Teilbereiche des Parks waren längere Zeit eingezäunt. Seit dem Sommer 2023 ist die Radiumsanierung abgeschlossen. Knapp 600 Kubikmeter schwach radiumkontaminiertes Erdmaterial wurden ausgehoben und in der Deponie Celtor in Tavannes fachgerecht entsorgt. Bei etwa 500 Liter radioaktivem Erdmaterial war die Radiumkonzentration zu hoch. Diese Erde wurde in das Bundeszwischenlager Würenlingen gebracht, zunächst für die weitere Behandlung sortiert und gereinigt. Um das Volumen zu minimieren, wurden die Abfälle von geschulten Mitarbeitenden in Schutzanzügen – sogenannten Operateuren – von Hand in 200-Liter-Fässer eingefüllt und anschliessend mit der Presse verdichtet. Die Aushublöcher im Schlosspark sind heute mit sauberer Erde gefüllt und von Stadtgrün Bern instand gestellt worden. Durch die Radiumsanierung kann die langfristige Einhaltung des Referenzwertes von 1 Millisievert pro Jahr für die Bevölkerung sichergestellt werden.
Wie kam es dazu?
Radium ist eines der seltensten natürlichen Elemente. Es wurde von 1907 bis 1963 zur Herstellung von Leuchtfarben verwendet und diente vornehmlich zur Bemalung von Zifferblättern und Uhrenzeigern. Der Rohstoff war teuer. Vor dem ersten Weltkrieg kostete ein Gramm Radium bis zu 180 000 und 1943 immer noch um die 25 000 US-Dollar. Während 50 Jahren verarbeitete das Chemie-Labor Merz & Benteli beim Schloss Bümpliz über 300 Gramm Radium zu radioaktiven Leuchtfarben. Dabei versickerte wohl beim Auswaschen der Töpfe und Gläser einiges von dieser Substanz. Man kannte die Gefahren von ionisierenden Strahlen noch nicht. Das änderte sich erst, als Dr. Gerhart Wagner als erster Chef der 1958 gegründeten Sektion für Strahlenschutz den Umgang mit diesen Stoffen gesetzlich regelte. Die Strahlenschutzverordnung sorgte dafür, dass in der Schweizer Uhrenindustrie sukzessive auf die deutlich weniger radiotoxischen Tritiumleuchtfarben umgestellt wurde. Tritium wird auch heute noch verwendet.
«Radium Girls»
Bemalt wurden Zeiger und Zifferblätter von durchwegs jungen Frauen in kleinen Werkstätten oder auch in Heimarbeit am Küchentisch, als willkommene Schwarzarbeit. 1962 gab es nach Schätzungen des Eidgenössischen Gesundheitsamtes über 400 Heimarbeiterinnen, die mit radioaktiven Leuchtfarben arbeiteten. Das Setzen radioaktiver Leuchtfarben galt als einfache Arbeit – die von unqualifizierten Arbeitnehmenden ausgeführt werden konnte – und wurde explizit als Frauenarbeit angepriesen. Abgesehen von Präzision, Geduld und einer ruhigen Hand erforderte das Leuchtfarbensetzen keine besonderen Fähigkeiten oder Kenntnisse. Da die radioaktiven Leuchtfarben aber kostspielig waren, mussten die neuen Arbeiterinnen ihre Fähigkeiten zuerst mit normalen Farben unter Beweis stellen. Für das Setzen der Leuchtfarben wurden Pinsel, Setzstifte aus Metall, Holz, Horn oder Knochen, Stahl- oder Celluloidnadeln, aber auch Glasstäbchen oder -röhrchen verwendet. In der Schweiz wurden nur in geringem Ausmass Pinsel eingesetzt. In den USA hingegen wurden die Radiumfarben in erster Linie mit Pinseln auf die Zeiger und Zifferblätter aufgetragen. Die Setzerinnen – «Radium Girls» genannt – wurden angewiesen, die Pinsel mit den Lippen anzuspitzen, damit sie möglichst feine Linien malen konnten. Dabei inkorporierten sie jedes Mal eine kleine Menge Radium, das sich mit der Zeit in den Knochen der Frauen ablagerte. Die Arbeiterinnen hielten die Leuchtfarben für unschädlich. Sie bemalten aus Spass gar die Zähne, die Augenlider oder die Fingernägel mit Radiumfarben, damit sie im Dunkeln leuchteten. Das führte bei zahlreichen «Radium Girls» zu schweren Erkrankungen wie Anämie, Blut- und Knochenkrebs. Viele Radiumsetzerinnen verstarben jung. Einige erkrankte «Radium Girls» und Hinterbliebene von verstorbenen Setzerinnen gingen rechtlich gegen die Arbeitgeber vor. Die Gerichtsprozesse erhielten auch in Europa viel Aufmerksamkeit. 2018 entstand der Film «Radium Girls» zu diesem Thema.
Die Tüftler im Schlosskeller
Die beiden Chemiker Walter Merz und Dr. Albert Benteli machten sich vor mehr als hundert Jahren in ihrem Labor im Schlosskeller an die Entwicklung eines wasserfesten Klebstoffs, um Leuchtfarben auf Zeigern und Zifferblättern anzubringen. 1930 war es so weit: Cementit kam auf den Markt, schon bald als Synonym für den praktischen Alleskleber. Später kamen noch die Gomasit-Produkte dazu, die Dicht- und Klebstoffe für Bauanwendungen. Produziert wird heute in Niederwangen.