Reportage

47 Jahre mit dem Märitstand unterwegs

Thomas Bornhauser
Hugo Weber, der Märitfahrer auf dem Waisenhausplatz.

Foto: BO

Einfach erklärt
Hugo Weber aus Bümpliz verkauft Schmuck auf Berner Märkten. Der Name Jacaranda geht auf einen Baum in Afrika zurück. Seit 47 Jahren ist er unterwegs.
Nach seiner KV-Ausbildung Ende der 60er-Jahre hat sich Hugo Weber aufgemacht, den afrikanischen Kontinent zu entdecken. Er war, wenn möglich, immer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Auf seiner Reise hat er auch den wunderschön blühenden Jacaranda-Baum entdeckt – und den Namen gleich für sein noch zu gründendes Atelier übernommen; sinnbildlich als Omen für ein lang anhaltendes und florierendes Geschäft für hochwertige Silberschmuck- Kreationen.

«Wieso Afrika?», wollen wir von ihm wissen. Hugo Weber lacht: «Ja, klar, damals war es üblich, nach Indien zu reisen, zur Selbstfindung, wie die Beatles, aber das hat mich nicht interessiert. Afrikanische Länder haben mich schon immer fasziniert.»

 Stand um 7 Uhr aufstellen

«Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung», heisst ein bekanntes Instrumentalstück von James Last aus jener Zeit, in Anlehnung an den gleichnamigen Film. Und um sieben Uhr beginnt die Arbeit von Hugo Weber auf dem Berner Waisenhausplatz, mit dem Aufstellen seines traditionellen Holzstandes. Nach erstaunlich kurzer Zeit – Übung macht bekanntlich den Meister – ist seine Auslage perfekt, die Kundinnen können kommen. Wir verwenden hier spezifisch die weibliche Form, weil Frauen 80 % seiner Kundschaft ausmachen. Viele Käuferinnen sind Stammkundinnen, die regelmässig nach neuen Kreationen Ausschau halten.

Doch zurück zu Webers Reise, besser gesagt, zu seiner damaligen Rückkehr in die Schweiz. Hugo Weber setzt afrikanisches Handwerk in die Tat um, kreiert immer öfter aber eigene Motive. «Damals, bei der Gründung 1978, habe ich auch noch mit Leder gearbeitet, jedoch gemerkt, dass sich das alles – samt den Marktständen – nicht mehr unter einen Hut bringen lässt.» Umso weniger, da auch noch Ehemann und Vater. Also reduziert er seine Aktivitäten auf ein Minimum und beginnt, sich nach Schmuck umzuschauen, den er importieren könnte.

 Erstaunlicherweise wird er nicht in afrikanischen Ländern, sondern in Thailand und Bali fündig. Die ausgewählten und exklusiven Stücke werden von den Silberschmieden Nyoman in Indonesien und Piya in Changmai nach den Ideen und Vorlagen von Hugo Weber hergestellt. Diese Fachleute besucht Weber einmal im Jahr. «Das Vertrauen, die persönlichen Beziehungen, sind für mich zen-tral. Noch nie wurde ich enttäuscht.» Der farbige eloxierte Aluminium-Schmuck ist jedoch «Made in Switzerland», aus Luzern.

Zweimal gleichzeitig unterwegs

Der nickelfreie Silberschmuck erfüllt die gesetzlichen Anforderungen der Eidgenössischen Edelmetallkontrolle vollauf, wie die Verantwortlichkeitsmarke WEB garantiert. Apropos «unter einen Hut bringen». Surft man auf seiner Homepage, stellt man mit Erstaunen fest, dass Hugo Weber nicht bloss auf dem Waisenhausplatz zu finden ist, sondern überall an «Märkten und Messen» im ganzen Kanton Bern und darüber hinaus. Klont er sich? «Nein, mich nicht, aber meinen Stand, den gibt es in doppelter Ausführung: Mit dem sind meine zwei, drei Mitarbeitenden in Teilzeitanstellung unterwegs.» Seit 20 Jahren wohnt Hugo Weber in Bümpliz, seine Frau Sereina Bergamin eröffnet während der Corona-Zeit, als alle Marktveranstaltungen abgesagt werden, den beliebten Online-Shop und betreut diesen mit einer Teilzeit-Angestellten.

Denkt der 72-Jährige ans Aufhören? «Sicher mache ich mir darüber Gedanken. Ich möchte in zwei, drei Jahren eine Nachfolge finden.» Persönliches Engagement und die Freude am Kontakt mit Menschen seien Voraussetzung. Die Selbständigkeit biete zudem viel Freiraum für Kreativität. «Das ist kein 9-to-5-Job.» Sagt er und wendet sich in perfektem Englisch einer Kundin zu, die er scheinbar kennt.

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