«Menschen interessieren mich. Ihnen zuzuhören, sich auszutauschen, das gehört mitunter zu den schönsten Dingen im Leben», sagt Marieke Kruit (SP) so selbstverständlich, dass die Gefahren von Wahlfloskeln und Worthülsen wie altes Laub vom Baum fallen. Die offene Art ist nicht aufgesetzt, sondern ihr Naturell. Hat auch das einen Ursprung in ihrer Vergangenheit, als Tochter niederländischer Eltern, die im Berner Oberland ein Hotel und Gasthaus führten? Ständig offene Türen, verschiedene Menschen aus unterschiedlichsten Herkünften, neben Stammgästen und Mitarbeitenden.
Über die Direktionen hinweg
Mit Blick auf ihre Direktion für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün liegt die Vermutung nahe. Sie hat dort veranlasst, dass man Projekte über die Ämter hinweg besser aufeinander abstimmt. Und diese Zusammenarbeit möchte sie als Stadtpräsidentin noch intensivieren: «Wir müssen mit Blick auf die Finanzen die Projekte priorisieren. Damit die einen nicht etwas machen, was die anderen dann nicht umsetzen können, gibt es ein Stadtportfolio, an dem direktionsübergreifend gearbeitet wird. In meiner Direktion hat sich dieses Vorgehen bewährt, nun möchte ich es über die ganze Stadtverwaltung hinweg zum Fliegen bringen», verrät sie. Und schon spürt man, Offenheit ist bei Kruit nicht nur auf die Kommunikation beschränkt, sondern auch auf die Arbeit, ja sogar auf die Regierung.
Bern kann mehr. Auch noch mehr Geld ausgeben?
Genauso offen kommuniziert sie die Themen, die ihr zentral erscheinen. Mehr bezahlbare Wohnungen, mehr Bäume, mehr Wasser, mehr Artenvielfalt, mehr Investitionen. Oder wie sie es zusammenfasst: «Bern ist grossartig, aber Bern kann mehr.» Nur, das klingt doch nach einem weiteren «mehr», demjenigen von «mehr Geld ausgeben». Die Gemeinderätin ist auf diese Frage so gut vorbereitet wie ein guter Koch auf sechs à-la-carte-Bestellungen gleichzeitig: «Wir müssen klug planen und den Finanzen Sorge tragen. Die Stadt wächst, das ist natürlich schön und zeugt von einer hohen Lebensqualität. Aber damit gehen auch Investitionen einher, vor allen Dingen im Schulraum. Deshalb müssen wir mutig priorisieren.»
Ressourcen priorisieren
Doch die Finanzen seien nicht die einzigen Ressourcen, die knapp sind: «Es geht auch um die Fachkräfte. Wir kennen Personalmangel auch in der Stadt», betont sie. Aus eigener Erfahrung, denn kaum zog die 56-Jährige im Jahr 2021 in den Gemeinderat, musste sie einen beschlossenen Stellenabbau von 50 Personen in ihrer Direktion umsetzen. «Die Verbleibenden können nicht einfach dieselbe Leistung bringen. Man muss dann einfach akzeptieren, dass ein Abfalleimer nicht mehr ganz so oft geleert werden kann», nennt sie ein Beispiel. Sie musste lernen, wie man priorisiert.
Gewerbe sichtbarer machen
Auf ihrer Wahl-Prioritätenliste taucht eine Formulierung auf, die man auf den ersten Blick nicht unbedingt als typische Aussage einer Sozialdemokratin vermuten würde: «Mehr Vorfahrt fürs Gewerbe.» Die KMUs kritisieren die Stadt. Ihre Mobilität ist eingeschränkt und ihre Produktion wird aufgrund mancher Entscheidung beschnitten. Der Unmut vergrössert sich. Doch Kruit redet ja bekanntlich mit den Menschen und ist sich dessen bewusst. Sie erklärt, was es mit der Vorfahrt fürs Gewerbe auf sich hat: «Ich möchte zwischen dem notwendigen Wirtschaftsverkehr und dem Freizeitverkehr unterscheiden. Der Sanitär muss durchfahren können, hier muss man neue Lösungen kreieren, damit unterschieden werden kann», meint sie.
Persönlich im Westen engagiert
Die zahlreichen Gewerbetreibenden aus dem Stadtteil VI und Umgebung werden das gerne lesen. Und es untermauert Kruits Stärke als offene Zuhörerin. Doch es gibt noch mehr, was den Stadtteil VI mit der Stapi-Kandidatin verbindet: «Ich bin ab und an in Bethlehem, weil ich im Vorstand des Wohnheims ‹Acherli› bin.» Ein soziales Engagement, das ihr wichtig ist. Als Gemeinderätin war sie zudem massgeblich daran beteiligt, dass die Fussgängerzone in Bümpliz aufgewertet und begrünt wurde. «Das ist die einzige Fussgängerzone, die wir in Bern haben», ergänzt sie. Und wo kann man als offene Person bestens die sozialen Kontakte pflegen? In der BrauBar in Bümpliz, «wo ich Genossenschafterin bin», verrät sie.
Egal ob beim Priorisieren, im Umweltschutz, in der Wirtschaft oder im sozialen Bereich, Marieke Kruit (SP) tut alles mit der Offenheit einer Blume, die in voller Blütenpracht steht. Dass sie Psychologin und Psychotherapeutin ist, merkt man. Der respektvolle Umgang mit den Mitmenschen ist für sie eine Art politische Luft, die es zu atmen gilt. «Soziale Kontakte sind übrigens sehr wichtig für die mentale Gesundheit», sagt sie zum Schluss. Etwas mehr von diesem wunderbaren Bern erleben, dafür etwas weniger Bildschirmzeit. So vermehren sich die «frohen Gesichter, welche die Herzen öffnen», getreu dem niederländischen Sprichwort. Denn, wie sagt sie so schön: «Bern kann mehr.»