Wir befinden uns im Betagtenzentrum Laupen, wo die Küchenmannschaft jeweils für ungefähr 100 Bewohnende die Mahlzeiten zubereitet. Dazu kommen externe Bistro-Gäste sowie zwei Tagesschulen. Und wir fallen zu Beginn unseres Gesprächs gleich mit der Türe ins Haus. «Gehen Sie mit der Zeit?» Noah Ernst stutzt, weil er unsere Gedanken nicht nachvollziehen kann. Was soll er also damit anfangen? «Eine sehr viel frühere Generation verbrachte die Ferien in Rimini, in Cattolica, in Alassio, kannte also Pasta. Jene Menschen, die Sie heute betreuen, kamen hingegen schon ganz schön in der Welt herum. Finden sich andere Kulturen auch auf Ihren Tellern? Nasi Goreng?»
Rang 4 unter 120 Teilnehmenden
Er schmunzelt. Nein, die allermeisten Bewohnenden würden die traditionelle Schweizer Küche vorziehen. «Aber im Bistro, das auch für Gäste zugänglich ist, gibt es schon Mal Sweet&Sour oder Fremdländisches. Zudem können immer Wünsche an uns in der Küche herangetragen werden. Wenn irgendwie möglich, gehen wir gerne darauf ein.»
Dass Noah bereits heute weit mehr als bloss die Theorie kennt, hat er erst kürzlich bewiesen, als er mit Eigenkreationen (!) glatt den Einzug ins Final der letzten sechs Jungtalente des Gusto-Transgourmet-Wettbewerbs25 schaffte und Vierter wurde. Und das bei 120 Teilnehmenden. Was hat er dabei aufgetischt? «Zur Vorspeise bereitete ich eine Petersilienwurzelsuppe mit Senf, Birne und Gruyère zu, zum Hauptgang Petit Tender im Morchel-Spinat-Mantel, Dauphine-Kartoffel mit gepickelten Karottenwirbeln, Karotte gefüllt mit Zwiebel-Karotten-Panna-Cotta, Flat Iron Steak unter Kartoffel-Espuma.» Sy no Frage?
Die Frage stellt sich hingegen: Was hat sein Berufsinteresse zum Koch geweckt, ist er in einer Gastrofamilie aufgewachsen? Nichts von alledem, aber sein Vater sei ein «begnadeter Hobbykoch. Die Mutter kocht aber auch sehr gut», schiebt er nach.
350 Mittagsmenüs auf einmal
Noah kocht nicht bloss in Laupen, er geht auch in die Berufsschule. Wenn er mit seinen Kolleginnen und Kollegen spricht, die in «normalen» Restaurants arbeiten, was sind die grössten Unterschiede zum Betagtenzentrum Laupen? «Selbstverständlich gibt es in diesen Gaststätten eine viel grössere Auswahl an Speisen, sowohl am Mittag als auch am Abend. Aber es ist mitunter schwierig, die genaue Anzahl von Gästen einzuschätzen. Da haben wir es einfacher», schmunzelt er. Als Plus sieht er selbst die geregelten Arbeitszeiten im Betagtenzentrum. Die eigentliche Herausforderung sei aber, 350 Menüs auf einmal zu kochen, nicht bloss für das Zen-trum, sondern unter anderem auch für Tagesschulen.
Am Herd mit Bottura
Was gefällt ihm besonders bei der Arbeit? «Wir haben ein gros-ses Kochwissen im Team und mein Berufsbildner Bruno Burri hat auf jede Frage die richtige Antwort.» Drängt sich also die Frage auf, wie dieser seinen «Stift» erlebt? «Noah arbeitet sehr präzise, nimmt Feedback dankbar an, lernt gerne Neues und bringt immer gute Laune ins Team.»
Auch für seine Familie kocht er gerne, insbesondere seine «Lasagne» sei gefragt. In einem Interview bei «Franz&Fränzi» 2021 war zu lesen, dass Noah und Geschwister in der Familie strenge Regeln mit den Handys und Laptops hatten. Wie sieht es heute aus? «Was Sie nicht alles recherchiert haben…», lacht er. «Den Laptop brauche ich weniger als den PC, und wenn, dann in der Schule.» Das Handy benötigt er lediglich für den Kontakt mit Kollegen, «süchtig bin ich nicht.»
Und in absehbarer Zukunft, wo sieht er sich? «Ich möchte nach meiner Ausbildung weitere Erfahrungen sammeln, in den nächsten fünf Jahren am liebsten in gehobenen Restaurants.» Aus-serdem träumt er davon, einmal mit Sternekoch Massimo Bottura in der Küche zu stehen, ein italienischer Koch. Sein Kochstil ist der Erneuerung der traditionellen italienischen Küche gewidmet. Er wird als einer der kreativsten Köche weltweit angesehen. «Und seine Präsentation auf den Tellern ist phänomenal», ergänzt der 17-Jährige, weil auch Noah gerne schön anrichtet, schliesslich esse das Auge mit.Passt.