Das freut nicht nur die Kröten in der Grube Rehhag

Vögel, Falter, Frösche: Tongrube wird geschützt

Marc de Roche
Ein Hotspot der Biodiversität: Nirgends in und um Bern gibt es derart viele Tier- und Pflanzenarten.

Foto: MDR

Einfach erklärt
Die Tongrube Rehhag wird seit 2002 nicht mehr genutzt. Man wollte sie mit Bauschutt auffüllen. Für eine Art Freizeitpark. Das Gericht sagt, das geht nicht. Es gibt sehr viele Tierarten dort. Nun ist es ein Naturschutzgebiet.
Im Südwesten von Bümpliz liegt die frühere Tongrube Rehhag. Sie ist Heimat zahlreicher Tierarten – und beschäftigte Behörden und Umweltorganisationen. Seit Anfang September ist nun klar: Die Grube wird definitiv unter Schutz gestellt.

Der mehr als 100-jährige Tonabbau im Rehhag schuf eine Grube, die stattliche 400 m lang ist und sich auf über 24 ha erstreckt. 2002 wurde der Tonabbau aufgegeben. Danach wollte man die Grube auffüllen und rekultivieren, obwohl sie kurz zuvor zum Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung erklärt worden war und obwohl etliche Fachleute auf deren Wert als Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen aufmerksam gemacht hatten. Die Planung verzögerte sich immer wieder, bis die Stadt Bern 2017 schliesslich ein Projekt auflegte, um die Grube mit Bauschutt und Aushub aufzufüllen. Dagegen wehrte sich der kleine Verein «Bern bleibt grün» mit einer Einsprache. Aber die Stimmbevölkerung sprach sich 2018 für eine Auffüllung der Grube aus; kurz darauf bewilligte der Kanton das Vorhaben und erklärte die Einsprache von «Bern bleibt grün» als abgelehnt. Dagegen legte der Verein 2019 beim Departement für Inneres und Justiz des Kantons Bern (DIJ) Beschwerde ein. Er verlangte unter anderem, dass die Eidgenössische Kommission für Natur- und Heimatschutz (ENHK) den naturschützerischen Wert der Grube begutachte. So kam es im Frühjahr 2021 zu einer Begehung, die eine klare Wende in Sachen Rehhag brachte. Die ENHK befindet: «Bei der Grube Rehhag handelt es sich um ein hochgradig schutzwürdiges Mo-saik aus seltenen und wertvollen Lebensräumen, die auch Rückzugsorte verschiedener gefährdeter Tierarten ist.»

Ein Politthriller

Das DIJ hat nun entschieden, dass das Areal nicht als Deponie genutzt und auch nicht überbaut werden darf, sondern zu schützen und zu pflegen ist. Der Erfolg von «Bern bleibt grün» zeigt, wie wichtig unabhängige Naturschutzvereine sind: Von den gros-sen Umweltverbänden wehrte sich seit Jahren niemand mehr für die Grube, weil alle den Kampf für chancenlos hielten. Anders hatte dies Annemarie Masswadeh gesehen, die über zehn Jahre im Vorstand des Vereins tätig war und den inhaltlichen Anteil zur Einsprache gegen das Auffüllen der Grube beigetragen hatte. Ihre Wohnung war wochenlang mit Hunderten von Seiten an Dokumenten übersät: Korrespondenzen, Gesetze, Verordnungen, Gutachten, Berichte, Pläne, Argumentationslisten und vieles mehr. Sie behielt den Überblick und schliesslich konnte die Einsprache fristgerecht eingereicht werden – zum Glück für die Grube. Das ist kurz zusammengefasst die Geschichte der Grube Rehhag. Was alles sonst noch geschah, steht auf der Webseite von «Bern bleibt grün». Ein wahrer Politthriller.

Wer bewohnt die Grube Rehhag?  

Der Biologe Christian Roesti hat das Areal im Auftrag von «Bern bleibt grün» insgesamt neun Mal besucht und dabei jeweils verschiedene Gruppen von Lebewesen erfasst. Die Vögel sind mit 44 Arten die artenreichste Gruppe. Danach folgen die Tagfalter (30 Arten), die Libellen (22 Arten) und die Heuschrecken (19 Arten). Dazu kommen verschiedene Amphibienarten, wie etwa die stark gefährdete Gelbbauchunke oder die Kreuzkröte, die zum Laichen auf die Tümpel in der Grube angewiesen sind. Der Naturwert der Grube Rehhag ist ein Beispiel dafür, wie die Natur einen durch den Menschen erschaffenen Lebensraum als Ersatz für verloren gegangene natürliche Lebensräume besiedeln kann. Ganz anders sah dies die Stadt Bern, welche die Grube als «eine Wunde in der Landschaft» betrachtete, die es zu schliessen gelte.

Wie geht es jetzt weiter?

Weil in der Grube während Jahrzehnten sehr wenig gemacht wurde, müssen die Lebensbedingungen für die Tier- und Pflanzengemeinschaften jetzt rasch mit Aufwertungsprojekten verbessert werden. Wer die Verantwortung für die Pflege der Grube übernimmt, ist im Moment noch offen, aber sicher ist: Es gibt einiges zu tun. Freiwillige Naturfreunde von Bern West stehen bereit zur Mithilfe.

Und klar ist auch: Die Grube wird zu einem Naturschutzgebiet, sie ist kein Brätliplatz. Das richterliche Verbot, die Anlage zu befahren oder zu betreten, gilt immer noch. Und das ist gut so.

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