Frisch diplomierte Fachperson Coiffeur / Coiffeuse EFZ Siel Nydegger

Mit Schere und Herz zur eigenen Berufung

Christine Vogt
Siel Nydegger im Salon in Niederwangen.

Foto: CV

Einfach erklärt
 
Für viele junge Berufssuchende ist der Beruf Coiffeur/Coiffeuse nicht die erste Wahl. Auch für Siel Nydegger war es erst auf den zweiten Blick die grosse Liebe. Obwohl Siel das Handwerk, unbewusst, als Kind schon entdeckt hat.

Schon ganz früh hat Siel Nydegger davon geträumt, im Studio der Eltern einen eigenen Coiffeur-Salon zu betreiben. Denn nicht nur die befreundeten Kinder waren die erste begeisterte «Kundschaft»: Auch sich selbst hat Siel mit Leidenschaft die Haare geschnitten und sie gestylt. In der Pubertät rückte dieser Wunsch jedoch in den Hintergrund und der Traum verblasste. Die kommunikationsfreudige Person aus Riedbach entschied sich für die Fachmittelschule FMS, wobei Siel in der Coronazeit wahrnahm, dass ein Einstieg in die Praxis doch der bevorzugte Weg wäre. Nach dem Schnuppern in einem Coiffeur-Betrieb war es für den so lebensfrohen Menschen klar: Das ist es, wofür das Herz schlägt.

Kreativität trifft Liebe zum Menschen

Schaut man in die aufgeweckten und strahlenden Augen des Gegenübers, während Siel leidenschaftlich von diesem Beruf erzählt, ist sofort klar: Hier ist jemand, der seine Berufung gefunden hat. Schon immer hat Siel gerne mit den Händen gearbeitet und kann dies nun kreativ im Beruf umsetzen. Aber auch die Begabung, mit Menschen zu kommunizieren, kann Siel optimal bei ihrer Tätigkeit ausleben. Es braucht Offenheit, jeden Menschen so zu akzeptieren, wie er ist. Sowohl in Flückigers Haaroase,  wo Siel bei Karin Flückiger-Stern die dreijährige Ausbildung mehrheitlich absolvierte, wie auch in Giovannas Haaroase,  wie der Salon seit der Übernahme von Giovanna Coppola heisst, werden der familiäre und persönliche Kontakt zur Kundschaft grossgeschrieben. Somit umfasst der Beruf des Coiffeurs nicht nur das Handwerk am Haar, sondern eine ehrliche und kompetente Beratung sowie die Fähigkeit, als Gastgeber zu wirken. Bereits während der Lehrzeit hat Siel berührende Begegnungen erleben dürfen und manche Stammkundin, manchen Stammkunden mit offenem Herz und Ohr begleitet. Dass die Kundschaft das Geschäft begeistert verlässt ist das Ziel von Giovanna Coppola und ihrer nun flügge gewordenen Nachwuchskraft.

Aufgeben? Das kommt nicht in Frage

Nach einem holprigen Start in die Lehre hat Siel Nydegger nach sieben Monaten den Lehrbetrieb gewechselt und in Niederwangen eine tolle Lehrzeit verbringen dürfen. Der Wechsel habe sich definitiv gelohnt und die Liebe zum Beruf wurde nicht geschmälert. Im Gegenteil: Durch den Kontakt mit der Kundschaft und die Philosophie der Lehrmeisterin hat Siel gelernt, an sich selbst zu glauben. Auch die eigene Identität habe Siel, welche der Haaroase erhalten bleibt, durch den Beruf entdecken dürfen und dadurch mehr Selbstvertrauen gewonnen. Eine Frisur drückt so viel aus, kann Siel aus eigener Erfahrung bestätigen: Siel engagiert sich nicht nur im eigenen Betrieb, sondern arbeitet auch ehrenamtlich für den Verein KAR-LI, der Obdachlosen einen kostenlosen Haar- und Bartschnitt ermöglicht. Ein neuer Haarschnitt macht einen neuen Menschen – diese Verwandlung darf Siel bei der Tätigkeit als Haarprofi stets aufs Neue wahrnehmen. Auch die eigenen Haare wechseln regelmässig die Farbe, was massgeblich zur Freude der Kundschaft beiträgt. Ob dafür Mut nötig wäre? Das verneint Siel mit einem fröhlichen Lächeln: Den würde es eher brauchen, um wieder mit der Originalhaarfarbe unterwegs zu sein.

Kein Tag wie der andere

Einen typischen Tag kennt die authentische Fachperson für Hairstyling nicht: Ob mit jungen oder älteren Menschen, Erwachsenen oder Kindern, tiefen Gesprächen oder beim Silent Appointment* – mit jeder Begegnung gestaltet sich der Tag neu und es kehrt keine Routine ein. Wer sich für den Beruf als Coiffeur/Coiffeuse interessiert, sollte auf alle Fälle gerne mit Menschen kommunizieren, flexibel und offen sein, Körperkontakt nicht scheuen und eine gewisse innere Ruhe mitbringen. Siel Nydegger empfiehlt das Schnuppern in einem Klein- sowie in einem Grossbetrieb: So kann man für sich selbst feststellen, was einem besser liegt. Auch die Aussicht auf einen eher geringeren Verdienst und die Arbeit am Wochenende hat Siel nicht abgeschreckt: Es gehe um die Leidenschaft, sagt Siel – und ihre Begeisterung trifft einen mitten ins Herz.

*Das Silent-Appointment richtet sich an Menschen mit Autismus, sozialen Ängsten oder an Personen, die sich einfach gerne ohne Gespräche die Haare schneiden lassen möchten.

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