Zufällig getroffen: Eine Holländerin mit Schweizer Erfahrungen

«In der Schweiz scheint alles noch normal»

Thomas Bornhauser
Pauline im TCS Camping Eymatt

Foto: BO

Einfach erklärt
Der Autor hat in Bümpliz Pauline getroffen. Sie ist aus Holland. Früher hat sie in Davos gearbeitet. Jetzt besucht sie Freunde in Bethlehem. Ihr gefällt die Schweiz und am liebsten würde sie im Sommer hier wohnen.
Es kann passieren, dass wir bei unseren zufälligen Begegnungen auch auf Menschen aus dem Ausland treffen, im Unwissen, auf wen wir zugehen. Das ist heute in der Fussgängerzone Bümpliz der Fall. «Nenn mich einfach mit meinem Vornamen Pauline.» So duzen wir uns. Und auch dieses Gespräch beweist: So schlecht, wie viele Leute meinen, haben wir es in der Schweiz nicht.

Pauline, weshalb versteht du sogar Schwyzerdütsch?

Ich habe von 1981 bis 1984 in einer Höhenklinik in Davos gearbeitet. Ich könnte mich also, weil regelmässig in der Schweiz, auch noch mit Leuten unterhalten, die Bündnerdialekt sprechen (lacht).

Und jetzt bist du auf Erinnerungstour in der Schweiz?

Nicht ganz, nein. Zu einer damaligen Arbeitskollegin habe ich seither immer noch Kontakt. Mehr noch: Wir sehen uns regelmässig, in Bümpliz und in Holland, in Friesland, wo ich inzwischen mit meinem Mann lebe. Er ist gegenwärtig auch hier.

Was bleibt dir aus deiner Davos-Zeit in Erinnerung?

Die schöne Aussicht auf die Berge. Aber nicht bloss das, auch die Bergler, die so anders als die Städter sind, richtige Naturmenschen. Und die Arbeit hat mir Spass gemacht, nicht zuletzt, weil Patientinnen und Patienten für unsere Pflege dankbar waren. Wir waren vier Holländerinnen in Davos, haben es wirklich genossen, nicht zuletzt auch im Ausgang, regelmässig im Dancing Discha (schallendes Lachen).

Und wie erlebst du die Schweiz heute?

In der Schweiz scheint noch alles normal. Ich gehe gerne nach Davos, ins Berner Oberland oder ins Wallis. Das Wallis wirbt ja mit dem Slogan «ins Herz gemeis-selt». Mir geht es mit der ganzen Schweiz so. Ich erlebe bei den Schweizern auch, dass sie ihre Werte stärker leben als bei uns in Holland, ohne dass ich gleich verallgemeinern will.

Nach diesen anerkennenden Worten: nie Lust gehabt, in die Schweiz auszuwandern?

(Sehr spontan) Und ob! Es hat sich einfach nicht ergeben, leider, deshalb finde ich es schön, dass wir regelmässig hierherkommen können.

Was ist denn in der Schweiz so anders im Vergleich zu Holland?

Sehr viel. Wo soll ich beginnen? Wir haben Politikerinnen und Politiker, die sagen, sie würden das Volk vertreten, tun es aber nicht. In Holland herrscht eine grosse Unzufriedenheit mit der Politik. Ende dieses Monats haben wir Wahlen. Ich fürchte aber, dass es Wunschdenken von mir ist, dass sich eine Partei wirklich für uns Bürgerinnen und Bürger einsetzen wird. Stellen Sie sich vor: Laut eine Umfrage würden 65 % der jungen Holländerinnen und Holländer auswandern, hätten sie Gelegenheit dazu. Muss man dazu noch mehr sagen?

Und im Alltag?

Man möge entschuldigen, wenn ich sage, dass die holländischen Bürokraten in den Ämtern nicht wissen, was sie tun. Keine Ahnung, was sie sich dabei denken. Beispiel: Während Jahren hat man uns gedrängt, eigenen Strom zu produzieren, hat die Anlagen sogar mitsubventioniert. Du weisst schon, auf den Dächern und so. So weit, so gut. Ungut wird es ab Januar 2027. Weil zu viel Strom ins öffentliche Netz kommt und dieses überlastet sein wird, müssen wir dafür bezahlen. Zuerst hatten wir für die Kosten der Photovoltaikanlage aufzukommen – und jetzt dafür, dass wir dem Staat Strom liefern dürfen. Das wird bei den E-Autos nicht anders sein. Die Steuern steigen schon jetzt. Kann man solche Apparatschicks ernst nehmen? Dass vieles von Brüssel aus gesteuert wird, macht es auch nicht einfacher.

Hast du noch ein anderes
Beispiel?

Holland leidet unter einer regelrechten CO2-Hysterie, nicht bloss die Bauern sind die Leidtragenden, deren Bestand man am liebsten halbieren würde. Wovon sollen wir dann leben, wie die Tiere füttern? Die Politik denkt, aber selten bis gar nie zu Ende, deshalb stehen wir in vielerlei Beziehungen wie die Esel am Berg. Bauen wird verunmöglicht, weil zu starke Emissionen. Nicht einmal neue Kasernen dürfen wir  – angesichts der geopolitischen Lage –  erstellen, weil beim Bauen zu viel CO2 ausgestossen würde. Man muss sich das einmal vorstellen! Besser gesagt, lieber nicht.

Keine Schweiz-Träume mehr?

Doch, schon. Jeden Tag! Mein Mann und ich könnten uns vorstellen, unser Boot zu verkaufen und einen Wohnwagen zu kaufen, den wir gerne hier über die Sommermonate stehenlassen würden. Hast du eine Idee?

Habe ich. In der Eymatt steht das TCS-Camping, sie servieren dort unter anderem herrliche Hamburger und Pouletflügeli. Ich komme gleich mit und ihr könnt euch beim Chef, bei Marc Wehrli, erkundigen, was am Wohlensee möglich ist. Bin selbst gespannt.

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