«Wie sich die Bevölkerung hier engagiert, beeindruckt mich immer wieder», kommentiert die Präsidentin Agnes Nienhaus. Ralf Treuthardt nickt zustimmend. Die Aussage kommt nicht von ungefähr. Auf dem kurzen Weg von der Geschäftsstelle der QBB an der Brünnenstrasse hin zur Bilbiothek im Bienzgut, werden die beiden auf der Strasse gleich mehrmals erkannt; und in der Bilbiothek freundlich begrüsst. Man kennt den umtriebigen Treuthardt und die emsige Nienhaus. Man schätzt ihre Arbeit und vertraut sich ihren an.
Vereint im Willen
Doch die Szene offenbart noch eine weitere Stärke der QBB-Spitze. «Die Stadt hat die Tendenz, Themen vorzulegen und wir nehmen dann Stellung. Wir wollen uns aber auch proaktiv überlegen, was für uns Partizipation bedeutet. Nun ist die richtige Zeit dafür, weil die Stadt signalisiert, dass sie eine Kommunikation von beiden Seiten vertieft anschauen will», verrät Nienhaus. Sie sprudelt vor Energie und pflegt einen kommunikativen Stil. Aufmerksam hört Treuthardt zu, fast hat man das Gefühl, es keime ein feines Lächeln in seinem Gesicht auf. Es ist die Freude eines stillen Schaffers, der sieht, wie seine Arbeit weitergeht. Anders und trotzdem goldrichtig. In der Ruhe liegt die Kraft und in der Reflektion die Erkenntnis. Der ehemalige Präsident ist das vielzitierte stille Gewässer, in dessen Tiefen viel Wissen ruht. «Unser Gremium kann nur im Team funktionieren. Interessant ist, dass wir bei den Vorstandsmitgliedern immer wieder gewisse Stärken entdecken, die wir dann entsprechend einsetzen können», sagt er. Dank dieser Eigenschaft entstand zum Beispiel der Neuzuzügeranlass, der sich nun etabliert hat. Trotz unterschiedlicher Stärken, in einem sind Treuthardt und Nienhaus deckungsgleich: dem unbändigen Willen, sich für die Menschen im Stadtteil VI einzusetzen.
Gekommen, um zu bleiben
Fast Tag und Nacht, hat man das Gefühl, wenn man den Anekdoten lauscht, welche Treuthardt aus der Vergangenheit zückt und die Traktanden, die Nienhaus derzeit bearbeitet. Das ist mehr als nur seinen Job machen, das ist Herzblut, das ist Verbundenheit. Und hier decken sich die Geschichten von Nienhaus und Treuthardt mit jenen vieler Menschen im Stadtteil VI. Sie sind nach Bümpliz-Bethlehem gezogen und haben eine Heimat gefunden. Ralf Treuthardt kam 2007 von Winterthur hierher, Agnes Nienhaus 2009 aus dem Kanton Aargau. Seither engagieren sich die beiden. «Damals war Jolanda Weber eine Art Mutter des Tscharnis. Als sie verstorben war, bin ich für sie nachgeruscht und kam in die QBB. Was ich immer schon toll fand, ich kann mich vor Ort einsetzen und sehe, was passiert. Man erhält ein Feedback der Leute. Selbst wenn das intensiv oder heftig sein kann, ist es wertvoll», weiss Treuthardt. Nun ist es Nienhaus, die zustimmend nickt. Partizipation mit der Stadt Bern fängt eben mit Partizipation im Quartier an. Eine Sichweise, welche die Bedeutung der QBB beschreibt. Kommunale Lösungen erarbeiten, pragmatisch sein und das Quartier mitwirken lassen.
Das Bümplizer
Demokratie-Modell
Und das ist ein Erfolgsmodell. Die Quartierkommission Bümpliz Bethlehem war die erste Organisation in Bern, die sich in der Entwicklung ihres Stadtteils engagiert hat. Bereits vor über 40 Jahren. Lange, bevor Bern das System der Quartiermitwirkung etabliert hat. Nach dem QBB-Modell sozusagen. Darauf darf man im Westen durchaus stolz sein. Es ist das Resultat vieler engagierter Menschen, die diese kleine Art «Bümplizer-Demokratie» gelebt und weitergegeben haben. Bis nun Agnes Nienhaus dieses intensive, aber auch würdevolle System präsidieren darf. Gerüstet ist die 53-Jährige dafür bestens. Die Familienfrau ist beruflich mit der Verbandspolitik vertraut, auf nationalem Niveau. Wie man plant und Prozesse in Gang bringt, weiss sie aus dem Effeff, beziehungsweise auch aus der SP, denn Nienhaus kam aus einer Planungsgruppe der SP zur QBB.
Der Handlungsbedarf
Es gebe wohl keinen besseren Moment, um den abtretenden und die neue Präsidentin zu fragen, welche dringenden Aufgaben die QBB nun anpacken will? «Die Familien sind noch zu wenig gut vertreten. Und das wäre wichtig, weil sie die Zukunft des Quartiers gestalten», sagt Nienhaus sofort. Treuthardt nickt und übernimmt. «Dazu gehört auch die Migrationsbevölkerung, sie sind noch etwas weniger gut vertreten, sie sind oft noch wenig in den Vereinen präsent.» Das soll sich ändern. Und Nienhaus weiss auch schon wie: «Informationen für die Bevölkerung braucht es in mehreren Sprachen.» Ein Bestreben, dass die Stadt Bern freut. Diese kennt ein sogenanntes Partizipationsreglement. Für dieses gibt es nun verschiedene Vorstösse, um den Handlungsbedarf in Bümpliz und Bethlehem umsetzen zu können.
Gewerbe gehört dazu
Ein wichtiger Unterschied zwischen dem Stadtteil VI und den anderen Berner Quartieren bildet das Gewerbe. Es gehört zu Bümpliz wie die Hochhäuser. Und das hat historische Gründe. Die Industrie und später das Gewerbe haben sich von Anbeginn im Westen angesiedelt. Mit diesem Schritt sind die Arbeiterinnen und Arbeiter gekommen. Manche sind gewichen, andere geblieben, neue gekommen. Das Gewerbe im Stadtteil VI lebt, wie die Mitgliederzahlen des KMU Bern West belegen. Gerade weil die Stadt Bern der Wirtschaft eher wenig Gewicht beimisst, mehr noch, städteplanerisch gar weghaben will, entsteht hier ein grosser Handlungsbedarf. Treuthardt und Nienhaus wissen das nur allzu gut. «Das Gewerbe ist wichtig. Dieses wegzudrängen ist nicht im Interesse eines lebendigen Stadtteils. Dazu gehört auch explizit lärmintensives Gewerbe. Es ist doch gerade die Vielfalt, die es ausmacht», sagt die Präsidentin entschlossen.
Diverser werden
Das deckt sich mit dem Bestreben, dass die QBB eben die ganze Vielfalt vertreten will. «Wir müssen diverser werden und und genau in diese Richtung weitergehen», so Nienhaus. Die Stadt trägt die Vorhaben an die QBB heran, damit die Kommission vor Ort die Anliegen prüfen kann. Unter Berücksichtung der ganzen Vielfalt im Stadtteil VI. «Die Wünsche der Stadt nehmen stetig zu», ergänzt Treuthardt. Ein Trend, der mit den Einwohnerzahlen einhergeht. Als die Kommissionen entstanden, nahm die Stadtbevölkerung ab. Nun wächst sie wieder und mit ihr die Anzahl der Projekte. «Es ist nicht ganz einfach im Moment, wir sind vereinsbasiert und dies alles zu stemmen, fordert uns heraus», fasst Nienhaus zusammen. Doch ihre Stimme klingt nicht etwa besorgt, sondern entschlossen, das zu schaffen. Es ist dieser positive Unterton in ihren Worten, der Hoffnung sät und Überzeugung erntet. Als erste Massnahme gibt es eine Statutenänderung bei der QBB, mit der eine Stellvertreter-Regelung aufgeteilt werden kann, damit der Aufwand aufgeteilt werden kann.
So geht das in Berns Westen. Wo Probleme sind, wird an Lösungen geschmiedet. Und zwar dann, wenn das Eisen noch heiss ist. Ralf Treuthardt hat die Schmitte in die erfahrenen Hände von Agnes Nienhaus übergeben und das Feuer brennt wie eh und je, damit an Neuem geschmiedet werden kann. Die QBB will nicht nur von Bern empfangen, sondern auch nach Bern senden. Ganz nach dem Motto: Die Stadt informiert und Bümpliz agiert.