper einzusetzen, «bis die Spinnweben im hintersten Ecken des Klangkörpers zittern», scherzt die Regisseurin.
«Nun ist es Zeit, die Bretter zu besteigen, die… wie sagt man? Genau; die Welt bedeuten. Wieso weiss ich das nicht», scherzt die Regisseurin, bevor das Stück beginnt.
Es klappt noch nicht alles auf der Bühne, Souffleuse Marianne Meyer hilft, Regisseurin Leuenberger aber entdeckt in Fehlern Chancen. «Behalt das bei, das ist noch viel lustiger, wenn du dich nicht umdrehst», heisst es plötzlich. Was klappt, was nicht? Das ist von aussen schwer zu erraten, denn das Stück «Spilet wyter» handelt von einer Theaterprobe kurz vor der Premiere, die komplett aus den Fugen gerät. Die Probe klappt besser als die gespielte Probe sozusagen. Und wenn etwas noch optimiert werden kann, spielt Leuenberger vor, dramatisch, klar und das Ensemble nickt, lacht und versucht. So wie es nur geschehen kann, wenn man sich versteht, vertraut, und verstärkt.
Und schon droht wieder Ungemach. «Das ist auch so ein Seich», heisst es plötzlich. Die Szene auf der Bühne sorgt für Kopfzerbrechen in den ersten Reihen. Gespielter Frust oder echt? Das, liebe Leserschaft, lassen wir an dieser Stelle offen und laden Sie ein, selbst herauszufinden, welche Dimensionen der Dramatik diese Probe noch zu erklimmen vermag. Nur so viel. Die wirkliche Probe des Ensembles der Berner Liebhaberbühne verlief vielversprechend. Der Name Liebhaber kommt nicht von ungefähr. Diese Theatergruppe liebt, was sie tut , und tut, was sie liebt. Das Stück «Spilet wyter» garantiert, dass Sie nicht faltenfrei bleiben. Die Lacher kommen dicht aufeinander, die Spannung bleibt jederzeit aufrecht. Der Einblick, den sie uns ausnahmsweise mitten in den Proben gewährt haben, macht eines klar: Im Sternensaal Bümpliz erwartet Sie kein gewöhnliches Theaterstück, sondern gelebte Theaterkultur. Die Berner Liebhaberbühne gibt es seit über 70 Jahren. Also Frau von Bergen: Regen Sie sich nicht auf, denn die wissen was sie tun, gottfriedstutz.