Am Montagabend erklingt im Pfarreizentrum St. Antonius «Kupalinka» aus der Ukraine, das arabische «Salma Ya Salama», das Tessiner Volkslied «Bella Valmaggina» oder «Watan eshq tu eftekharam» aus Afghanistan. Bis zu 100 Stimmen singen 16 Lieder in 14 Sprachen – Menschen aus 36 Ländern, die sich Montag für Montag in Bümpliz treffen. Manche sind alteingesessene Schweizerinnen, andere kamen aus Gründen der Liebe, der Arbeit oder wegen eines Krieges hierher. Unterschiedliche Geschichten überall. Und eines verbindet sie: die Liebe zum Gesang.
Inklusion mittels Singen
2012 gründeten Karl Graf sowie Theres und Ludwig Spirig-Huber in Bümpliz den, nach Solothurn, zweiten Chor der Nationen. «Es ist ein guter Ort für solch einen Chor», sagt Graf. Das Projekt versteht Musik als «Muttersprache des Menschseins» und sieht «Begegnung und Austausch als soziale Innovation». Die Differenz von Sprache und Kultur werde als Bereicherung und als Potenzial erlebt. «Es ist ein Inklusionsprojekt mittels Singen», bestätigt auch Graf. «Am Anfang steht die Begegnung», erläutert er. «Daraus kann Unterstützung entstehen.» Das Konzept des Chores mit den verschiedensprachigen Liedern führt dazu, dass eingewanderte Chormitglieder, die sonst in der Rolle der Deutschlernenden sind, hier nun anderen ihre Sprache lehren.
Lieder aus der Heimat
Wer migriert, verlässt eine Heimat – aber Lieder kann man mitnehmen, auch ohne Koffer. Viele bringen ihre eigenen Stücke ein. «Manche singen sie vor oder spielen Aufnahmen ab», sagt Graf. Der Künstlerische Leiter Bernhard Furchner arrangiert sie dann für mehrere Stimmen und fürs Orchester. «Wir wollen die Stücke nicht bloss singen», betont Graf, «sondern die ihnen eigene Klangfarbe und den Rhythmus verstehen, der in der entsprechenden Kultur wichtig ist.»
Auf Augenhöhe mit anderen
Gut die Hälfte der Chormitglieder haben einen Schweizer Hintergrund, und von den anderen sind längst nicht alles Asylsuchende. Doch wenn sie sich treffen, spielt all das kaum eine Rolle. Schicksale wie die eines Iraners gehören aber auch dazu. Er reist jeden Montag aus Burgdorf an, während er weiss, dass er nur noch hier ist, weil seine Ausschaffung zur Zeit nicht vollzogen werden kann. «Er hat erzählt, dass die Chorprobe für ihn eine Zeit sei, in der er alle Sorgen vergessen kann. Sie sei ein Ort, an dem er auf Augenhöhe mit anderen zusammen ist», berichtet das Gründungsmitglied.
Ab und zu findet im Anschluss an die Probe der Chortreff statt – Zeit, um Köstlichkeiten aus den verschiedenen Kulturen zu geniessen und sich auszutauschen – und immer wieder auch, um
einander eine Hilfe zu sein. So ertönen am Montagabend nicht einfach hundert Einzelstimmen nebeneinander, sondern ein Chor einer engagierten Gemeinschaft, gebildet aus dem Herzstück vieler Kulturen: aus ihren Liedern und den Menschen, die sie zum Klingen bringen.
Info:
Jahreskonzert «We‚ve come a long way»
Samstag, 22. November, 19 Uhr
Französische Kirche Bern
Vorverkauf empfohlen