«Es war einmal…» So beginnen die meisten Märchen. Nicht in diese Kategorie von Erzählungen reiht sich die heutige Reportage ein. Und dennoch. Stefan «Ste» Di Romualdo streift regelmässig durch Brockenstuben, so auch in Hinterkappelen. Meistens ist er auf der Suche nach gebrauchten Gegenständen, die sich zu originellen Lampen umfunktionieren lassen. Am Wohlensee wurde er ebenfalls fündig.
Alles im Griff
Eine alte Kerzenlaterne für einen Landauer – eine Art Kutsche, zu vergleichen mit einem Fiaker aus Wien – findet sein Interesse. Im Austausch mit einer Zwanzigernote wird er Besitzer dieser Antiquität. Schon bald soll diese umgebaute Leuchte zuhause bei seiner Schwester Marlena stehen. Also macht sich «Ste» daran, die Laterne zu reinigen, schraubt dafür erst einmal den Griff ab. Und staunt. Ganz unten bemerkt er ein Stück Papier. Sorgfältig macht er sich daran, dieses mit einer Pinzette herauszuziehen. Als das gelingt, beginnt er, dieses auseinander zu falten, Ecke für Ecke. Ganz vorsichtig, damit es nicht beschädigt wird, denn schnell stellt er fest, dass es bedruckt und mit Wachs überzogen ist. Im Laufe der nächsten Stunden gibt das Papier seinen Inhalt preis. Es handelt sich ganz offensichtlich um einen fast 100-jährigen Lieferschein, der jedoch in keinen direkten Zusammenhang mit der Laterne steht.
Die Brennerei gibt es noch heute
Wie bei einem Puzzle beginnt der Finder, Angabe um Angabe zu recherchieren und zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Es ergibt sich daraus folgendes Bild: Die Meyerische Wagenfabrik hat der «Schladerer Edelbrandweine» in Staufen im Breisgau eine Kutsche geliefert, zu der die Lampe vermutlich gehört. Erkundigungen ergeben, dass es die «Schwarzwälder Hausbrennerei», 1844 von Sixtus Schladerer gegründet, heute noch gibt, von Philipp Schladerer in sechster Generation in Staufen geführt. Zurück aber zum Dokument in der Laterne. Dieser Lieferschein besagt, dass die Firma Schladerer Küfermeister Georg Buey in Feldberg bei Müllheim ein Fass «leer gebraucht zurück» hat zukommen lassen. Vor Empfang hat Küfermeister das Fass «bahnamtlich nachzuweisen». Kosten entstehen ihm dabei offenbar keine, diese müsste er eh in Reichsmark bezahlen.
Mehr ist aus dem Lieferschein nicht herauszulesen. Wir haben deshalb bei der Schwarzwälder Hausbrennerei nachgefragt, ob sie uns mehr dazu sagen kann. Und siehe da, hier die Antwort von Philipp Schladerer persönlich: «Zu jener Zeit wurden Kirschen regionaler Sammelstellen (so auch in Feldberg bei Müllheim) überwiegend in Holzfässern angeliefert. Es könnte also sein, dass es sich um ein gebrauchtes Fass gehandelt hat, das während der Kirschernte eingesetzt wurde. Damals hat man zumeist mit regionalen Küfern zusammengearbeitet, um sich mit ausreichend Fässern für Früchte und Destillate auszustatten. Da mir aber bekannt ist, dass wir auch einen Küfer in Staufen hatten, wird die Beziehung zu Herr Buey sich wohl auf gelegentliche Geschäfte beschränkt haben.»
Auch wenn es keine Wunderlampe ist: Freude wird Marlena bestimmt haben.