Wandbild in der Weidmatt bereichert das Quartier

Farbe fürs Auge – und für den Zusammenhalt

Nadia Berger
Von Nadia Berger - Redaktorin
Ein Bild, das verbindet und vereint.

Foto: Foto: SJ

Einfach erklärt

Im Weidmattquartier wurde ein grosses Wandbild gemalt. Organisiert wurde es unter anderem von der VBG. Zwei Künstler haben das Bild zusammen mit Leuten aus dem Quartier umgesetzt.

Das Weidmattquartier neben dem Bahnhof Bümpliz Süd wurde anfangs Oktober um einige Farben und Begegnungen reicher. Quartierbewohnende, zwei Künstler und die Quartierarbeit malten zusammen ein riesiges Wandbild an die Fassade eines Wohnhauses.

«Mitenang u fürenang», steht links oben auf dem Bild. Genau das, was das Projekt bezweckt: gemeinsam etwas für alle kreieren und damit möglichst vielen eine Freude bereiten.

Identität durch Kunst und Kultur

Ein guter Zusammenhalt untereinander ist für das Weidmattquartier besonders wichtig. Denn es ist im Vergleich zu anderen Quartieren strukturell benachteiligt, besonders in Bezug auf das Einkommen. «Wir von der Quartierarbeit Kleefeld haben uns seit längerer Zeit überlegt, was wir zur Aktivierung der Quartierbevölkerung in der Weidmatt beitragen könnten. Unsere Idee: Das Quartier mit Kunst und Kultur neu prägen und ihm eine neue Identität ermöglichen. Es ist im Gegensatz zu innerstädtischen oder aufgewerteten Quartieren ein von der Stadt zu wenig beachtetes Quartier», erklärt Bernhard Schneider von der VBG (Vereinigung Berner Gemeinwesenarbeit).

Kapitalformen nach Bourdieu

Bei den Vorbereitungen und der Ideensammlung habe die Quartierarbeit sich von der Kapitaltheorie vom bekannten Soziologen Pierre Bourdieu inspirieren lassen. Diese besagt, dass der Erfolg, die soziale Position und die Macht von Menschen durch den Besitz vier verschiedener Kapitalformen beeinflusst und bestimmt wird: durch das kulturelle, das soziale, das ökonomische und das symbolische Kapital. Die Kapitalformen sind alle eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Menschen in sozial benachteiligten Quartieren leben in ganz anderen Lebensrealitäten, da sie von diesen Kapitalformen oft weniger zur Verfügung haben und somit insgesamt weniger Chancen erhalten. Die Kinder einer Familie mit tiefem Einkommen haben beispielsweise von Beginn an weniger Chancen. Und das unabhängig von ihrer Intelligenz, ihren Begabungen und ihren Charaktereigenschaften.

Spongebob und Schachfiguren

Um das soziale Kapital, also die Netzwerke und Beziehungen zu anderen Menschen zu unterstützen, wählte die VBG bewusst einen partizipativen Ansatz bei der Gestaltung der Wandfassade. «Wir machten uns auf die Suche nach geeigneten Künstlern, zudem suchten wir über ein Fundraising nach Geldern für die Finanzierung», so Schneider. Die Diversität der durch die Bevölkerung gewählten Motive zeige die Vielfältigkeit des Quartiers auf: tanzende Schachfiguren, Spongebob oder ein Adler.  Matthias Schneeberger ist neben Sandro Galli einer der beiden Künstler, die das durch die VBG und diverse Förderstellen finanzierte Projekt umgesetzt haben.

Erstes Zusammentreffen

Die beiden Künstler haben zusammen schon einige Projekte durchgeführt, darunter auch Wandbilder. Vor einem Jahr wurden Schneeberger und Galli von der VBG für das Wandbild in der Weidmatt angefragt – und waren sofort interessiert, wie er betont. Beim erstmaligen Besuch des Quartiers und der Bewohnenden war es den beiden wichtig, die Leute erstmal besser kennenzulernen und ihre Bedürfnisse zu erfragen. Später verbrachten die beiden Künstler einen weiteren Tag in der Weidmatt. Zusammen mit den Leuten aus dem Quartier zeichneten sie, erzählten sich gegenseitig ihre Geschichten und zeigten einander ein Stück ihrer Welt. Dabei entstanden verschiedene Ideen und schlussendlich ein Konzept fürs Wandbild.

Farbig und lebendig

Heraus kamen die drei Hände mit unterschiedlichen Hautfarben, die in der Mitte eine Art Kugel, die Welt, bilden. Zeigen sollen sie: Hier im Quartier leben wir miteinander und füreinander. «In der Weidmatt wohnen Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, aus  verschiedenen Schichten und mit vielfältigen Haltungen. Viele beziehen Sozialhilfe, haben einen Migrationshintergrund oder leben aus verschiedenen Gründen am Rand der Gesellschaft. Deshalb war es uns umso wichtiger, dass wir etwas malen, das den Leuten wirklich auch entspricht und bei dem sie mitbestimmen», betont auch Schneeberger. Es sei allen Beteiligten wichtig gewesen, dass im Quartier etwas Farbiges und Lebendiges entsteht. Die Künstler zeichneten das Bild, inklusive dem Quartier im Hintergrund, vor und entwickelten mit den Quartierbewohnenden Schablonen mit ihren gewünschten Sujets, die dann auf die Ärmel gesprayt wurden. «Die Geschichten der Anwohnenden sind somit mit dem Stoff der Kleider verwoben», erklärt Schneeberger.

Die Leute aus dem Quartier seien ihnen während der Zeit des Projekts sehr ans Herz gewachsen. «Wir assen mit den Leuten Zmittag und erhielten wertvolle Einblicke in ihr Leben. Das Projekt hat so insgesamt viel Zusammenhalt geschaffen.» Besonders gefreut habe es ihn, dass in dieser Woche auch Menschen vorbeischauten und mit den Quartierarbeitenden ins Gespräch kamen, die sonst sehr zurückgezogen leben. «Ich glaube, das Projekt hat im Quartier etwas angestossen. Ich hoffe, dass es längerfristig Freude bringt und die Leute ihren Stolz darauf im Quartier weitertragen», wünscht sich Schneeberger.

Denn das Wandbild in der Weidmatt ist nicht nur Farbe fürs Auge, sondern eben auch für den Zusammenhalt.

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