Da gibt es doch diesen Film aus dem Jahr 1976, «Car Wash», mit dem gleichnamigen Song der Gruppe Rose Royce: «Come on and sing it with me, car wash, yeah!» Als ich kürzlich das Lied am Radio gehört habe, war der Fall klar: «Hey, get your car washed today!» Ich also ab zur Migrol-Autowaschanlage an der Fellerstrasse im Bethlehem.
Ein unglaublicher Start
Frühmorgens ist bei Nevzad Aliji, ursprünglich gelernter Automechaniker aus Mazedonien, noch nicht viel los. Ein einziger Wagen steht vor der Anlage. Aber dessen Fahrer hat es in sich. Ich frage mich nämlich, ob er die Karre gestohlen hat? Null Ahnung, worum es geht, zero, da verstehe ich mehr von der Sache, und das will was heissen. Der schon etwas ältere Opel hat möglicherweise seit seiner ersten Inbetriebnahme auch noch keine Autowaschanlage von innen gesehen, der Fahrer weiss nicht, was tun. Unglaublich. Nevzad Aliji erklärt dem Mann mit einer Engelsgeduld, was die verschiedenen Waschprogramme beinhalten. Als er sich endlich, endlich entschieden hat, folgt mit dem Einfahren aufs Förderband die nächste Hürde. Kann man(n) sich wirklich so dumm anstellen oder ist irgendwo eine versteckte Kamera zur allgemeinen Volksbelustigung versteckt? Nach ungefähr zehn Minuten (!) der Erklärungen geht es los. Der nächste Kunde wartet.
Ferraris und Lamborghinis
Es steht ein sauteurer, neuer SUV da. Als das Fenster zur Bezahlung runterfährt, hört man den Fahrer, wie er telefoniert und jemandem grossartig mitteilt, dass er «für sowas keine Steuern bezahlt». Keine Ahnung, worum es ging. Schade, sonst hätte ich etwas zum Recherchieren… Auch dieser Zeitgenosse weiss nicht, wie sein Fahrzeug funktioniert. Nevzad Aliji ist wiederum gefordert, nach einigen Minuten der Konversation mit Erfolg. Auffallend an diesem Morgen: Es stehen viele Wagen an, deren Verkaufspreise fünfstellige Summen bei weitem übersteigen. Wenn auch nicht bei meinem Einsatz: Auch Ferraris, Lambos oder Rolls Royces gehen durch diese Waschanlage. Selbst ein Bugatti war schon mal zu Besuch. «Ein Beweis, dass man unsere Arbeit schätzt», stellt der Migrol-Mann fest.
Schiebedach offen
Und diese Wertschätzung darf Nevzad Aliji ruhig laut sagen, tut er aber nicht. Staunen ist angesagt, wie er jeden Wagen auf die Waschstrasse vorbereitet, als ob es gar keinen Waschgang mehr braucht. Der Zuschlag für die spezielle Felgenreinigung zum Beispiel wird minutiös von Hand ausgeführt, Felge für Felge. Die Frontscheibe wird ebenso von Hand vorgeputzt wie jene im Heck. Ebenso auffallend: Der Ton, mit dem unser «Autowascher» mit der Kundschaft spricht, wie er auf sie eingeht. Ein Kommunikationsprofi der ganz, ganz seltenen Art. Kunststück, gibt es eine grosse Stammkundschaft. «Wissen Sie, es gibt keine Waschanlage, die bis in alle Details absolut perfekt funktioniert, ich versuche, mit meinen Vorbereitungen einen optimalen Waschgang zu erreichen.»
Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Ich bin ja zum Arbeiten da. Tue ich auch: Ich helfe dem sympathischen Fachmann bei der Vorwäsche, spritze die Karosserie, die Scheiben und die Felgen einiger Fahrzeuge der unteren Mittelklasse sauber, wie ich das bei meinem Ford Fiesta schliesslich auch tue. Und ernte sogar Lob, weil ich auch die Radkästen berücksichtige. «Man sieht, Sie machen das nicht zum ersten Mal.» Allerdings nicht ganz im Tempo des Profis, denn da ist Routine angesagt, wenn an Spitzentagen bis zu 400 Autos in die Anlage einfahren wollen. Läuft wenig, hilft Aliji als gelernter Automechaniker in der Werkstatt aus oder kümmert sich als Allrounder um die Aus-senanlagen. Als ich ihn nach erlebten Intermezzi frage, lacht er. Da war nämlich dieser Familienvater, dessen Kinder während der Wagenwäsche das Schiebedach geöffnet haben… Party!
Wehmut schwingt mit, wenn Nev-zad Aliji von Abschieden spricht, weil ältere Leute das Autofahren aufgeben (müssen). «Was auch schon vorgekommen ist: Um sich von mir zu verabschieden, kommen sie als Beifahrer vorbei.»
Dem gibt es nichts hinzuzufügen.